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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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mann; was hab ich eigentlich für die Dobeneck zu bitten? --
Hier hast du den Roman wieder; ich will ihn später versilbern. --
In der beifolgenden Zeitung brütet sich für 2 Könige ein Unglück
aus.

453. An Otto.5

Guten Morgen, Alter! Deine Neuigkeit war -- in unsern Zeiten
eine seltene -- nämlich eine schöne; aber ich kann nicht alle, obwol
einige Gründe deines Abschlagens errathen. -- Damit ich für die
Dobeneck auch etwas thue, so sende mir bald das Mspt mit deinem10
Urtheil, da ich schon deßhalb an den Buchhändler Wenner in
Frankfurt Anfrage gethan. Sogar über die Bedingungen, die ich
vorschlage, will ich mit dir reden.

454. An Staatsrat Langermann in Berlin.
[Kopie]15

Sie haben mir in mein immer mehr verarmendes Bayreuth-
Leben eine reiche Stunde geschickt. So oft ich aus meiner Schlaf-
kammer an Ihr nun verwaisetes Palais d'inegalite hinüber sehe,
zank' ich mich aus, daß ich Sie nicht öfter besucht habe. Jetzt
steh' ich mit leerem Ohr vor dem leeren Bauer wie ein Bauer --20
und der Vogel schlägt in Berlin. Es ist aber eine Eigenheit des
Menschen; sobald er nur weiß, die beste Gesellschaft wohnt ihm
bei der Hand: so verbleibt er ruhig einsam in seinem Neste; ist sie
aber entflogen: so jammert er wie ich. Eine Universität in eine
große sittenlose Stadt, ein Studierzimmer in einen Tanzsaal zu ver-25
legen, noch dazu einem Hofe gegenüber, hab' ich immer für einen
Misgriff gehalten. Der Student muß herrschen und die Stadt von
ihm abhängen und er nichts größeres um sich kennen als den Pro-
rektor; das triennium ist das goldne und poetische Zeitalter der
Wissenschaft. Die besten Universitäten waren immer kleine Städte.30
Wenn sonst in Paris, Padua, Bologna, Prag Universitäten
waren: so machte sich die Größe wieder gut durch die Menge der
Studenten, deren oft 20,000 waren, und durch die höhere Achtung,
die man damals für die blühende Wissenschaft hatte.

mann; was hab ich eigentlich für die Dobeneck zu bitten? —
Hier haſt du den Roman wieder; ich will ihn ſpäter verſilbern. —
In der beifolgenden Zeitung brütet ſich für 2 Könige ein Unglück
aus.

453. An Otto.5

Guten Morgen, Alter! Deine Neuigkeit war — in unſern Zeiten
eine ſeltene — nämlich eine ſchöne; aber ich kann nicht alle, obwol
einige Gründe deines Abſchlagens errathen. — Damit ich für die
Dobeneck auch etwas thue, ſo ſende mir bald das Mſpt mit deinem10
Urtheil, da ich ſchon deßhalb an den Buchhändler Wenner in
Frankfurt Anfrage gethan. Sogar über die Bedingungen, die ich
vorſchlage, will ich mit dir reden.

454. An Staatsrat Langermann in Berlin.
[Kopie]15

Sie haben mir in mein immer mehr verarmendes Bayreuth-
Leben eine reiche Stunde geſchickt. So oft ich aus meiner Schlaf-
kammer an Ihr nun verwaiſetes Palais d’inégalité hinüber ſehe,
zank’ ich mich aus, daß ich Sie nicht öfter beſucht habe. Jetzt
ſteh’ ich mit leerem Ohr vor dem leeren Bauer wie ein Bauer —20
und der Vogel ſchlägt in Berlin. Es iſt aber eine Eigenheit des
Menſchen; ſobald er nur weiß, die beſte Geſellſchaft wohnt ihm
bei der Hand: ſo verbleibt er ruhig einſam in ſeinem Neſte; iſt ſie
aber entflogen: ſo jammert er wie ich. Eine Univerſität in eine
große ſittenloſe Stadt, ein Studierzimmer in einen Tanzſaal zu ver-25
legen, noch dazu einem Hofe gegenüber, hab’ ich immer für einen
Misgriff gehalten. Der Student muß herrſchen und die Stadt von
ihm abhängen und er nichts größeres um ſich kennen als den Pro-
rektor; das triennium iſt das goldne und poetiſche Zeitalter der
Wiſſenſchaft. Die beſten Univerſitäten waren immer kleine Städte.30
Wenn ſonſt in Paris, Padua, Bologna, Prag Univerſitäten
waren: ſo machte ſich die Größe wieder gut durch die Menge der
Studenten, deren oft 20,000 waren, und durch die höhere Achtung,
die man damals für die blühende Wiſſenſchaft hatte.

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[181/0194] mann; was hab ich eigentlich für die Dobeneck zu bitten? — Hier haſt du den Roman wieder; ich will ihn ſpäter verſilbern. — In der beifolgenden Zeitung brütet ſich für 2 Könige ein Unglück aus. 453. An Otto. 5 [Bayreuth, 2. Febr. 1811] Guten Morgen, Alter! Deine Neuigkeit war — in unſern Zeiten eine ſeltene — nämlich eine ſchöne; aber ich kann nicht alle, obwol einige Gründe deines Abſchlagens errathen. — Damit ich für die Dobeneck auch etwas thue, ſo ſende mir bald das Mſpt mit deinem 10 Urtheil, da ich ſchon deßhalb an den Buchhändler Wenner in Frankfurt Anfrage gethan. Sogar über die Bedingungen, die ich vorſchlage, will ich mit dir reden. 454. An Staatsrat Langermann in Berlin. [Bayreuth, 4. Febr. 1811] 15 Sie haben mir in mein immer mehr verarmendes Bayreuth- Leben eine reiche Stunde geſchickt. So oft ich aus meiner Schlaf- kammer an Ihr nun verwaiſetes Palais d’inégalité hinüber ſehe, zank’ ich mich aus, daß ich Sie nicht öfter beſucht habe. Jetzt ſteh’ ich mit leerem Ohr vor dem leeren Bauer wie ein Bauer — 20 und der Vogel ſchlägt in Berlin. Es iſt aber eine Eigenheit des Menſchen; ſobald er nur weiß, die beſte Geſellſchaft wohnt ihm bei der Hand: ſo verbleibt er ruhig einſam in ſeinem Neſte; iſt ſie aber entflogen: ſo jammert er wie ich. Eine Univerſität in eine große ſittenloſe Stadt, ein Studierzimmer in einen Tanzſaal zu ver- 25 legen, noch dazu einem Hofe gegenüber, hab’ ich immer für einen Misgriff gehalten. Der Student muß herrſchen und die Stadt von ihm abhängen und er nichts größeres um ſich kennen als den Pro- rektor; das triennium iſt das goldne und poetiſche Zeitalter der Wiſſenſchaft. Die beſten Univerſitäten waren immer kleine Städte. 30 Wenn ſonſt in Paris, Padua, Bologna, Prag Univerſitäten waren: ſo machte ſich die Größe wieder gut durch die Menge der Studenten, deren oft 20,000 waren, und durch die höhere Achtung, die man damals für die blühende Wiſſenſchaft hatte.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/194>, abgerufen am 29.03.2024.