Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
2. Die juristische Syntax.

Die rechte logische Reihenfolge der Worte und Satztheile
festzustellen war ein Problem, mit dem das klassische Alterthum
sich vielfach beschäftigt hat. Es konnte nicht ausbleiben, daß
auch die alten Juristen bei der Abfassung der Formeln auf diese
Frage geführt und ihr in irgend einer Weise gerecht werden
mußten. Ihre Antwort darauf ist uns aufbewahrt, sie liegt in
den uns erhaltenen Formeln, aber freilich bedarf es erst einer
Abstraction, um sie zu finden.

Nach Anleitung der Syntax haben wir die Stellung der
einzelnen Worte und die der einzelnen Satztheile ins Auge
zu fassen. Ueber erstere habe ich wenig zu sagen, da es nicht
meine Absicht sein kann, mich auf das Gebiet rein grammati-
kalischer für uns werthloser Untersuchungen zu verlieren. Ich
beschränke mich auf folgende abgerissene Bemerkungen.843)

Wenn mehre einzelne Arten eines Gattungsbegriffs aufge-
führt werden, die aus verschiedenen Zeiten datiren, im übrigen
aber sich gleichstehen, so wird die chronologische Reihen-
folge
derselben eingehalten, also z. B. die lex vor dem Ple-
biscit, beide zusammen vor den Senatsbeschlüssen, letztere vor
den Constitutionen der Kaiser genannt.844) Wie sehr dies in
der Weise der Römer gelegen haben muß, geht daraus hervor,
daß eine bei den römischen Archäologen ganz verbreitete Ansicht
den Grund, warum bei Anrufung mehrer Götter Janus die
erste Stelle einnehme, darin finden wollte, daß er der älteste
gewesen sei. Ob diese Ansicht richtig, und ob nicht vielmehr
umgekehrt die letztere Annahme bloß jener Erklärung zu Liebe

843) Daß bei der Anrufung einer Person (z. B. der Götter Cato de re
rust. c. 132, 134. Liv. I, 18 VIII,
9) der Name gleich am Anfang genannt
wird und dem entsprechend die Formula mit der Nennung des Richters (M.
M. judex esto)
beginnt, verdient kaum der Hervorhebung.
844) Ich verweise auf die stehende Formel lex sive Plebiscitum und
sodann auf L. 7 §. 7 de pact. (2. 14) .. adversus leges, Plebiscita, SCa,
edicta principum.
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
2. Die juriſtiſche Syntax.

Die rechte logiſche Reihenfolge der Worte und Satztheile
feſtzuſtellen war ein Problem, mit dem das klaſſiſche Alterthum
ſich vielfach beſchäftigt hat. Es konnte nicht ausbleiben, daß
auch die alten Juriſten bei der Abfaſſung der Formeln auf dieſe
Frage geführt und ihr in irgend einer Weiſe gerecht werden
mußten. Ihre Antwort darauf iſt uns aufbewahrt, ſie liegt in
den uns erhaltenen Formeln, aber freilich bedarf es erſt einer
Abſtraction, um ſie zu finden.

Nach Anleitung der Syntax haben wir die Stellung der
einzelnen Worte und die der einzelnen Satztheile ins Auge
zu faſſen. Ueber erſtere habe ich wenig zu ſagen, da es nicht
meine Abſicht ſein kann, mich auf das Gebiet rein grammati-
kaliſcher für uns werthloſer Unterſuchungen zu verlieren. Ich
beſchränke mich auf folgende abgeriſſene Bemerkungen.843)

Wenn mehre einzelne Arten eines Gattungsbegriffs aufge-
führt werden, die aus verſchiedenen Zeiten datiren, im übrigen
aber ſich gleichſtehen, ſo wird die chronologiſche Reihen-
folge
derſelben eingehalten, alſo z. B. die lex vor dem Ple-
biſcit, beide zuſammen vor den Senatsbeſchlüſſen, letztere vor
den Conſtitutionen der Kaiſer genannt.844) Wie ſehr dies in
der Weiſe der Römer gelegen haben muß, geht daraus hervor,
daß eine bei den römiſchen Archäologen ganz verbreitete Anſicht
den Grund, warum bei Anrufung mehrer Götter Janus die
erſte Stelle einnehme, darin finden wollte, daß er der älteſte
geweſen ſei. Ob dieſe Anſicht richtig, und ob nicht vielmehr
umgekehrt die letztere Annahme bloß jener Erklärung zu Liebe

843) Daß bei der Anrufung einer Perſon (z. B. der Götter Cato de re
rust. c. 132, 134. Liv. I, 18 VIII,
9) der Name gleich am Anfang genannt
wird und dem entſprechend die Formula mit der Nennung des Richters (M.
M. judex esto)
beginnt, verdient kaum der Hervorhebung.
844) Ich verweiſe auf die ſtehende Formel lex sive Plebiscitum und
ſodann auf L. 7 §. 7 de pact. (2. 14) .. adversus leges, Plebiscita, SCa,
edicta principum.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <pb facs="#f0343" n="637"/>
                        <fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 47.</fw>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>2. <hi rendition="#g">Die juri&#x017F;ti&#x017F;che Syntax</hi>.</head><lb/>
                        <p>Die rechte logi&#x017F;che Reihenfolge der Worte und Satztheile<lb/>
fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen war ein Problem, mit dem das kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Alterthum<lb/>
&#x017F;ich vielfach be&#x017F;chäftigt hat. Es konnte nicht ausbleiben, daß<lb/>
auch die alten Juri&#x017F;ten bei der Abfa&#x017F;&#x017F;ung der Formeln auf die&#x017F;e<lb/>
Frage geführt und ihr in irgend einer Wei&#x017F;e gerecht werden<lb/>
mußten. Ihre Antwort darauf i&#x017F;t uns aufbewahrt, &#x017F;ie liegt in<lb/>
den uns erhaltenen Formeln, aber freilich bedarf es er&#x017F;t einer<lb/>
Ab&#x017F;traction, um &#x017F;ie zu finden.</p><lb/>
                        <p>Nach Anleitung der Syntax haben wir die Stellung der<lb/>
einzelnen <hi rendition="#g">Worte</hi> und die der einzelnen <hi rendition="#g">Satztheile</hi> ins Auge<lb/>
zu fa&#x017F;&#x017F;en. Ueber er&#x017F;tere habe ich wenig zu &#x017F;agen, da es nicht<lb/>
meine Ab&#x017F;icht &#x017F;ein kann, mich auf das Gebiet rein grammati-<lb/>
kali&#x017F;cher für uns werthlo&#x017F;er Unter&#x017F;uchungen zu verlieren. Ich<lb/>
be&#x017F;chränke mich auf folgende abgeri&#x017F;&#x017F;ene Bemerkungen.<note place="foot" n="843)">Daß bei der Anrufung einer Per&#x017F;on (z. B. der Götter <hi rendition="#aq">Cato de re<lb/>
rust. c. 132, 134. Liv. I, 18 VIII,</hi> 9) der Name gleich am Anfang genannt<lb/>
wird und dem ent&#x017F;prechend die Formula mit der Nennung des Richters <hi rendition="#aq">(M.<lb/>
M. judex esto)</hi> beginnt, verdient kaum der Hervorhebung.</note></p><lb/>
                        <p>Wenn mehre einzelne Arten eines Gattungsbegriffs aufge-<lb/>
führt werden, die aus ver&#x017F;chiedenen Zeiten datiren, im übrigen<lb/>
aber &#x017F;ich gleich&#x017F;tehen, &#x017F;o wird die <hi rendition="#g">chronologi&#x017F;che Reihen-<lb/>
folge</hi> der&#x017F;elben eingehalten, al&#x017F;o z. B. die <hi rendition="#aq">lex</hi> vor dem Ple-<lb/>
bi&#x017F;cit, beide zu&#x017F;ammen vor den Senatsbe&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en, letztere vor<lb/>
den Con&#x017F;titutionen der Kai&#x017F;er genannt.<note place="foot" n="844)">Ich verwei&#x017F;e auf die &#x017F;tehende Formel <hi rendition="#aq">lex sive Plebiscitum</hi> und<lb/>
&#x017F;odann auf <hi rendition="#aq">L. 7 §. 7 de pact. (2. 14) .. adversus leges, Plebiscita, SCa,<lb/>
edicta principum.</hi></note> Wie &#x017F;ehr dies in<lb/>
der Wei&#x017F;e der Römer gelegen haben muß, geht daraus hervor,<lb/>
daß eine bei den römi&#x017F;chen Archäologen ganz verbreitete An&#x017F;icht<lb/>
den Grund, warum bei Anrufung mehrer Götter Janus die<lb/>
er&#x017F;te Stelle einnehme, darin finden wollte, daß er der älte&#x017F;te<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ei. Ob die&#x017F;e An&#x017F;icht richtig, und ob nicht vielmehr<lb/>
umgekehrt die letztere Annahme bloß jener Erklärung zu Liebe<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[637/0343] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. 2. Die juriſtiſche Syntax. Die rechte logiſche Reihenfolge der Worte und Satztheile feſtzuſtellen war ein Problem, mit dem das klaſſiſche Alterthum ſich vielfach beſchäftigt hat. Es konnte nicht ausbleiben, daß auch die alten Juriſten bei der Abfaſſung der Formeln auf dieſe Frage geführt und ihr in irgend einer Weiſe gerecht werden mußten. Ihre Antwort darauf iſt uns aufbewahrt, ſie liegt in den uns erhaltenen Formeln, aber freilich bedarf es erſt einer Abſtraction, um ſie zu finden. Nach Anleitung der Syntax haben wir die Stellung der einzelnen Worte und die der einzelnen Satztheile ins Auge zu faſſen. Ueber erſtere habe ich wenig zu ſagen, da es nicht meine Abſicht ſein kann, mich auf das Gebiet rein grammati- kaliſcher für uns werthloſer Unterſuchungen zu verlieren. Ich beſchränke mich auf folgende abgeriſſene Bemerkungen. 843) Wenn mehre einzelne Arten eines Gattungsbegriffs aufge- führt werden, die aus verſchiedenen Zeiten datiren, im übrigen aber ſich gleichſtehen, ſo wird die chronologiſche Reihen- folge derſelben eingehalten, alſo z. B. die lex vor dem Ple- biſcit, beide zuſammen vor den Senatsbeſchlüſſen, letztere vor den Conſtitutionen der Kaiſer genannt. 844) Wie ſehr dies in der Weiſe der Römer gelegen haben muß, geht daraus hervor, daß eine bei den römiſchen Archäologen ganz verbreitete Anſicht den Grund, warum bei Anrufung mehrer Götter Janus die erſte Stelle einnehme, darin finden wollte, daß er der älteſte geweſen ſei. Ob dieſe Anſicht richtig, und ob nicht vielmehr umgekehrt die letztere Annahme bloß jener Erklärung zu Liebe 843) Daß bei der Anrufung einer Perſon (z. B. der Götter Cato de re rust. c. 132, 134. Liv. I, 18 VIII, 9) der Name gleich am Anfang genannt wird und dem entſprechend die Formula mit der Nennung des Richters (M. M. judex esto) beginnt, verdient kaum der Hervorhebung. 844) Ich verweiſe auf die ſtehende Formel lex sive Plebiscitum und ſodann auf L. 7 §. 7 de pact. (2. 14) .. adversus leges, Plebiscita, SCa, edicta principum.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/343
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/343>, abgerufen am 23.04.2024.