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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Bestreitung der Bedürfnisse auf einfachem Wege. §. 56.
in seine Hand gegeben, den trotzigen Beklagten aufs empfind-
lichste zu züchtigen, ihn möglicherweise an den Bettelstab zu
bringen.

7. Indirecte Erzwingung eines facere.

Die Obligation des ältern Rechts hat die Sache d. h. das
dare zu ihrem Grunde und zu ihrem Zweck oder Gegen-
stand
,334) ein facere kann nicht wirksam versprochen werden.
Andererseits ist aber doch für einen einigermaßen entwickelten
Verkehr die juristische Erzwingbarkeit eines versprochenen facere
ein unabweisbares Bedürfniß. Der Weg, auf dem der ältere
Verkehr dasselbe befriedigte, ist ganz derselbe, wie in dem vorher-
gehenden Fall: der der indirecten Erzwingung. Der Pro-
mittent verspricht für den Fall, daß er die zugesicherte Hand-
lung nicht vornimmt, eine Geldsumme, hoch genug gegriffen, um
den gewünschten Zwang auf ihn auszuüben (Conventionalpön).

8. Uebertragbarkeit der Forderungen.

Die Obligation ist nach römischer Auffassung unlöslich mit
der Person des Gläubigers und Schuldners verknüpft, ein
Wechsel der Personen, wie er bei der Delegation Statt findet,
ist Aufhebung der bisherigen Obligation und Errichtung einer
neuen. Der Umstand, daß die active Delegation Einwilligung
und Mitwirkung des Schuldners voraussetzte, machte die Be-
nutzung dieser Form für den Zweck der Uebertragung der Ob-
ligation zu einer höchst lästigen und unsicheren, es bedurfte für
den regen Handels- und Geldverkehr der spätern Zeit einer
andern Form, die nicht an diese Voraussetzung gebunden war.
Dies ist bekanntlich die Cession. Die Form, in der sie das
Problem der Uebertragung der Obligation löste, ohne mit dem
einmal adoptirten obigen Dogma in Widerspruch zu gerathen,

334) Diese Ansicht, die in dem Abschnitt über die Rechte des ältern
Systems näher ausgeführt werden soll, ist bereits B. 2 S. 466 angedeutet.
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Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56.
in ſeine Hand gegeben, den trotzigen Beklagten aufs empfind-
lichſte zu züchtigen, ihn möglicherweiſe an den Bettelſtab zu
bringen.

7. Indirecte Erzwingung eines facere.

Die Obligation des ältern Rechts hat die Sache d. h. das
dare zu ihrem Grunde und zu ihrem Zweck oder Gegen-
ſtand
,334) ein facere kann nicht wirkſam verſprochen werden.
Andererſeits iſt aber doch für einen einigermaßen entwickelten
Verkehr die juriſtiſche Erzwingbarkeit eines verſprochenen facere
ein unabweisbares Bedürfniß. Der Weg, auf dem der ältere
Verkehr daſſelbe befriedigte, iſt ganz derſelbe, wie in dem vorher-
gehenden Fall: der der indirecten Erzwingung. Der Pro-
mittent verſpricht für den Fall, daß er die zugeſicherte Hand-
lung nicht vornimmt, eine Geldſumme, hoch genug gegriffen, um
den gewünſchten Zwang auf ihn auszuüben (Conventionalpön).

8. Uebertragbarkeit der Forderungen.

Die Obligation iſt nach römiſcher Auffaſſung unlöslich mit
der Perſon des Gläubigers und Schuldners verknüpft, ein
Wechſel der Perſonen, wie er bei der Delegation Statt findet,
iſt Aufhebung der bisherigen Obligation und Errichtung einer
neuen. Der Umſtand, daß die active Delegation Einwilligung
und Mitwirkung des Schuldners vorausſetzte, machte die Be-
nutzung dieſer Form für den Zweck der Uebertragung der Ob-
ligation zu einer höchſt läſtigen und unſicheren, es bedurfte für
den regen Handels- und Geldverkehr der ſpätern Zeit einer
andern Form, die nicht an dieſe Vorausſetzung gebunden war.
Dies iſt bekanntlich die Ceſſion. Die Form, in der ſie das
Problem der Uebertragung der Obligation löſte, ohne mit dem
einmal adoptirten obigen Dogma in Widerſpruch zu gerathen,

334) Dieſe Anſicht, die in dem Abſchnitt über die Rechte des ältern
Syſtems näher ausgeführt werden ſoll, iſt bereits B. 2 S. 466 angedeutet.
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[243/0259] Beſtreitung der Bedürfniſſe auf einfachem Wege. §. 56. in ſeine Hand gegeben, den trotzigen Beklagten aufs empfind- lichſte zu züchtigen, ihn möglicherweiſe an den Bettelſtab zu bringen. 7. Indirecte Erzwingung eines facere. Die Obligation des ältern Rechts hat die Sache d. h. das dare zu ihrem Grunde und zu ihrem Zweck oder Gegen- ſtand, 334) ein facere kann nicht wirkſam verſprochen werden. Andererſeits iſt aber doch für einen einigermaßen entwickelten Verkehr die juriſtiſche Erzwingbarkeit eines verſprochenen facere ein unabweisbares Bedürfniß. Der Weg, auf dem der ältere Verkehr daſſelbe befriedigte, iſt ganz derſelbe, wie in dem vorher- gehenden Fall: der der indirecten Erzwingung. Der Pro- mittent verſpricht für den Fall, daß er die zugeſicherte Hand- lung nicht vornimmt, eine Geldſumme, hoch genug gegriffen, um den gewünſchten Zwang auf ihn auszuüben (Conventionalpön). 8. Uebertragbarkeit der Forderungen. Die Obligation iſt nach römiſcher Auffaſſung unlöslich mit der Perſon des Gläubigers und Schuldners verknüpft, ein Wechſel der Perſonen, wie er bei der Delegation Statt findet, iſt Aufhebung der bisherigen Obligation und Errichtung einer neuen. Der Umſtand, daß die active Delegation Einwilligung und Mitwirkung des Schuldners vorausſetzte, machte die Be- nutzung dieſer Form für den Zweck der Uebertragung der Ob- ligation zu einer höchſt läſtigen und unſicheren, es bedurfte für den regen Handels- und Geldverkehr der ſpätern Zeit einer andern Form, die nicht an dieſe Vorausſetzung gebunden war. Dies iſt bekanntlich die Ceſſion. Die Form, in der ſie das Problem der Uebertragung der Obligation löſte, ohne mit dem einmal adoptirten obigen Dogma in Widerſpruch zu gerathen, 334) Dieſe Anſicht, die in dem Abſchnitt über die Rechte des ältern Syſtems näher ausgeführt werden ſoll, iſt bereits B. 2 S. 466 angedeutet. 16*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/259>, abgerufen am 29.03.2024.