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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie.

3. in der Androhung einer Strafe, deren Erfolg vielfach
dadurch gesichert ward, daß sie dem Angeber ganz oder zum
Theil als Prämie zugesichert ward. 377)

Daß übrigens die höchsten politischen und geistlichen Ge-
walten nicht selten selber sich auf ganz ähnlichen Schleichwegen
betreten ließen, ist von mir bereits bei einer früheren Gelegen-
heit (B. 1 S. 326, 327) nachgewiesen worden, worauf hier
einfach Bezug genommen werden möge. Die dort genannten
Beispiele, welche noch den Zeiten der Republik angehörten,
waren mehr harmloser Art, Nothlügen, ohne schlechten Zweck;
der Despotismus der Kaiser aber fügte Fälle hinzu, in denen
sich die äußere Beobachtung des Gesetzes bei frevelhafter Ver-
letzung seines Inhalts zu einem teuflischen Hohn gegen das
Recht gestaltete.


3. Die künstlichen Mittel.

Die Constructionshandlungen -- Die Scheingeschäfte -- Die
coemptio fiduciae causa -- Theorie der Scheingeschäfte --
Dogmatische Selbständigkeit derselben -- Adoption zum Zweck der
transitio ad plebem und adoptio regia. -- Die Fictionen.

LVIII. Wir kehren jetzt zur römischen Jurisprudenz zurück,
um den zweiten Theil der oben (S. 233) bezeichneten Aufgabe
zu lösen, nämlich die künstlichen Mittel, deren sie sich für die
Zwecke der juristischen Oekonomie bedient hat, einer Prüfung
zu unterwerfen.

Dieselben lassen sich auf drei Classen zurückführen, von
denen ich zwei mit bekannten, die dritte aber nur mit einem selbst-

377) So bei dem fideicommissum tacitum, dem Fideicommiß an Pere-
grinen, der lex Marcia de usuris reddendis (S. 112), der Collusion im Fall
der L. 1 de coll. deteg. (40. 16).
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.

3. in der Androhung einer Strafe, deren Erfolg vielfach
dadurch geſichert ward, daß ſie dem Angeber ganz oder zum
Theil als Prämie zugeſichert ward. 377)

Daß übrigens die höchſten politiſchen und geiſtlichen Ge-
walten nicht ſelten ſelber ſich auf ganz ähnlichen Schleichwegen
betreten ließen, iſt von mir bereits bei einer früheren Gelegen-
heit (B. 1 S. 326, 327) nachgewieſen worden, worauf hier
einfach Bezug genommen werden möge. Die dort genannten
Beiſpiele, welche noch den Zeiten der Republik angehörten,
waren mehr harmloſer Art, Nothlügen, ohne ſchlechten Zweck;
der Despotismus der Kaiſer aber fügte Fälle hinzu, in denen
ſich die äußere Beobachtung des Geſetzes bei frevelhafter Ver-
letzung ſeines Inhalts zu einem teufliſchen Hohn gegen das
Recht geſtaltete.


3. Die künſtlichen Mittel.

Die Conſtructionshandlungen — Die Scheingeſchäfte — Die
coemptio fiduciae causa — Theorie der Scheingeſchäfte —
Dogmatiſche Selbſtändigkeit derſelben — Adoption zum Zweck der
transitio ad plebem und adoptio regia. — Die Fictionen.

LVIII. Wir kehren jetzt zur römiſchen Jurisprudenz zurück,
um den zweiten Theil der oben (S. 233) bezeichneten Aufgabe
zu löſen, nämlich die künſtlichen Mittel, deren ſie ſich für die
Zwecke der juriſtiſchen Oekonomie bedient hat, einer Prüfung
zu unterwerfen.

Dieſelben laſſen ſich auf drei Claſſen zurückführen, von
denen ich zwei mit bekannten, die dritte aber nur mit einem ſelbſt-

377) So bei dem fideicommissum tacitum, dem Fideicommiß an Pere-
grinen, der lex Marcia de usuris reddendis (S. 112), der Colluſion im Fall
der L. 1 de coll. deteg. (40. 16).
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[260/0276] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. 3. in der Androhung einer Strafe, deren Erfolg vielfach dadurch geſichert ward, daß ſie dem Angeber ganz oder zum Theil als Prämie zugeſichert ward. 377) Daß übrigens die höchſten politiſchen und geiſtlichen Ge- walten nicht ſelten ſelber ſich auf ganz ähnlichen Schleichwegen betreten ließen, iſt von mir bereits bei einer früheren Gelegen- heit (B. 1 S. 326, 327) nachgewieſen worden, worauf hier einfach Bezug genommen werden möge. Die dort genannten Beiſpiele, welche noch den Zeiten der Republik angehörten, waren mehr harmloſer Art, Nothlügen, ohne ſchlechten Zweck; der Despotismus der Kaiſer aber fügte Fälle hinzu, in denen ſich die äußere Beobachtung des Geſetzes bei frevelhafter Ver- letzung ſeines Inhalts zu einem teufliſchen Hohn gegen das Recht geſtaltete. 3. Die künſtlichen Mittel. Die Conſtructionshandlungen — Die Scheingeſchäfte — Die coemptio fiduciae causa — Theorie der Scheingeſchäfte — Dogmatiſche Selbſtändigkeit derſelben — Adoption zum Zweck der transitio ad plebem und adoptio regia. — Die Fictionen. LVIII. Wir kehren jetzt zur römiſchen Jurisprudenz zurück, um den zweiten Theil der oben (S. 233) bezeichneten Aufgabe zu löſen, nämlich die künſtlichen Mittel, deren ſie ſich für die Zwecke der juriſtiſchen Oekonomie bedient hat, einer Prüfung zu unterwerfen. Dieſelben laſſen ſich auf drei Claſſen zurückführen, von denen ich zwei mit bekannten, die dritte aber nur mit einem ſelbſt- 377) So bei dem fideicommissum tacitum, dem Fideicommiß an Pere- grinen, der lex Marcia de usuris reddendis (S. 112), der Colluſion im Fall der L. 1 de coll. deteg. (40. 16).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/276>, abgerufen am 19.04.2024.