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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Rom im Jahre 1630.
dass ihm weder zuviel noch auch zu wenig Ehre widerführe.
Irgend ein Maler müsste ihn als bei sich logiren. Ihre Hoheiten und
die Prinzen mögen sich ihm gnädig erweisen, und mag es auch über-
flüssig sein, den Herrn Grafen an irgend etwas zu erinnern, so wünschte
ich doch, dass alle fürstlichen Personen ihn mit einem ganz runden Ihr
anredeten (di un Voi muy redondo)1), weil er, wie gesagt, ein Günstling
des Königs und des Grafen ist, und ausserdem dass er Uscier di camera
ist, viel intimen Verkehr am Hofe hat, und ich wollte nicht, dass er sich
bei den Höflingen hier und bei Ihren Majj. selbst rühme, von unserm
Fürsten Vostra signoria erhalten zu haben oder eine grössere Höflich-
keit als sich für einen Maler gehört: ich würde den Rath geben, dass
der Grossherzog sich sein Porträt von ihm machen liesse und ihm dann
eine Halskette mit seinem Medaillon schenkte, indem er ihm gegenüber
träte mit der Würde eines Königs (gravita di Re), und ihn gut behan-
delte in der Art seines Standes (nel genere della sua professione): weil man
bei den niederen (bassi) Spaniern ebensoviel verliert, wenn man sie zu
wenig als wenn man sie zu hoch ehrt".

Rom im Jahre 1630.

Velazquez kam nach Rom im sechsten Jahre der Regie-
rung Urban VIII. "Viel Gunstbezeigungen erfuhr er da von dem
Cardinal [Francesco] Barberini, des Pabsts Neffen, auf dessen Be-
fehl er im vaticanischen Palast Wohnung erhielt. Man gab ihm
die Schlüssel einiger Zimmer, der Hauptsaal war in Fresko aus-
gemalt, und zwar der Raum über den Tapeten, mit biblischen
Geschichten von Federigo Zuccari, u. a. Mose vor Pharao, wel-
che Cornelius [Cort] gestochen hat. Aber er gab diese Woh-
nung auf, weil sie sehr aus dem Weg lag und um nicht so allein
zu sein. Ihm war es genug, dass ihn die Wache ohne Schwie-
rigkeit einliess, wenn er zeichnen wollte, z. B. das Jüngste Ge-
richt Michelangelo's oder die Sachen Rafael's. Dort erschien
er viele Tage lang, und machte grosse Fortschritte!"

Nach dem was er etwa von jenem Cardinal Sacchetti, na-

1) Nel dar della signoria o della mercede, di voi, tu, o di el ad una persona
vi pensano molto, e vi mettono grandissima considerazione, stimando sempre che
tutto quell' onore che fanno ad altri, sia un levarlo a se stessi. Morosini, Relazione
di Spagna 1581. Tirso sagt:
que el vos en caballeros
es bueno para escuderos. La huerta de Juan Fernandez I, 1.

Rom im Jahre 1630.
dass ihm weder zuviel noch auch zu wenig Ehre widerführe.
Irgend ein Maler müsste ihn als bei sich logiren. Ihre Hoheiten und
die Prinzen mögen sich ihm gnädig erweisen, und mag es auch über-
flüssig sein, den Herrn Grafen an irgend etwas zu erinnern, so wünschte
ich doch, dass alle fürstlichen Personen ihn mit einem ganz runden Ihr
anredeten (di un Voi muy redondo)1), weil er, wie gesagt, ein Günstling
des Königs und des Grafen ist, und ausserdem dass er Uscier di camera
ist, viel intimen Verkehr am Hofe hat, und ich wollte nicht, dass er sich
bei den Höflingen hier und bei Ihren Majj. selbst rühme, von unserm
Fürsten Vostra signoria erhalten zu haben oder eine grössere Höflich-
keit als sich für einen Maler gehört: ich würde den Rath geben, dass
der Grossherzog sich sein Porträt von ihm machen liesse und ihm dann
eine Halskette mit seinem Medaillon schenkte, indem er ihm gegenüber
träte mit der Würde eines Königs (gravità di Rè), und ihn gut behan-
delte in der Art seines Standes (nel genere della sua professione): weil man
bei den niederen (bassi) Spaniern ebensoviel verliert, wenn man sie zu
wenig als wenn man sie zu hoch ehrt“.

Rom im Jahre 1630.

Velazquez kam nach Rom im sechsten Jahre der Regie-
rung Urban VIII. „Viel Gunstbezeigungen erfuhr er da von dem
Cardinal [Francesco] Barberini, des Pabsts Neffen, auf dessen Be-
fehl er im vaticanischen Palast Wohnung erhielt. Man gab ihm
die Schlüssel einiger Zimmer, der Hauptsaal war in Fresko aus-
gemalt, und zwar der Raum über den Tapeten, mit biblischen
Geschichten von Federigo Zuccari, u. a. Mose vor Pharao, wel-
che Cornelius [Cort] gestochen hat. Aber er gab diese Woh-
nung auf, weil sie sehr aus dem Weg lag und um nicht so allein
zu sein. Ihm war es genug, dass ihn die Wache ohne Schwie-
rigkeit einliess, wenn er zeichnen wollte, z. B. das Jüngste Ge-
richt Michelangelo’s oder die Sachen Rafael’s. Dort erschien
er viele Tage lang, und machte grosse Fortschritte!“

Nach dem was er etwa von jenem Cardinal Sacchetti, na-

1) Nel dar della signoria o della mercede, di voi, tu, o di el ad una persona
vi pensano molto, e vi mettono grandissima considerazione, stimando sempre che
tutto quell’ onore che fanno ad altri, sia un levarlo à sè stessí. Morosini, Relazione
di Spagna 1581. Tirso sagt:
que el vos en caballeros
es bueno para escuderos. La huerta de Juan Fernandez I, 1.
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[279/0305] Rom im Jahre 1630. dass ihm weder zuviel noch auch zu wenig Ehre widerführe. Irgend ein Maler müsste ihn als bei sich logiren. Ihre Hoheiten und die Prinzen mögen sich ihm gnädig erweisen, und mag es auch über- flüssig sein, den Herrn Grafen an irgend etwas zu erinnern, so wünschte ich doch, dass alle fürstlichen Personen ihn mit einem ganz runden Ihr anredeten (di un Voi muy redondo) 1), weil er, wie gesagt, ein Günstling des Königs und des Grafen ist, und ausserdem dass er Uscier di camera ist, viel intimen Verkehr am Hofe hat, und ich wollte nicht, dass er sich bei den Höflingen hier und bei Ihren Majj. selbst rühme, von unserm Fürsten Vostra signoria erhalten zu haben oder eine grössere Höflich- keit als sich für einen Maler gehört: ich würde den Rath geben, dass der Grossherzog sich sein Porträt von ihm machen liesse und ihm dann eine Halskette mit seinem Medaillon schenkte, indem er ihm gegenüber träte mit der Würde eines Königs (gravità di Rè), und ihn gut behan- delte in der Art seines Standes (nel genere della sua professione): weil man bei den niederen (bassi) Spaniern ebensoviel verliert, wenn man sie zu wenig als wenn man sie zu hoch ehrt“. Rom im Jahre 1630. Velazquez kam nach Rom im sechsten Jahre der Regie- rung Urban VIII. „Viel Gunstbezeigungen erfuhr er da von dem Cardinal [Francesco] Barberini, des Pabsts Neffen, auf dessen Be- fehl er im vaticanischen Palast Wohnung erhielt. Man gab ihm die Schlüssel einiger Zimmer, der Hauptsaal war in Fresko aus- gemalt, und zwar der Raum über den Tapeten, mit biblischen Geschichten von Federigo Zuccari, u. a. Mose vor Pharao, wel- che Cornelius [Cort] gestochen hat. Aber er gab diese Woh- nung auf, weil sie sehr aus dem Weg lag und um nicht so allein zu sein. Ihm war es genug, dass ihn die Wache ohne Schwie- rigkeit einliess, wenn er zeichnen wollte, z. B. das Jüngste Ge- richt Michelangelo’s oder die Sachen Rafael’s. Dort erschien er viele Tage lang, und machte grosse Fortschritte!“ Nach dem was er etwa von jenem Cardinal Sacchetti, na- 1) Nel dar della signoria o della mercede, di voi, tu, o di el ad una persona vi pensano molto, e vi mettono grandissima considerazione, stimando sempre che tutto quell’ onore che fanno ad altri, sia un levarlo à sè stessí. Morosini, Relazione di Spagna 1581. Tirso sagt: que el vos en caballeros es bueno para escuderos. La huerta de Juan Fernandez I, 1.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/305>, abgerufen am 18.04.2024.