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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
gründet war1). Der Friedensfürst hatte in seiner Galerie "einen
alten Hirten mit einer todten Füchsin zu Füssen", angeblich von
Velazquez2).

Tela real.

Neben diesen vom Zufall dargebotenen, in der Wildniss der
alten kastilischen Reviere vor wenigen oder keinen Zeugen be-
standenen Thaten der hohen Jagd, erschien der König auch als
Hauptjäger in ihren solennen Festen, die zugleich Schauspiele für
die Damen und den Hof waren. Zu diesen eingestellten Jagden lud
man vornehme Gäste ein, denen Spanien in seiner Glorie gezeigt
werden sollte, z. B. im Januar 1638 die Duchesse de Chevreuse,
1640 die Prinzessin von Carignan. Letztere beschreibt sehr aus-
führlich der toskanische Gesandte3). Diess sind die einzigen unter
den grossen Hoffesten, welche echte Künstler berufen wurden dar-
zustellen. Andere Feste sind nur aus den Depeschen der Diplo-
maten und aus Büchern bekannt, obwol sie doch für Maler sehr
verlockend gewesen sein müssen. In den Stiergefechten der
plaza mayor und de palacio stritten damals noch die Edelleute
des Hofs von ihren Trabanten begleitet, während sie heute zu
einer Geldspeculation von Virtuosen niedrer Herkunft herabge-
sunken sind, die sich zum Theil an die barbarischen Instinkte
der Massen wenden. Von ihnen hat ein Spanier gesagt: Ohne sie
wären wir die letzte der gebildeten Nationen, mit ihnen sind wir
die erste der barbarischen. Im Rohrspeerturnier (cannas) und
im Parejas-Reiten entfalteten sich die Künste der hohen Schule,
die Pracht und Phantasie der Kostüme.

Jene grandes monterias schlossen die Hülfe von Flandern
aus. Die eigenthümlichen Bräuche, die Menge lebender Personen,

1) Otro lienzo al olio de una cuerna de venado que la pinto Diego Velaz-
quez con un rotulo que dice: Ese mato el Rey No. Sr. Felipe 40. Primera
pieza del pasadico sobre el consejo de hordenes. 1636. Später im pasadizo de la
Encarnacion, stark mitgenommen. Falsch wird im Pradokatalog auf solche Hirsch-
köpfe bezogen folgende Angabe in den Inventaren von 1666 und 1686, pasillo de
la Madonna: Catorze cabezas en ocho quadros pequennos de mano de Velazquez
a 30 Ds. cabeza. Zusammen 4,620 Realen. Die Taxe wäre zu hoch; es müsste
cabezas de venado heissen; in demselben Gang sind meist venezianische Porträts,
und auf jene 14 folgen "zwei Köpfe von Tintoretto von derselben Grösse". Es
sind mit Curtis 89e Bildnisse zu verstehen.
2) P. Madrazo, Catalogo de 1872, 683.
3) Diessmal hatte man nur eine Sau (un buon cignale) eingekreist. Depesche
Serrano's vom 4. Februar 1640.

Viertes Buch.
gründet war1). Der Friedensfürst hatte in seiner Galerie „einen
alten Hirten mit einer todten Füchsin zu Füssen“, angeblich von
Velazquez2).

Tela real.

Neben diesen vom Zufall dargebotenen, in der Wildniss der
alten kastilischen Reviere vor wenigen oder keinen Zeugen be-
standenen Thaten der hohen Jagd, erschien der König auch als
Hauptjäger in ihren solennen Festen, die zugleich Schauspiele für
die Damen und den Hof waren. Zu diesen eingestellten Jagden lud
man vornehme Gäste ein, denen Spanien in seiner Glorie gezeigt
werden sollte, z. B. im Januar 1638 die Duchesse de Chevreuse,
1640 die Prinzessin von Carignan. Letztere beschreibt sehr aus-
führlich der toskanische Gesandte3). Diess sind die einzigen unter
den grossen Hoffesten, welche echte Künstler berufen wurden dar-
zustellen. Andere Feste sind nur aus den Depeschen der Diplo-
maten und aus Büchern bekannt, obwol sie doch für Maler sehr
verlockend gewesen sein müssen. In den Stiergefechten der
plaza mayor und de palacio stritten damals noch die Edelleute
des Hofs von ihren Trabanten begleitet, während sie heute zu
einer Geldspeculation von Virtuosen niedrer Herkunft herabge-
sunken sind, die sich zum Theil an die barbarischen Instinkte
der Massen wenden. Von ihnen hat ein Spanier gesagt: Ohne sie
wären wir die letzte der gebildeten Nationen, mit ihnen sind wir
die erste der barbarischen. Im Rohrspeerturnier (cañas) und
im Parejas-Reiten entfalteten sich die Künste der hohen Schule,
die Pracht und Phantasie der Kostüme.

Jene grandes monterias schlossen die Hülfe von Flandern
aus. Die eigenthümlichen Bräuche, die Menge lebender Personen,

1) Otro lienzo al olio de una cuerna de venado que la pintó Diego Velaz-
quez con un rotulo que dice: Ese mató el Rey No. Sr. Felipe 40. Primera
pieza del pasadiço sobre el consejo de hórdenes. 1636. Später im pasadizo de la
Encarnacion, stark mitgenommen. Falsch wird im Pradokatalog auf solche Hirsch-
köpfe bezogen folgende Angabe in den Inventaren von 1666 und 1686, pasillo de
la Madonna: Catorze cabezas en ocho quadros pequeños de mano de Velazquez
á 30 Ds. cabeza. Zusammen 4,620 Realen. Die Taxe wäre zu hoch; es müsste
cabezas de venado heissen; in demselben Gang sind meist venezianische Porträts,
und auf jene 14 folgen „zwei Köpfe von Tintoretto von derselben Grösse“. Es
sind mit Curtis 89e Bildnisse zu verstehen.
2) P. Madrazo, Catálogo de 1872, 683.
3) Diessmal hatte man nur eine Sau (un buon cignale) eingekreist. Depesche
Serrano’s vom 4. Februar 1640.
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[378/0406] Viertes Buch. gründet war 1). Der Friedensfürst hatte in seiner Galerie „einen alten Hirten mit einer todten Füchsin zu Füssen“, angeblich von Velazquez 2). Tela real. Neben diesen vom Zufall dargebotenen, in der Wildniss der alten kastilischen Reviere vor wenigen oder keinen Zeugen be- standenen Thaten der hohen Jagd, erschien der König auch als Hauptjäger in ihren solennen Festen, die zugleich Schauspiele für die Damen und den Hof waren. Zu diesen eingestellten Jagden lud man vornehme Gäste ein, denen Spanien in seiner Glorie gezeigt werden sollte, z. B. im Januar 1638 die Duchesse de Chevreuse, 1640 die Prinzessin von Carignan. Letztere beschreibt sehr aus- führlich der toskanische Gesandte 3). Diess sind die einzigen unter den grossen Hoffesten, welche echte Künstler berufen wurden dar- zustellen. Andere Feste sind nur aus den Depeschen der Diplo- maten und aus Büchern bekannt, obwol sie doch für Maler sehr verlockend gewesen sein müssen. In den Stiergefechten der plaza mayor und de palacio stritten damals noch die Edelleute des Hofs von ihren Trabanten begleitet, während sie heute zu einer Geldspeculation von Virtuosen niedrer Herkunft herabge- sunken sind, die sich zum Theil an die barbarischen Instinkte der Massen wenden. Von ihnen hat ein Spanier gesagt: Ohne sie wären wir die letzte der gebildeten Nationen, mit ihnen sind wir die erste der barbarischen. Im Rohrspeerturnier (cañas) und im Parejas-Reiten entfalteten sich die Künste der hohen Schule, die Pracht und Phantasie der Kostüme. Jene grandes monterias schlossen die Hülfe von Flandern aus. Die eigenthümlichen Bräuche, die Menge lebender Personen, 1) Otro lienzo al olio de una cuerna de venado que la pintó Diego Velaz- quez con un rotulo que dice: Ese mató el Rey No. Sr. Felipe 40. Primera pieza del pasadiço sobre el consejo de hórdenes. 1636. Später im pasadizo de la Encarnacion, stark mitgenommen. Falsch wird im Pradokatalog auf solche Hirsch- köpfe bezogen folgende Angabe in den Inventaren von 1666 und 1686, pasillo de la Madonna: Catorze cabezas en ocho quadros pequeños de mano de Velazquez á 30 Ds. cabeza. Zusammen 4,620 Realen. Die Taxe wäre zu hoch; es müsste cabezas de venado heissen; in demselben Gang sind meist venezianische Porträts, und auf jene 14 folgen „zwei Köpfe von Tintoretto von derselben Grösse“. Es sind mit Curtis 89e Bildnisse zu verstehen. 2) P. Madrazo, Catálogo de 1872, 683. 3) Diessmal hatte man nur eine Sau (un buon cignale) eingekreist. Depesche Serrano’s vom 4. Februar 1640.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/406>, abgerufen am 28.03.2024.