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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Anhang.
Wissen und Nachahmung, die Ungereimtheiten aufs Papier zu bringen, die
ihnen durch den Kopf fuhren. Indess, ich will nicht zornig werden ...
ich weiss, dass Du die Arbeit nicht scheust. Du weisst was Apelles
meinte: Wenn du es auch nicht gesagt hättest, dein Werk sagt mir, wie
schnell du es gemalt hast. Wer Raphael nachahmen will, der muss ein
Leben lang zeichnen. ....

Tr. Ihr nennt uns immer Raphael, Michelangelo und Durero. Das
waren göttliche Männer, ohne Zweifel. Aber sollen wir denn ewig bei
den Italienern in die Schule gehen? Wir haben es nun ein Jahrhundert
lang gethan. Sagt nicht Euer Bonarroti selbst, Wer immer nachfolgt,
kommt nie voran. Sie hatten längst ihren Dante und Petrarca, nun
haben auch wir unsern Garcilaso und Herrera. Wir haben freilich einen
Raphael, wie die Valencianer ihren Juanes nennen, einen Michelangelo,
wie Berruguete heisst, einen Tizian in Sanchez Coello. Sollten wir
nun nicht auch Maler bekommen, die wie der Autor der Geschichte
des sinnreichen Junkers der Mancha, nur sich selbst ähnlich sind?
Sollten vor allem wir Andalusier, hier im reichsten, schönsten, gott-
seligsten und lustigsten Sevilla nicht unsre eignen Pfade zum Tempel
des Ruhmes und der Unsterblichkeit finden können?

E. Ein schöner Pfad zum Tempel der Unsterblichkeit! Nicht nur
das Schöne verachten sie, es scheint ihre Hauptsorge, Hässlichkeit und
Wildheit und blöde Dummheit zu erkünsteln! [a. a. O. I, 394.] Wie
eine Sage klingt es was ehedem von der Kunst gesagt wurde: ein Mittel
und Werkzeug sei sie zum höhern Flug. -- Jene Titel übrigens sind nur
poetische Ausdrucksweisen. Wenn mich der Phönix [Lope] den bätischen
Apelles nannte, so war dies gewiss für mich zu viel Ehre, wie ich selbst
denn mit mehr Recht den Mudo den spanischen Apelles nannte.

Tr. Doch nicht alle malen erkünstelte Hässlichkeit. Oder nennt Ihr
diese Aldeana (Bäuerin) hässlich und wild, die uns so oft für Engel ge-
dient hat. Da steht sie, brünett (morena) mit ihrem gleichmässig bräun-
lichen, matten Teint, schwarzen Augen, schwarzen Haaren (wie es
Anakreon gern sah), etwas blöde, aber Kopf und Herz und vor allem
die Zunge am rechten Fleck; naturwüchsig in ihren Manieren, nach der
Sitte ihres Dorfs. Was sagte Michelangelo zu jenem Spanier, der in
Rom die Antiken kopirte? "Giebt es auch lebendige Menschen und
Thiere in Spanien?" fragte er.

E. Aber nun stellt einmal diese Dame von Alonso Sanchez dane-
ben, oder hier Da. Juana Cortes, zweite Herzogin von Alcala, die Luis
de Vargas malte, mit ihrer weissen und rosigen Haut, Goldhaar, Saphir-
augen, wie es die Dichter wollen, voll Verstand und Witz, angethan mit
verschiedenartigen Stoffen, -- ist sie nicht ein reizenderer Gegenstand

Anhang.
Wissen und Nachahmung, die Ungereimtheiten aufs Papier zu bringen, die
ihnen durch den Kopf fuhren. Indess, ich will nicht zornig werden …
ich weiss, dass Du die Arbeit nicht scheust. Du weisst was Apelles
meinte: Wenn du es auch nicht gesagt hättest, dein Werk sagt mir, wie
schnell du es gemalt hast. Wer Raphael nachahmen will, der muss ein
Leben lang zeichnen. ....

Tr. Ihr nennt uns immer Raphael, Michelangelo und Durero. Das
waren göttliche Männer, ohne Zweifel. Aber sollen wir denn ewig bei
den Italienern in die Schule gehen? Wir haben es nun ein Jahrhundert
lang gethan. Sagt nicht Euer Bonarroti selbst, Wer immer nachfolgt,
kommt nie voran. Sie hatten längst ihren Dante und Petrarca, nun
haben auch wir unsern Garcilaso und Herrera. Wir haben freilich einen
Raphael, wie die Valencianer ihren Juanes nennen, einen Michelangelo,
wie Berruguete heisst, einen Tizian in Sanchez Coello. Sollten wir
nun nicht auch Maler bekommen, die wie der Autor der Geschichte
des sinnreichen Junkers der Mancha, nur sich selbst ähnlich sind?
Sollten vor allem wir Andalusier, hier im reichsten, schönsten, gott-
seligsten und lustigsten Sevilla nicht unsre eignen Pfade zum Tempel
des Ruhmes und der Unsterblichkeit finden können?

E. Ein schöner Pfad zum Tempel der Unsterblichkeit! Nicht nur
das Schöne verachten sie, es scheint ihre Hauptsorge, Hässlichkeit und
Wildheit und blöde Dummheit zu erkünsteln! [a. a. O. I, 394.] Wie
eine Sage klingt es was ehedem von der Kunst gesagt wurde: ein Mittel
und Werkzeug sei sie zum höhern Flug. — Jene Titel übrigens sind nur
poetische Ausdrucksweisen. Wenn mich der Phönix [Lope] den bätischen
Apelles nannte, so war dies gewiss für mich zu viel Ehre, wie ich selbst
denn mit mehr Recht den Mudo den spanischen Apelles nannte.

Tr. Doch nicht alle malen erkünstelte Hässlichkeit. Oder nennt Ihr
diese Aldeana (Bäuerin) hässlich und wild, die uns so oft für Engel ge-
dient hat. Da steht sie, brünett (morena) mit ihrem gleichmässig bräun-
lichen, matten Teint, schwarzen Augen, schwarzen Haaren (wie es
Anakreon gern sah), etwas blöde, aber Kopf und Herz und vor allem
die Zunge am rechten Fleck; naturwüchsig in ihren Manieren, nach der
Sitte ihres Dorfs. Was sagte Michelangelo zu jenem Spanier, der in
Rom die Antiken kopirte? „Giebt es auch lebendige Menschen und
Thiere in Spanien?“ fragte er.

E. Aber nun stellt einmal diese Dame von Alonso Sanchez dane-
ben, oder hier Da. Juana Cortes, zweite Herzogin von Alcalá, die Luis
de Vargas malte, mit ihrer weissen und rosigen Haut, Goldhaar, Saphir-
augen, wie es die Dichter wollen, voll Verstand und Witz, angethan mit
verschiedenartigen Stoffen, — ist sie nicht ein reizenderer Gegenstand

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[96/0116] Anhang. Wissen und Nachahmung, die Ungereimtheiten aufs Papier zu bringen, die ihnen durch den Kopf fuhren. Indess, ich will nicht zornig werden … ich weiss, dass Du die Arbeit nicht scheust. Du weisst was Apelles meinte: Wenn du es auch nicht gesagt hättest, dein Werk sagt mir, wie schnell du es gemalt hast. Wer Raphael nachahmen will, der muss ein Leben lang zeichnen. .... Tr. Ihr nennt uns immer Raphael, Michelangelo und Durero. Das waren göttliche Männer, ohne Zweifel. Aber sollen wir denn ewig bei den Italienern in die Schule gehen? Wir haben es nun ein Jahrhundert lang gethan. Sagt nicht Euer Bonarroti selbst, Wer immer nachfolgt, kommt nie voran. Sie hatten längst ihren Dante und Petrarca, nun haben auch wir unsern Garcilaso und Herrera. Wir haben freilich einen Raphael, wie die Valencianer ihren Juanes nennen, einen Michelangelo, wie Berruguete heisst, einen Tizian in Sanchez Coello. Sollten wir nun nicht auch Maler bekommen, die wie der Autor der Geschichte des sinnreichen Junkers der Mancha, nur sich selbst ähnlich sind? Sollten vor allem wir Andalusier, hier im reichsten, schönsten, gott- seligsten und lustigsten Sevilla nicht unsre eignen Pfade zum Tempel des Ruhmes und der Unsterblichkeit finden können? E. Ein schöner Pfad zum Tempel der Unsterblichkeit! Nicht nur das Schöne verachten sie, es scheint ihre Hauptsorge, Hässlichkeit und Wildheit und blöde Dummheit zu erkünsteln! [a. a. O. I, 394.] Wie eine Sage klingt es was ehedem von der Kunst gesagt wurde: ein Mittel und Werkzeug sei sie zum höhern Flug. — Jene Titel übrigens sind nur poetische Ausdrucksweisen. Wenn mich der Phönix [Lope] den bätischen Apelles nannte, so war dies gewiss für mich zu viel Ehre, wie ich selbst denn mit mehr Recht den Mudo den spanischen Apelles nannte. Tr. Doch nicht alle malen erkünstelte Hässlichkeit. Oder nennt Ihr diese Aldeana (Bäuerin) hässlich und wild, die uns so oft für Engel ge- dient hat. Da steht sie, brünett (morena) mit ihrem gleichmässig bräun- lichen, matten Teint, schwarzen Augen, schwarzen Haaren (wie es Anakreon gern sah), etwas blöde, aber Kopf und Herz und vor allem die Zunge am rechten Fleck; naturwüchsig in ihren Manieren, nach der Sitte ihres Dorfs. Was sagte Michelangelo zu jenem Spanier, der in Rom die Antiken kopirte? „Giebt es auch lebendige Menschen und Thiere in Spanien?“ fragte er. E. Aber nun stellt einmal diese Dame von Alonso Sanchez dane- ben, oder hier Da. Juana Cortes, zweite Herzogin von Alcalá, die Luis de Vargas malte, mit ihrer weissen und rosigen Haut, Goldhaar, Saphir- augen, wie es die Dichter wollen, voll Verstand und Witz, angethan mit verschiedenartigen Stoffen, — ist sie nicht ein reizenderer Gegenstand

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/116>, abgerufen am 24.04.2024.