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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zwei Reisen nach Madrid.
zu malen, bei denen doch Gegenstand und Darstellung nicht
recht aufeinander passten.

Da kam ein Ereigniss, ganz geeignet neue Zukunftspläne
aufzuregen. Die Nachricht von dem unerwarteten Tode Philipp III
(am 31. März 1621), der plötzliche Wechsel in Personen und Re-
gierungssystem nach der Thronbesteigung seines fünfzehn-
jährigen Sohnes setzte alle Unzufriedenen, Emporstrebenden in
die lebhafteste Bewegung. Alle jene Erzählungen von der an-
gesehenen Stellung, den ganz besonderen Gnadenbezeigungen,
welche die Maler des Hauses genossen hatten, von Tizian, eigent-
lich von Jan van Eyck an, bis auf A. Mor und Sanchez Coello,
-- Erzählungen, die unter allen Theilen der Malerbiographie in
den Künstlerkreisen am sorgsamsten überliefert und mit Ueber-
treibungen weiter erzählt wurden, -- sie stiegen vor ihm auf,
als mächtiger Antrieb sein Glück auf diesem Wege zu versuchen 1).

Selten ist wol der Weg zum financiellen und politischen
Bankerot eines Staats mit so viel guten Vorsätzen gepflastert
gewesen, wie unter dieser Regierung. Die Depeschen der Ge-
sandten aus dieser ersten Zeit hallen alle den Eindruck wieder,
den der Mantuaner Bonatti in die Worte fasst: die Umwälzungen
die dieser Tod zur Folge hat, sind von der Art, dass man sagen
kann: Mondo nuovo.

Der Kronprinz, dessen lebhafter frühentwickelter Verstand,
bei all seinem ernsten und gesetzten Wesen, Niemand entging,
war bis zuletzt durch den Herzog von Uceda vom Staatsrath
ausgeschlossen und selbst in seinem Privatleben unter lästiger
Kontrolle gehalten worden. Der angesammelte Groll, den die
Günstlingsherrschaft der Lerma in ihm entfacht, formte sich zu
entschiedenen Vorsätzen, als er hören musste, wie sein sterben-
der Vater bitteren Gewissensvorwürfen über seine Regierung
oder vielmehr Nichtregierung Ausdruck gab, und dem Beicht-
vater vorhielt, dass er sich selbst und ihn getäuscht habe. Als-
bald entlud sich über die Lerma und ihren Anhang ein ver-
nichtendes Gewitter königlicher Ungnade. Der junge Monarch
erklärte, er gedenke souverän zu regieren, Minister und Diener
wolle er, keine Kumpane und Günstlinge; er verlangte die aus-

1) Con esto determine pasar adelante, y por entonces a Madrid, que estaba
alli la Corte, donde todo florecio, con muchos del Tuson, muchos Grandes, muchos
Titulados, muchos Prelados, muchos Caballeros, gente principal, y sobre todo Rey
mozo
, recien casado. Guzman de Alfarache I, 2, 1.

Zwei Reisen nach Madrid.
zu malen, bei denen doch Gegenstand und Darstellung nicht
recht aufeinander passten.

Da kam ein Ereigniss, ganz geeignet neue Zukunftspläne
aufzuregen. Die Nachricht von dem unerwarteten Tode Philipp III
(am 31. März 1621), der plötzliche Wechsel in Personen und Re-
gierungssystem nach der Thronbesteigung seines fünfzehn-
jährigen Sohnes setzte alle Unzufriedenen, Emporstrebenden in
die lebhafteste Bewegung. Alle jene Erzählungen von der an-
gesehenen Stellung, den ganz besonderen Gnadenbezeigungen,
welche die Maler des Hauses genossen hatten, von Tizian, eigent-
lich von Jan van Eyck an, bis auf A. Mor und Sanchez Coello,
— Erzählungen, die unter allen Theilen der Malerbiographie in
den Künstlerkreisen am sorgsamsten überliefert und mit Ueber-
treibungen weiter erzählt wurden, — sie stiegen vor ihm auf,
als mächtiger Antrieb sein Glück auf diesem Wege zu versuchen 1).

Selten ist wol der Weg zum financiellen und politischen
Bankerot eines Staats mit so viel guten Vorsätzen gepflastert
gewesen, wie unter dieser Regierung. Die Depeschen der Ge-
sandten aus dieser ersten Zeit hallen alle den Eindruck wieder,
den der Mantuaner Bonatti in die Worte fasst: die Umwälzungen
die dieser Tod zur Folge hat, sind von der Art, dass man sagen
kann: Mondo nuovo.

Der Kronprinz, dessen lebhafter frühentwickelter Verstand,
bei all seinem ernsten und gesetzten Wesen, Niemand entging,
war bis zuletzt durch den Herzog von Uceda vom Staatsrath
ausgeschlossen und selbst in seinem Privatleben unter lästiger
Kontrolle gehalten worden. Der angesammelte Groll, den die
Günstlingsherrschaft der Lerma in ihm entfacht, formte sich zu
entschiedenen Vorsätzen, als er hören musste, wie sein sterben-
der Vater bitteren Gewissensvorwürfen über seine Regierung
oder vielmehr Nichtregierung Ausdruck gab, und dem Beicht-
vater vorhielt, dass er sich selbst und ihn getäuscht habe. Als-
bald entlud sich über die Lerma und ihren Anhang ein ver-
nichtendes Gewitter königlicher Ungnade. Der junge Monarch
erklärte, er gedenke souverän zu regieren, Minister und Diener
wolle er, keine Kumpane und Günstlinge; er verlangte die aus-

1) Con esto determiné pasar adelante, y por entónces á Madrid, que estaba
alli la Corte, donde todo floreció, con muchos del Tuson, muchos Grandes, muchos
Titulados, muchos Prelados, muchos Caballeros, gente principal, y sobre todo Rey
mozo
, recien casado. Guzman de Alfarache I, 2, 1.
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[159/0179] Zwei Reisen nach Madrid. zu malen, bei denen doch Gegenstand und Darstellung nicht recht aufeinander passten. Da kam ein Ereigniss, ganz geeignet neue Zukunftspläne aufzuregen. Die Nachricht von dem unerwarteten Tode Philipp III (am 31. März 1621), der plötzliche Wechsel in Personen und Re- gierungssystem nach der Thronbesteigung seines fünfzehn- jährigen Sohnes setzte alle Unzufriedenen, Emporstrebenden in die lebhafteste Bewegung. Alle jene Erzählungen von der an- gesehenen Stellung, den ganz besonderen Gnadenbezeigungen, welche die Maler des Hauses genossen hatten, von Tizian, eigent- lich von Jan van Eyck an, bis auf A. Mor und Sanchez Coello, — Erzählungen, die unter allen Theilen der Malerbiographie in den Künstlerkreisen am sorgsamsten überliefert und mit Ueber- treibungen weiter erzählt wurden, — sie stiegen vor ihm auf, als mächtiger Antrieb sein Glück auf diesem Wege zu versuchen 1). Selten ist wol der Weg zum financiellen und politischen Bankerot eines Staats mit so viel guten Vorsätzen gepflastert gewesen, wie unter dieser Regierung. Die Depeschen der Ge- sandten aus dieser ersten Zeit hallen alle den Eindruck wieder, den der Mantuaner Bonatti in die Worte fasst: die Umwälzungen die dieser Tod zur Folge hat, sind von der Art, dass man sagen kann: Mondo nuovo. Der Kronprinz, dessen lebhafter frühentwickelter Verstand, bei all seinem ernsten und gesetzten Wesen, Niemand entging, war bis zuletzt durch den Herzog von Uceda vom Staatsrath ausgeschlossen und selbst in seinem Privatleben unter lästiger Kontrolle gehalten worden. Der angesammelte Groll, den die Günstlingsherrschaft der Lerma in ihm entfacht, formte sich zu entschiedenen Vorsätzen, als er hören musste, wie sein sterben- der Vater bitteren Gewissensvorwürfen über seine Regierung oder vielmehr Nichtregierung Ausdruck gab, und dem Beicht- vater vorhielt, dass er sich selbst und ihn getäuscht habe. Als- bald entlud sich über die Lerma und ihren Anhang ein ver- nichtendes Gewitter königlicher Ungnade. Der junge Monarch erklärte, er gedenke souverän zu regieren, Minister und Diener wolle er, keine Kumpane und Günstlinge; er verlangte die aus- 1) Con esto determiné pasar adelante, y por entónces á Madrid, que estaba alli la Corte, donde todo floreció, con muchos del Tuson, muchos Grandes, muchos Titulados, muchos Prelados, muchos Caballeros, gente principal, y sobre todo Rey mozo, recien casado. Guzman de Alfarache I, 2, 1.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/179>, abgerufen am 29.03.2024.