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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Gespräche über die Malerei.

Carducho ist, wie seiner ganzen Zeit, der Stil verloren ge-
gangen, den er in seinem Buch predigt, ihm fehlt die grosse
Persönlichkeit, welche ein Künstler dieses Bekenntnisses haben
muss. Aber man vermisst auch die Wahrheit der Natur, zu der
er sich nur herablässt, die Wahrheit der Empfindung und Ueber-
zeugung. Daher bleiben seine Werke gleichgültig, trotz des
Wissens und der vielseitigen Geschicklichkeit. --

Die Gespräche über die Malerei.

Unsere drei Toscaner also, bis dahin als die besten geltend
in Madrid, überall hin gerufen wo man Sachen erster Güte
haben wollte, sahen plötzlich einen jungen Mann aus der Provinz
neben sich, beschenkt mit Hofämtern und Renten, so hoch in
Gunst, wie es seit Philipp II Tagen keinem Maler begegnet war.
Zwar kam er ihnen nicht ins Gehege; um die Retablos und die
Plafonds der Schlosszimmer bewarb er sich nicht. Allein die
Wunden der Eitelkeit sind bittrer als die des Eigennutzes. --
Worauf gründete sich denn dieser Erfolg? Wo waren die Rechts-
titel des wahren Künstlers? Bildnisse, Küchenstücke -- nichts
weiter, -- Sachen eher geeignet am wahren Künstlerberuf Zweifel
zu erwecken. Er hatte ja noch gar nicht bewiesen, dass er mit
ihnen überhaupt einen Wettlauf unternehmen könnte. Bald sah
man zwei Lager sich gegenüberstehn. Vicencio hatte sich
öfters darüber ausgesprochen; endlich schrieb er seinen Groll
und seine Anklage auf, und fand Gelegenheit, sie in einem Buche
allgemeinen Inhalts anzubringen (S. 19). Seine Dialogos sind
zwar erst 1633 erschienen; aber das was darin an die Adresse
der Gegenwart gerichtet ist, hat er gewiss Jahrelang gepredigt.

Cean Bermudez nennt sie das beste Buch über die Malerei
im Spanischen (I 251). Glaubt man doch seinen Mengs zuweilen
darin sprechen zu hören. Wol ist es in einer klaren, lebendigen,
vom estilo culto freien Sprache geschrieben; es vertritt seine
These mit Ueberzeugung und Folgerichtigkeit, und ist als schrift-
stellerische Leistung selbst seinen Landsleuten dieses und des
vorigen Jahrhunderts überlegen. Auch hat er mehr Geist als
Pacheco, nur fehlt die Unmittelbarkeit, die Fülle von Original-
notizen. Dort der Künstler, der mit seinen Augen sieht, für
keine Eigenart mit seiner Anerkennung geizt, auch wenn er sich
selbst widerspräche: hier der stolze Manierist und Parteimann,

Die Gespräche über die Malerei.

Carducho ist, wie seiner ganzen Zeit, der Stil verloren ge-
gangen, den er in seinem Buch predigt, ihm fehlt die grosse
Persönlichkeit, welche ein Künstler dieses Bekenntnisses haben
muss. Aber man vermisst auch die Wahrheit der Natur, zu der
er sich nur herablässt, die Wahrheit der Empfindung und Ueber-
zeugung. Daher bleiben seine Werke gleichgültig, trotz des
Wissens und der vielseitigen Geschicklichkeit. —

Die Gespräche über die Malerei.

Unsere drei Toscaner also, bis dahin als die besten geltend
in Madrid, überall hin gerufen wo man Sachen erster Güte
haben wollte, sahen plötzlich einen jungen Mann aus der Provinz
neben sich, beschenkt mit Hofämtern und Renten, so hoch in
Gunst, wie es seit Philipp II Tagen keinem Maler begegnet war.
Zwar kam er ihnen nicht ins Gehege; um die Retablos und die
Plafonds der Schlosszimmer bewarb er sich nicht. Allein die
Wunden der Eitelkeit sind bittrer als die des Eigennutzes. —
Worauf gründete sich denn dieser Erfolg? Wo waren die Rechts-
titel des wahren Künstlers? Bildnisse, Küchenstücke — nichts
weiter, — Sachen eher geeignet am wahren Künstlerberuf Zweifel
zu erwecken. Er hatte ja noch gar nicht bewiesen, dass er mit
ihnen überhaupt einen Wettlauf unternehmen könnte. Bald sah
man zwei Lager sich gegenüberstehn. Vicencio hatte sich
öfters darüber ausgesprochen; endlich schrieb er seinen Groll
und seine Anklage auf, und fand Gelegenheit, sie in einem Buche
allgemeinen Inhalts anzubringen (S. 19). Seine Diálogos sind
zwar erst 1633 erschienen; aber das was darin an die Adresse
der Gegenwart gerichtet ist, hat er gewiss Jahrelang gepredigt.

Cean Bermudez nennt sie das beste Buch über die Malerei
im Spanischen (I 251). Glaubt man doch seinen Mengs zuweilen
darin sprechen zu hören. Wol ist es in einer klaren, lebendigen,
vom estilo culto freien Sprache geschrieben; es vertritt seine
These mit Ueberzeugung und Folgerichtigkeit, und ist als schrift-
stellerische Leistung selbst seinen Landsleuten dieses und des
vorigen Jahrhunderts überlegen. Auch hat er mehr Geist als
Pacheco, nur fehlt die Unmittelbarkeit, die Fülle von Original-
notizen. Dort der Künstler, der mit seinen Augen sieht, für
keine Eigenart mit seiner Anerkennung geizt, auch wenn er sich
selbst widerspräche: hier der stolze Manierist und Parteimann,

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[223/0245] Die Gespräche über die Malerei. Carducho ist, wie seiner ganzen Zeit, der Stil verloren ge- gangen, den er in seinem Buch predigt, ihm fehlt die grosse Persönlichkeit, welche ein Künstler dieses Bekenntnisses haben muss. Aber man vermisst auch die Wahrheit der Natur, zu der er sich nur herablässt, die Wahrheit der Empfindung und Ueber- zeugung. Daher bleiben seine Werke gleichgültig, trotz des Wissens und der vielseitigen Geschicklichkeit. — Die Gespräche über die Malerei. Unsere drei Toscaner also, bis dahin als die besten geltend in Madrid, überall hin gerufen wo man Sachen erster Güte haben wollte, sahen plötzlich einen jungen Mann aus der Provinz neben sich, beschenkt mit Hofämtern und Renten, so hoch in Gunst, wie es seit Philipp II Tagen keinem Maler begegnet war. Zwar kam er ihnen nicht ins Gehege; um die Retablos und die Plafonds der Schlosszimmer bewarb er sich nicht. Allein die Wunden der Eitelkeit sind bittrer als die des Eigennutzes. — Worauf gründete sich denn dieser Erfolg? Wo waren die Rechts- titel des wahren Künstlers? Bildnisse, Küchenstücke — nichts weiter, — Sachen eher geeignet am wahren Künstlerberuf Zweifel zu erwecken. Er hatte ja noch gar nicht bewiesen, dass er mit ihnen überhaupt einen Wettlauf unternehmen könnte. Bald sah man zwei Lager sich gegenüberstehn. Vicencio hatte sich öfters darüber ausgesprochen; endlich schrieb er seinen Groll und seine Anklage auf, und fand Gelegenheit, sie in einem Buche allgemeinen Inhalts anzubringen (S. 19). Seine Diálogos sind zwar erst 1633 erschienen; aber das was darin an die Adresse der Gegenwart gerichtet ist, hat er gewiss Jahrelang gepredigt. Cean Bermudez nennt sie das beste Buch über die Malerei im Spanischen (I 251). Glaubt man doch seinen Mengs zuweilen darin sprechen zu hören. Wol ist es in einer klaren, lebendigen, vom estilo culto freien Sprache geschrieben; es vertritt seine These mit Ueberzeugung und Folgerichtigkeit, und ist als schrift- stellerische Leistung selbst seinen Landsleuten dieses und des vorigen Jahrhunderts überlegen. Auch hat er mehr Geist als Pacheco, nur fehlt die Unmittelbarkeit, die Fülle von Original- notizen. Dort der Künstler, der mit seinen Augen sieht, für keine Eigenart mit seiner Anerkennung geizt, auch wenn er sich selbst widerspräche: hier der stolze Manierist und Parteimann,

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/245>, abgerufen am 29.03.2024.