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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Nach Italien.
mochten Velazquez noch mehr einleuchten, als die veralteten
Tendenzen seines Schwiegervaters. Sein Gedanke war gewiss
nicht, dort umzulernen; die Italiener der Gegenwart waren ihm
ohne Zweifel gleichgültig. Aber unbezwinglich musste doch die
Neugier sein, jene Namen, von deren Preis ihm seit seinen Kna-
benjahren die Ohren klangen, einmal mit eigenen Augen zu sehen.
Und dann, denen die ihm zusagen würden, einige Winke für
seine Weise und seine Ziele abzusehn.

"Endlich ertheilte der König, am 28. Juni, den Urlaub (licen-
cia
), feuerte ihn an und schenkte ihm vierhundert Silberdukaten;
auch Fortzahlung des Gehalts wurde gewährt. Und als er sich
vom Conde Duque verabschiedete, gab ihm dieser weitere zwei-
hundert Dukaten in Gold, eine Medaille mit des Königs Bildniss
und viele Empfehlungsschreiben" (cartas de favor)1).

Nun traf es sich, dass gerade um diese Zeit der Horizont
Italiens durch Kriegswolken verfinstert war. Diese Ereignisse
sind auf die Reise von Einfluss gewesen. Es waren die Jahre
des mantuanischen Erbfolgekriegs. Der Kaiser, der sich als
Lehnsherr der Markgrafschaft betrachtete, hatte die nach dem
Tod Vincenzo Gonzaga's (1627) erfolgte Besitzergreifung des
Herzogs von Nevers übel vermerkt und den Sequester über Man-
tua ausgesprochen. Carl Emanuel und der spanische Gouverneur
von Mailand verständigten sich über die Theilung von Mont-
ferrat, Gonzalvo de Cordoba belagerte dessen Hauptstadt Casale.
Eine ganz neue Wendung nahmen die Dinge in diesem Jahr
(1629) durch das Erscheinen Frankreichs auf dem Kriegsschau-
platz, das nach der Einnahme von La Rochelle freie Hand be-
kommen hatte. Nach der Wegnahme von Susa hatte Carl Ema-
nuel mit Richelieu sich vertragen, ein Defensivbündniss kam zu
Stande zwischen Ludwig XIII, Venedig, dem Pabst und Nevers,
dem auch Savoyen beizutreten versprach; der Herzog bewog
Gonzalvo die Belagerung von Casale aufzuheben.

Die Folge dieser Wendung war die Entschliessung des
Madrider Hofs mit dem Kaiser gemeinsam vorzugehen. Colalto
überschritt die Alpen; mit ihm zusammen sollte der grosse Feld-
herr operiren, der vor kurzem aus den Niederlanden, dem vierzig-
jährigen Schauplatz seiner Thaten, am 24. Februar 1628 in
Madrid eingetroffen war: Ambrosius Spinola.

Spinola stand damals auf dem Gipfel seines Ruhms. Der

1) Pacheco a. a. O. I, 136.

Nach Italien.
mochten Velazquez noch mehr einleuchten, als die veralteten
Tendenzen seines Schwiegervaters. Sein Gedanke war gewiss
nicht, dort umzulernen; die Italiener der Gegenwart waren ihm
ohne Zweifel gleichgültig. Aber unbezwinglich musste doch die
Neugier sein, jene Namen, von deren Preis ihm seit seinen Kna-
benjahren die Ohren klangen, einmal mit eigenen Augen zu sehen.
Und dann, denen die ihm zusagen würden, einige Winke für
seine Weise und seine Ziele abzusehn.

„Endlich ertheilte der König, am 28. Juni, den Urlaub (licen-
cia
), feuerte ihn an und schenkte ihm vierhundert Silberdukaten;
auch Fortzahlung des Gehalts wurde gewährt. Und als er sich
vom Conde Duque verabschiedete, gab ihm dieser weitere zwei-
hundert Dukaten in Gold, eine Medaille mit des Königs Bildniss
und viele Empfehlungsschreiben“ (cartas de favor)1).

Nun traf es sich, dass gerade um diese Zeit der Horizont
Italiens durch Kriegswolken verfinstert war. Diese Ereignisse
sind auf die Reise von Einfluss gewesen. Es waren die Jahre
des mantuanischen Erbfolgekriegs. Der Kaiser, der sich als
Lehnsherr der Markgrafschaft betrachtete, hatte die nach dem
Tod Vincenzo Gonzaga’s (1627) erfolgte Besitzergreifung des
Herzogs von Nevers übel vermerkt und den Sequester über Man-
tua ausgesprochen. Carl Emanuel und der spanische Gouverneur
von Mailand verständigten sich über die Theilung von Mont-
ferrat, Gonzalvo de Cordoba belagerte dessen Hauptstadt Casale.
Eine ganz neue Wendung nahmen die Dinge in diesem Jahr
(1629) durch das Erscheinen Frankreichs auf dem Kriegsschau-
platz, das nach der Einnahme von La Rochelle freie Hand be-
kommen hatte. Nach der Wegnahme von Susa hatte Carl Ema-
nuel mit Richelieu sich vertragen, ein Defensivbündniss kam zu
Stande zwischen Ludwig XIII, Venedig, dem Pabst und Nevers,
dem auch Savoyen beizutreten versprach; der Herzog bewog
Gonzalvo die Belagerung von Casale aufzuheben.

Die Folge dieser Wendung war die Entschliessung des
Madrider Hofs mit dem Kaiser gemeinsam vorzugehen. Colalto
überschritt die Alpen; mit ihm zusammen sollte der grosse Feld-
herr operiren, der vor kurzem aus den Niederlanden, dem vierzig-
jährigen Schauplatz seiner Thaten, am 24. Februar 1628 in
Madrid eingetroffen war: Ambrosius Spinola.

Spinola stand damals auf dem Gipfel seines Ruhms. Der

1) Pacheco a. a. O. I, 136.
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[269/0295] Nach Italien. mochten Velazquez noch mehr einleuchten, als die veralteten Tendenzen seines Schwiegervaters. Sein Gedanke war gewiss nicht, dort umzulernen; die Italiener der Gegenwart waren ihm ohne Zweifel gleichgültig. Aber unbezwinglich musste doch die Neugier sein, jene Namen, von deren Preis ihm seit seinen Kna- benjahren die Ohren klangen, einmal mit eigenen Augen zu sehen. Und dann, denen die ihm zusagen würden, einige Winke für seine Weise und seine Ziele abzusehn. „Endlich ertheilte der König, am 28. Juni, den Urlaub (licen- cia), feuerte ihn an und schenkte ihm vierhundert Silberdukaten; auch Fortzahlung des Gehalts wurde gewährt. Und als er sich vom Conde Duque verabschiedete, gab ihm dieser weitere zwei- hundert Dukaten in Gold, eine Medaille mit des Königs Bildniss und viele Empfehlungsschreiben“ (cartas de favor) 1). Nun traf es sich, dass gerade um diese Zeit der Horizont Italiens durch Kriegswolken verfinstert war. Diese Ereignisse sind auf die Reise von Einfluss gewesen. Es waren die Jahre des mantuanischen Erbfolgekriegs. Der Kaiser, der sich als Lehnsherr der Markgrafschaft betrachtete, hatte die nach dem Tod Vincenzo Gonzaga’s (1627) erfolgte Besitzergreifung des Herzogs von Nevers übel vermerkt und den Sequester über Man- tua ausgesprochen. Carl Emanuel und der spanische Gouverneur von Mailand verständigten sich über die Theilung von Mont- ferrat, Gonzalvo de Cordoba belagerte dessen Hauptstadt Casale. Eine ganz neue Wendung nahmen die Dinge in diesem Jahr (1629) durch das Erscheinen Frankreichs auf dem Kriegsschau- platz, das nach der Einnahme von La Rochelle freie Hand be- kommen hatte. Nach der Wegnahme von Susa hatte Carl Ema- nuel mit Richelieu sich vertragen, ein Defensivbündniss kam zu Stande zwischen Ludwig XIII, Venedig, dem Pabst und Nevers, dem auch Savoyen beizutreten versprach; der Herzog bewog Gonzalvo die Belagerung von Casale aufzuheben. Die Folge dieser Wendung war die Entschliessung des Madrider Hofs mit dem Kaiser gemeinsam vorzugehen. Colalto überschritt die Alpen; mit ihm zusammen sollte der grosse Feld- herr operiren, der vor kurzem aus den Niederlanden, dem vierzig- jährigen Schauplatz seiner Thaten, am 24. Februar 1628 in Madrid eingetroffen war: Ambrosius Spinola. Spinola stand damals auf dem Gipfel seines Ruhms. Der 1) Pacheco a. a. O. I, 136.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/295>, abgerufen am 25.04.2024.