Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Buch.

"Velazquez, berichtet Pacheco, schiffte sich in Barcelona am
St. Lorenztag (den 10. August) ein; am 23. landeten sie in Genua".
Die Landung fand aber schon am 20. statt. Spinola wohnte im
Hause der Herzogin Spinola, seiner Schwester, und blieb nur
wenige Tage dort.

In Venedig.

Velazquez ist wahrscheinlich mit Spinola bis Mailand ge-
reist, wo dieser noch im August eintraf.

Nur ein Spanier von so harmloser Natur wie Velazquez,
und für den der König oder der Minister sich persönlich inter-
essirten, konnte damals hoffen, in der Lagunenstadt unangefoch-
ten zu verkehren, oder gar einen längeren Aufenthalt gestattet zu
bekommen. Alvise Mocenigo, der Gesandte in Madrid, hatte
deshalb an den Senat geschrieben; er bemerkt, dass seine Reise
keinen Verdacht erwecken könne; er habe offenbar den Urlaub
nur erbeten, um sich in seiner Kunst zu vervollkommnen. Auf
Olivares' Befehl habe der Staatssekretär, D. Juan de Vegliella
ihn um Pass und Empfehlungsschreiben an Giorgio Contarini
und Vincenzo Grimani ersucht.

Als er in Venedig ankam, (es war unter der Regierung
des Dogen Gio. Cornaro), hörte und sah man nichts als Aushe-
bungen und Truppenschau. Die Regierung machte mit Erlaubniss
des Sultans Werbungen und Proviantankäufe in Albanien. Die
Gereiztheit gegen die Spanier war so hoch gestiegen, dass der
Gesandte, in dessen Hause Velazquez wohnte und an dessen
Tafel er speiste, ihm bei seinen Ausgängen Diener zum Schutz
mitgab. Die Spanier waren dort nie beliebt, die Feindseligkeiten
des Herzogs von Osuna und die geheimnissvolle Verschwörung
noch in frischem Andenken; sie selbst machten kein Hehl daraus,
dass ihnen die Republik von S. Marco ein Dorn im Auge war.
Spanien besass drei der reichsten und schönsten Provinzen Italiens
und hielt die Souveräne der andern Staaten durch Pensionen
in mehr oder weniger dauernder Vasallenschaft. Venedig war
der einzige völlig freie Staat, seine Verfassung schloss das Auf-
kommen einer ausländischen Partei aus. Die Vicekönige und
Gesandten pflegten auf eigene Hand antivenezianische Politik zu
machen und eine viel stärkere Sprache zu führen, als der Hof in
Madrid billigte; die Hauptleute aber und das Palastgesinde über-
boten noch ihre Herren. Das Asylrecht gab ihnen Gelegenheit

Drittes Buch.

„Velazquez, berichtet Pacheco, schiffte sich in Barcelona am
St. Lorenztag (den 10. August) ein; am 23. landeten sie in Genua“.
Die Landung fand aber schon am 20. statt. Spinola wohnte im
Hause der Herzogin Spinola, seiner Schwester, und blieb nur
wenige Tage dort.

In Venedig.

Velazquez ist wahrscheinlich mit Spinola bis Mailand ge-
reist, wo dieser noch im August eintraf.

Nur ein Spanier von so harmloser Natur wie Velazquez,
und für den der König oder der Minister sich persönlich inter-
essirten, konnte damals hoffen, in der Lagunenstadt unangefoch-
ten zu verkehren, oder gar einen längeren Aufenthalt gestattet zu
bekommen. Alvise Mocenigo, der Gesandte in Madrid, hatte
deshalb an den Senat geschrieben; er bemerkt, dass seine Reise
keinen Verdacht erwecken könne; er habe offenbar den Urlaub
nur erbeten, um sich in seiner Kunst zu vervollkommnen. Auf
Olivares’ Befehl habe der Staatssekretär, D. Juan de Vegliella
ihn um Pass und Empfehlungsschreiben an Giorgio Contarini
und Vincenzo Grimani ersucht.

Als er in Venedig ankam, (es war unter der Regierung
des Dogen Gio. Cornaro), hörte und sah man nichts als Aushe-
bungen und Truppenschau. Die Regierung machte mit Erlaubniss
des Sultans Werbungen und Proviantankäufe in Albanien. Die
Gereiztheit gegen die Spanier war so hoch gestiegen, dass der
Gesandte, in dessen Hause Velazquez wohnte und an dessen
Tafel er speiste, ihm bei seinen Ausgängen Diener zum Schutz
mitgab. Die Spanier waren dort nie beliebt, die Feindseligkeiten
des Herzogs von Osuna und die geheimnissvolle Verschwörung
noch in frischem Andenken; sie selbst machten kein Hehl daraus,
dass ihnen die Republik von S. Marco ein Dorn im Auge war.
Spanien besass drei der reichsten und schönsten Provinzen Italiens
und hielt die Souveräne der andern Staaten durch Pensionen
in mehr oder weniger dauernder Vasallenschaft. Venedig war
der einzige völlig freie Staat, seine Verfassung schloss das Auf-
kommen einer ausländischen Partei aus. Die Vicekönige und
Gesandten pflegten auf eigene Hand antivenezianische Politik zu
machen und eine viel stärkere Sprache zu führen, als der Hof in
Madrid billigte; die Hauptleute aber und das Palastgesinde über-
boten noch ihre Herren. Das Asylrecht gab ihnen Gelegenheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0298" n="272"/>
          <fw place="top" type="header">Drittes Buch.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Velazquez, berichtet Pacheco, schiffte sich in Barcelona am<lb/>
St. Lorenztag (den 10. August) ein; am 23. landeten sie in Genua&#x201C;.<lb/>
Die Landung fand aber schon am 20. statt. Spinola wohnte im<lb/>
Hause der Herzogin Spinola, seiner Schwester, und blieb nur<lb/>
wenige Tage dort.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">In Venedig.</hi> </head><lb/>
          <p>Velazquez ist wahrscheinlich mit Spinola bis Mailand ge-<lb/>
reist, wo dieser noch im August eintraf.</p><lb/>
          <p>Nur ein Spanier von so harmloser Natur wie Velazquez,<lb/>
und für den der König oder der Minister sich persönlich inter-<lb/>
essirten, konnte damals hoffen, in der Lagunenstadt unangefoch-<lb/>
ten zu verkehren, oder gar einen längeren Aufenthalt gestattet zu<lb/>
bekommen. Alvise Mocenigo, der Gesandte in Madrid, hatte<lb/>
deshalb an den Senat geschrieben; er bemerkt, dass seine Reise<lb/>
keinen Verdacht erwecken könne; er habe offenbar den Urlaub<lb/>
nur erbeten, um sich in seiner Kunst zu vervollkommnen. Auf<lb/>
Olivares&#x2019; Befehl habe der Staatssekretär, D. Juan de Vegliella<lb/>
ihn um Pass und Empfehlungsschreiben an Giorgio Contarini<lb/>
und Vincenzo Grimani ersucht.</p><lb/>
          <p>Als er in Venedig ankam, (es war unter der Regierung<lb/>
des Dogen Gio. Cornaro), hörte und sah man nichts als Aushe-<lb/>
bungen und Truppenschau. Die Regierung machte mit Erlaubniss<lb/>
des Sultans Werbungen und Proviantankäufe in Albanien. Die<lb/>
Gereiztheit gegen die Spanier war so hoch gestiegen, dass der<lb/>
Gesandte, in dessen Hause Velazquez wohnte und an dessen<lb/>
Tafel er speiste, ihm bei seinen Ausgängen Diener zum Schutz<lb/>
mitgab. Die Spanier waren dort nie beliebt, die Feindseligkeiten<lb/>
des Herzogs von Osuna und die geheimnissvolle Verschwörung<lb/>
noch in frischem Andenken; sie selbst machten kein Hehl daraus,<lb/>
dass ihnen die Republik von S. Marco ein Dorn im Auge war.<lb/>
Spanien besass drei der reichsten und schönsten Provinzen Italiens<lb/>
und hielt die Souveräne der andern Staaten durch Pensionen<lb/>
in mehr oder weniger dauernder Vasallenschaft. Venedig war<lb/>
der einzige völlig freie Staat, seine Verfassung schloss das Auf-<lb/>
kommen einer ausländischen Partei aus. Die Vicekönige und<lb/>
Gesandten pflegten auf eigene Hand antivenezianische Politik zu<lb/>
machen und eine viel stärkere Sprache zu führen, als der Hof in<lb/>
Madrid billigte; die Hauptleute aber und das Palastgesinde über-<lb/>
boten noch ihre Herren. Das Asylrecht gab ihnen Gelegenheit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0298] Drittes Buch. „Velazquez, berichtet Pacheco, schiffte sich in Barcelona am St. Lorenztag (den 10. August) ein; am 23. landeten sie in Genua“. Die Landung fand aber schon am 20. statt. Spinola wohnte im Hause der Herzogin Spinola, seiner Schwester, und blieb nur wenige Tage dort. In Venedig. Velazquez ist wahrscheinlich mit Spinola bis Mailand ge- reist, wo dieser noch im August eintraf. Nur ein Spanier von so harmloser Natur wie Velazquez, und für den der König oder der Minister sich persönlich inter- essirten, konnte damals hoffen, in der Lagunenstadt unangefoch- ten zu verkehren, oder gar einen längeren Aufenthalt gestattet zu bekommen. Alvise Mocenigo, der Gesandte in Madrid, hatte deshalb an den Senat geschrieben; er bemerkt, dass seine Reise keinen Verdacht erwecken könne; er habe offenbar den Urlaub nur erbeten, um sich in seiner Kunst zu vervollkommnen. Auf Olivares’ Befehl habe der Staatssekretär, D. Juan de Vegliella ihn um Pass und Empfehlungsschreiben an Giorgio Contarini und Vincenzo Grimani ersucht. Als er in Venedig ankam, (es war unter der Regierung des Dogen Gio. Cornaro), hörte und sah man nichts als Aushe- bungen und Truppenschau. Die Regierung machte mit Erlaubniss des Sultans Werbungen und Proviantankäufe in Albanien. Die Gereiztheit gegen die Spanier war so hoch gestiegen, dass der Gesandte, in dessen Hause Velazquez wohnte und an dessen Tafel er speiste, ihm bei seinen Ausgängen Diener zum Schutz mitgab. Die Spanier waren dort nie beliebt, die Feindseligkeiten des Herzogs von Osuna und die geheimnissvolle Verschwörung noch in frischem Andenken; sie selbst machten kein Hehl daraus, dass ihnen die Republik von S. Marco ein Dorn im Auge war. Spanien besass drei der reichsten und schönsten Provinzen Italiens und hielt die Souveräne der andern Staaten durch Pensionen in mehr oder weniger dauernder Vasallenschaft. Venedig war der einzige völlig freie Staat, seine Verfassung schloss das Auf- kommen einer ausländischen Partei aus. Die Vicekönige und Gesandten pflegten auf eigene Hand antivenezianische Politik zu machen und eine viel stärkere Sprache zu führen, als der Hof in Madrid billigte; die Hauptleute aber und das Palastgesinde über- boten noch ihre Herren. Das Asylrecht gab ihnen Gelegenheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/298
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/298>, abgerufen am 24.04.2024.