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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
durch Kraft des Helldunkels und malerische Erfindung vor allem
was bis dahin in der Schule geschaffen worden war. Bei Albano
selbst hatte der idyllisch-arkadische Geschmack den heroischen ver-
drängt. Wie ihn, so zog auch Poussin sein Genie zu kleinen
Figuren mit landschaftlicher Behandlung. In diesem Jahre war
es, wo er sich, bereits sechs Jahre civis romanus, mit Anne Marie
Dughet verheirathete. Claude, gleichaltrig mit Velazquez, war
vor zwei Jahren, am S. Lukastage, in Rom wieder eingetroffen.
Wir stehen in der Morgenröthe des goldenen Zeitalters der
Landschaftsmalerei. -- --

"Nachdem ich mich von den Strapazen des langen Ritts ausgeruht
hatte, und in unserer Kirche S. Maria del Monserrat die h. Messe ge-
hört, auch die Grabsteine einiger Maler unserer Nation alldort betrach-
tet hatte, begab ich mich nach Trinita de' Monti in den Palast des
Monsignor Monaldeschi, den seit kurzem Don Emanuel, unser Gesandter,
bezogen hat, um ihm das Schreiben seines Schwagers des Conde Duque
zu übergeben. In seiner Antecamera, wo ich etwas lange warten musste,
traf ich einen feinen Mann, dem ich sein Handwerk nicht anmerkte;
es war nämlich ein Schauspieler, aber zugleich Comödiendichter, Namens
Sancho de Paz, der schon zehn Jahre in Italien lebt. Er gab mir zu
verstehn, dass S. Excellenz an Hypochondrie leide und sehr fürchte,
dass die Staatsgeschäfte nachtheilig auf seine Gesundheit wirkten; aber
für Leute wie uns (!), für virtuosi habe er immer Zeit. Jetzt wolle er
sich eine Empfehlung an den Grossherzog von Florenz holen. Er pries
die Serenaten, die er häufig zum Besten gebe, obwol die Nachtmusiken
hier eigentlich von der Polizei verboten seien. Endlich wurde ich herein-
gerufen. S. Excellenz lag im Bett, hatte aber hundert Fragen an mich,
besonders in Betreff der Heirath und der Reise der Königin von Ungarn.
Als ich mich verabschiedete, sprach er sein Bedauern aus, dass er mich
jetzt nicht bei Hofe einführen könne; aber er komme selten in den
Vatican, die Manieren Seiner Heiligkeit gefielen ihm nicht. Nach der
Plünderung von Mantua durch die Kaiserlichen würden wir überall mit
giftigen Blicken angesehn. Ich würde aber als Maler und Empfohlener
seines Schwagers bei dem Cardinalneffen Francesco, der für mich die
Hauptperson sei, nichts merken von der schweren Wolke allgemeiner
Ungnade, die sich über unsere Nation niedergelassen habe. Nachdem
ich auch Ihrer Excellenz Donna Leonor de Guzman die Hand geküsst
hatte, die mich zu einer Comödie im Palast einlud, eilte ich nach Piazza
Barberini. Seine Illustrissima Cardinal Francesco bereitete mir eine Auf-
nahme, wahrlich mehr wie einem Freunde denn einem Fremden; er

Drittes Buch.
durch Kraft des Helldunkels und malerische Erfindung vor allem
was bis dahin in der Schule geschaffen worden war. Bei Albano
selbst hatte der idyllisch-arkadische Geschmack den heroischen ver-
drängt. Wie ihn, so zog auch Poussin sein Genie zu kleinen
Figuren mit landschaftlicher Behandlung. In diesem Jahre war
es, wo er sich, bereits sechs Jahre civis romanus, mit Anne Marie
Dughet verheirathete. Claude, gleichaltrig mit Velazquez, war
vor zwei Jahren, am S. Lukastage, in Rom wieder eingetroffen.
Wir stehen in der Morgenröthe des goldenen Zeitalters der
Landschaftsmalerei. — —

„Nachdem ich mich von den Strapazen des langen Ritts ausgeruht
hatte, und in unserer Kirche S. Maria del Monserrat die h. Messe ge-
hört, auch die Grabsteine einiger Maler unserer Nation alldort betrach-
tet hatte, begab ich mich nach Trinità de’ Monti in den Palast des
Monsignor Monaldeschi, den seit kurzem Don Emanuel, unser Gesandter,
bezogen hat, um ihm das Schreiben seines Schwagers des Conde Duque
zu übergeben. In seiner Antecamera, wo ich etwas lange warten musste,
traf ich einen feinen Mann, dem ich sein Handwerk nicht anmerkte;
es war nämlich ein Schauspieler, aber zugleich Comödiendichter, Namens
Sancho de Paz, der schon zehn Jahre in Italien lebt. Er gab mir zu
verstehn, dass S. Excellenz an Hypochondrie leide und sehr fürchte,
dass die Staatsgeschäfte nachtheilig auf seine Gesundheit wirkten; aber
für Leute wie uns (!), für virtuosi habe er immer Zeit. Jetzt wolle er
sich eine Empfehlung an den Grossherzog von Florenz holen. Er pries
die Serenaten, die er häufig zum Besten gebe, obwol die Nachtmusiken
hier eigentlich von der Polizei verboten seien. Endlich wurde ich herein-
gerufen. S. Excellenz lag im Bett, hatte aber hundert Fragen an mich,
besonders in Betreff der Heirath und der Reise der Königin von Ungarn.
Als ich mich verabschiedete, sprach er sein Bedauern aus, dass er mich
jetzt nicht bei Hofe einführen könne; aber er komme selten in den
Vatican, die Manieren Seiner Heiligkeit gefielen ihm nicht. Nach der
Plünderung von Mantua durch die Kaiserlichen würden wir überall mit
giftigen Blicken angesehn. Ich würde aber als Maler und Empfohlener
seines Schwagers bei dem Cardinalneffen Francesco, der für mich die
Hauptperson sei, nichts merken von der schweren Wolke allgemeiner
Ungnade, die sich über unsere Nation niedergelassen habe. Nachdem
ich auch Ihrer Excellenz Doña Leonor de Guzman die Hand geküsst
hatte, die mich zu einer Comödie im Palast einlud, eilte ich nach Piazza
Barberini. Seine Illustrissima Cardinal Francesco bereitete mir eine Auf-
nahme, wahrlich mehr wie einem Freunde denn einem Fremden; er

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[284/0310] Drittes Buch. durch Kraft des Helldunkels und malerische Erfindung vor allem was bis dahin in der Schule geschaffen worden war. Bei Albano selbst hatte der idyllisch-arkadische Geschmack den heroischen ver- drängt. Wie ihn, so zog auch Poussin sein Genie zu kleinen Figuren mit landschaftlicher Behandlung. In diesem Jahre war es, wo er sich, bereits sechs Jahre civis romanus, mit Anne Marie Dughet verheirathete. Claude, gleichaltrig mit Velazquez, war vor zwei Jahren, am S. Lukastage, in Rom wieder eingetroffen. Wir stehen in der Morgenröthe des goldenen Zeitalters der Landschaftsmalerei. — — „Nachdem ich mich von den Strapazen des langen Ritts ausgeruht hatte, und in unserer Kirche S. Maria del Monserrat die h. Messe ge- hört, auch die Grabsteine einiger Maler unserer Nation alldort betrach- tet hatte, begab ich mich nach Trinità de’ Monti in den Palast des Monsignor Monaldeschi, den seit kurzem Don Emanuel, unser Gesandter, bezogen hat, um ihm das Schreiben seines Schwagers des Conde Duque zu übergeben. In seiner Antecamera, wo ich etwas lange warten musste, traf ich einen feinen Mann, dem ich sein Handwerk nicht anmerkte; es war nämlich ein Schauspieler, aber zugleich Comödiendichter, Namens Sancho de Paz, der schon zehn Jahre in Italien lebt. Er gab mir zu verstehn, dass S. Excellenz an Hypochondrie leide und sehr fürchte, dass die Staatsgeschäfte nachtheilig auf seine Gesundheit wirkten; aber für Leute wie uns (!), für virtuosi habe er immer Zeit. Jetzt wolle er sich eine Empfehlung an den Grossherzog von Florenz holen. Er pries die Serenaten, die er häufig zum Besten gebe, obwol die Nachtmusiken hier eigentlich von der Polizei verboten seien. Endlich wurde ich herein- gerufen. S. Excellenz lag im Bett, hatte aber hundert Fragen an mich, besonders in Betreff der Heirath und der Reise der Königin von Ungarn. Als ich mich verabschiedete, sprach er sein Bedauern aus, dass er mich jetzt nicht bei Hofe einführen könne; aber er komme selten in den Vatican, die Manieren Seiner Heiligkeit gefielen ihm nicht. Nach der Plünderung von Mantua durch die Kaiserlichen würden wir überall mit giftigen Blicken angesehn. Ich würde aber als Maler und Empfohlener seines Schwagers bei dem Cardinalneffen Francesco, der für mich die Hauptperson sei, nichts merken von der schweren Wolke allgemeiner Ungnade, die sich über unsere Nation niedergelassen habe. Nachdem ich auch Ihrer Excellenz Doña Leonor de Guzman die Hand geküsst hatte, die mich zu einer Comödie im Palast einlud, eilte ich nach Piazza Barberini. Seine Illustrissima Cardinal Francesco bereitete mir eine Auf- nahme, wahrlich mehr wie einem Freunde denn einem Fremden; er

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/310>, abgerufen am 16.04.2024.