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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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In der Villa Medici.
Heiligkeit selbst hatte diess Werk in eleganten Distichen ge-
priesen 1).

Diese römischen Vignen haben nicht am wenigsten dazu
beigetragen, die in Rom zusammenströmenden Künstler auf die
Landschaftsmalerei zu lenken, besonders die im Anfang des Jahr-
hunderts angelegte Villa Borghese. Evelyn nennt sie an elysium
of delight
. Nichts glich einem ersten, nach langer Land- oder
Seefahrt, auf dieser Höhe der Villa Medici erlebten sonnigen
Morgen, wenn das Auge
über dem Häusermeer
Roms schweifte, die Luft
erzitternd von den Gloc-
ken, ringsum Blumenduft,
tiefdunkle Laubwände,
Bienensummen. Es war
als könne es nie wieder
Nacht werden, als sei der
ewige Sabbath schon an-
gebrochen.

Auch Velazquez hat
zwei Punkte seiner Villa
als Gegenstücke aufge-
nommen 2). Diese Skizzen
versetzen uns in die ersten
glücklichen Tage, die er
fern von Kriegstoben und
Hofdienst, in unbehellig-

[Abbildung]

Villa Medici.

tem Genuss dieses herrlichen Stückchens Erde verlebte. Ihr
unvollendeter Zustand erinnert an die Kürze dieser Tage:
latet anguis in herba. Sie sind mit spitzem Pinsel und scharf
aneinandergesetzten Tinten hingeworfen; ausgeführt könnten sie
entzückend sein; jetzt hat die Phantasie nachzuhelfen. Sie sind
die einzigen Stücke dieser Classe, welche ganz seine Hand zei-
gen; allen andern, ähnlichen fehlt die Klarheit und die Unver-
änderlichkeit der Farbe.

An dem einen dieser Punkte begegnete er einer Be-
kannten aus dem Belvedere: der Cleopatra-Ariadne. Sie

1) Maphaei S. R. E. Card. Barberini postea Urbani VIII poemata. Oxford
1726. p. 137.
2) Prado N. 1106. 0,44 x 0,40. N. 1107. 0,44 x 0,38.

In der Villa Medici.
Heiligkeit selbst hatte diess Werk in eleganten Distichen ge-
priesen 1).

Diese römischen Vignen haben nicht am wenigsten dazu
beigetragen, die in Rom zusammenströmenden Künstler auf die
Landschaftsmalerei zu lenken, besonders die im Anfang des Jahr-
hunderts angelegte Villa Borghese. Evelyn nennt sie an elysium
of delight
. Nichts glich einem ersten, nach langer Land- oder
Seefahrt, auf dieser Höhe der Villa Medici erlebten sonnigen
Morgen, wenn das Auge
über dem Häusermeer
Roms schweifte, die Luft
erzitternd von den Gloc-
ken, ringsum Blumenduft,
tiefdunkle Laubwände,
Bienensummen. Es war
als könne es nie wieder
Nacht werden, als sei der
ewige Sabbath schon an-
gebrochen.

Auch Velazquez hat
zwei Punkte seiner Villa
als Gegenstücke aufge-
nommen 2). Diese Skizzen
versetzen uns in die ersten
glücklichen Tage, die er
fern von Kriegstoben und
Hofdienst, in unbehellig-

[Abbildung]

Villa Medici.

tem Genuss dieses herrlichen Stückchens Erde verlebte. Ihr
unvollendeter Zustand erinnert an die Kürze dieser Tage:
latet anguis in herba. Sie sind mit spitzem Pinsel und scharf
aneinandergesetzten Tinten hingeworfen; ausgeführt könnten sie
entzückend sein; jetzt hat die Phantasie nachzuhelfen. Sie sind
die einzigen Stücke dieser Classe, welche ganz seine Hand zei-
gen; allen andern, ähnlichen fehlt die Klarheit und die Unver-
änderlichkeit der Farbe.

An dem einen dieser Punkte begegnete er einer Be-
kannten aus dem Belvedere: der Cleopatra-Ariadne. Sie

1) Maphaei S. R. E. Card. Barberini postea Urbani VIII poemata. Oxford
1726. p. 137.
2) Prado N. 1106. 0,44 × 0,40. N. 1107. 0,44 × 0,38.
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[297/0323] In der Villa Medici. Heiligkeit selbst hatte diess Werk in eleganten Distichen ge- priesen 1). Diese römischen Vignen haben nicht am wenigsten dazu beigetragen, die in Rom zusammenströmenden Künstler auf die Landschaftsmalerei zu lenken, besonders die im Anfang des Jahr- hunderts angelegte Villa Borghese. Evelyn nennt sie an elysium of delight. Nichts glich einem ersten, nach langer Land- oder Seefahrt, auf dieser Höhe der Villa Medici erlebten sonnigen Morgen, wenn das Auge über dem Häusermeer Roms schweifte, die Luft erzitternd von den Gloc- ken, ringsum Blumenduft, tiefdunkle Laubwände, Bienensummen. Es war als könne es nie wieder Nacht werden, als sei der ewige Sabbath schon an- gebrochen. Auch Velazquez hat zwei Punkte seiner Villa als Gegenstücke aufge- nommen 2). Diese Skizzen versetzen uns in die ersten glücklichen Tage, die er fern von Kriegstoben und Hofdienst, in unbehellig- [Abbildung Villa Medici.] tem Genuss dieses herrlichen Stückchens Erde verlebte. Ihr unvollendeter Zustand erinnert an die Kürze dieser Tage: latet anguis in herba. Sie sind mit spitzem Pinsel und scharf aneinandergesetzten Tinten hingeworfen; ausgeführt könnten sie entzückend sein; jetzt hat die Phantasie nachzuhelfen. Sie sind die einzigen Stücke dieser Classe, welche ganz seine Hand zei- gen; allen andern, ähnlichen fehlt die Klarheit und die Unver- änderlichkeit der Farbe. An dem einen dieser Punkte begegnete er einer Be- kannten aus dem Belvedere: der Cleopatra-Ariadne. Sie 1) Maphaei S. R. E. Card. Barberini postea Urbani VIII poemata. Oxford 1726. p. 137. 2) Prado N. 1106. 0,44 × 0,40. N. 1107. 0,44 × 0,38.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/323>, abgerufen am 19.04.2024.