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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Jusepe Ribera.
Jusepe Ribera.

Während dieser ersten Anwesenheit in Neapel besuchte
er auch den seit einem Jahrzehnt als Hofmaler der Vice-
könige in angesehener Stellung lebenden Ribera, in seiner ge-
räumigen Wohnung gegenüber S. Francesco Xaver (jetzt
S. Ferdinando).

Zwar Pacheco erwähnt diesen Besuch nicht; erst Cean hat
die Notiz, man weiss nicht woher. Indess wenn Velazquez auch
kein Verlangen gehabt hätte, den berühmtesten Maler seiner
Nation persönlich kennen zu lernen, er hätte ihm kaum vorbei-
gehn können. Ribera hatte von Osuna die Oberleitung aller
künstlerischen Arbeiten im Palazzo Reale erhalten, und dort resi-
dirte damals die Königin Maria. Fremde Maler pflegten ihn
aufzusuchen, z. B. unser Sandrart, denn er war auch einer der
besten Führer in den Palästen und Kirchen Neapels. In Rom
musste er oft von ihm gehört haben, er war erst vor kurzem
(wahrscheinlich 1628) in die Akademie von S. Luca aufgenommen
worden. Der Kampf um die Ausmalung der Kapelle des Tesoro
im Dom, der seit achtzehn Jahren die Malergilden beider Städte
aufregte, war eben in ein akutes Stadium getreten; denn fast
gleichzeitig mit Velazquez war Domenichino endlich nach Neapel
gekommen; bald darauf folgte Lanfranco, um die Freskobemalung
der Kuppel im Gesu vorzunehmen.

Aber auch abgesehn von dem Wunsch über diese verworrene
Angelegenheit wol informirt zu sein, gab es wol kaum Jeman-
den in Italien, mit dem es Velazquez so gereizt hätte, sich über
Fragen der Malerei zu verständigen. Er hatte sich jetzt ganz
von der dunklen Manier seiner ersten Jahre freigemacht. Nun
aber stand seine frühere Art in naher Beziehung zu Ribera; er
hatte ihn sogar nachgeahmt: Pacheco schrieb nach Nennung

von Blenheim, und ist sowenig bekannt, dass eine gute Wiederholung im Prado
(Nr. 1610) noch heute "Bildniss einer Prinzessin vom königlichen Hause von
Frankreich" heisst. Diess Gemälde befand sich im Jahre 1686 in der Galeria del
cierzo: "Otra pintura de vara y media de alto del Retrato de la Reyna madre de
francia Da. Ana de mano de Rubens." Wahrscheinlich weil es so einfach, rein
und schön war, wurde es weniger bemerkt als viele, die durch ihre Manierirtheit dem
gewöhnlichen Geschmak mehr entgegenkommen. Wir haben es dort lange und wie-
derholt betrachtet, während wir dem steifen und düstern Reiterbild Carl I von van
Dyck kaum einen Blick schenkten.
Jusepe Ribera.
Jusepe Ribera.

Während dieser ersten Anwesenheit in Neapel besuchte
er auch den seit einem Jahrzehnt als Hofmaler der Vice-
könige in angesehener Stellung lebenden Ribera, in seiner ge-
räumigen Wohnung gegenüber S. Francesco Xaver (jetzt
S. Ferdinando).

Zwar Pacheco erwähnt diesen Besuch nicht; erst Cean hat
die Notiz, man weiss nicht woher. Indess wenn Velazquez auch
kein Verlangen gehabt hätte, den berühmtesten Maler seiner
Nation persönlich kennen zu lernen, er hätte ihm kaum vorbei-
gehn können. Ribera hatte von Osuna die Oberleitung aller
künstlerischen Arbeiten im Palazzo Reale erhalten, und dort resi-
dirte damals die Königin Maria. Fremde Maler pflegten ihn
aufzusuchen, z. B. unser Sandrart, denn er war auch einer der
besten Führer in den Palästen und Kirchen Neapels. In Rom
musste er oft von ihm gehört haben, er war erst vor kurzem
(wahrscheinlich 1628) in die Akademie von S. Luca aufgenommen
worden. Der Kampf um die Ausmalung der Kapelle des Tesoro
im Dom, der seit achtzehn Jahren die Malergilden beider Städte
aufregte, war eben in ein akutes Stadium getreten; denn fast
gleichzeitig mit Velazquez war Domenichino endlich nach Neapel
gekommen; bald darauf folgte Lanfranco, um die Freskobemalung
der Kuppel im Gesù vorzunehmen.

Aber auch abgesehn von dem Wunsch über diese verworrene
Angelegenheit wol informirt zu sein, gab es wol kaum Jeman-
den in Italien, mit dem es Velazquez so gereizt hätte, sich über
Fragen der Malerei zu verständigen. Er hatte sich jetzt ganz
von der dunklen Manier seiner ersten Jahre freigemacht. Nun
aber stand seine frühere Art in naher Beziehung zu Ribera; er
hatte ihn sogar nachgeahmt: Pacheco schrieb nach Nennung

von Blenheim, und ist sowenig bekannt, dass eine gute Wiederholung im Prado
(Nr. 1610) noch heute „Bildniss einer Prinzessin vom königlichen Hause von
Frankreich“ heisst. Diess Gemälde befand sich im Jahre 1686 in der Galeria del
cierzo: „Otra pintura de vara y media de alto del Retrato de la Reyna madre de
francia Da. Ana de mano de Rubens.“ Wahrscheinlich weil es so einfach, rein
und schön war, wurde es weniger bemerkt als viele, die durch ihre Manierirtheit dem
gewöhnlichen Geschmak mehr entgegenkommen. Wir haben es dort lange und wie-
derholt betrachtet, während wir dem steifen und düstern Reiterbild Carl I von van
Dyck kaum einen Blick schenkten.
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[319/0345] Jusepe Ribera. Jusepe Ribera. Während dieser ersten Anwesenheit in Neapel besuchte er auch den seit einem Jahrzehnt als Hofmaler der Vice- könige in angesehener Stellung lebenden Ribera, in seiner ge- räumigen Wohnung gegenüber S. Francesco Xaver (jetzt S. Ferdinando). Zwar Pacheco erwähnt diesen Besuch nicht; erst Cean hat die Notiz, man weiss nicht woher. Indess wenn Velazquez auch kein Verlangen gehabt hätte, den berühmtesten Maler seiner Nation persönlich kennen zu lernen, er hätte ihm kaum vorbei- gehn können. Ribera hatte von Osuna die Oberleitung aller künstlerischen Arbeiten im Palazzo Reale erhalten, und dort resi- dirte damals die Königin Maria. Fremde Maler pflegten ihn aufzusuchen, z. B. unser Sandrart, denn er war auch einer der besten Führer in den Palästen und Kirchen Neapels. In Rom musste er oft von ihm gehört haben, er war erst vor kurzem (wahrscheinlich 1628) in die Akademie von S. Luca aufgenommen worden. Der Kampf um die Ausmalung der Kapelle des Tesoro im Dom, der seit achtzehn Jahren die Malergilden beider Städte aufregte, war eben in ein akutes Stadium getreten; denn fast gleichzeitig mit Velazquez war Domenichino endlich nach Neapel gekommen; bald darauf folgte Lanfranco, um die Freskobemalung der Kuppel im Gesù vorzunehmen. Aber auch abgesehn von dem Wunsch über diese verworrene Angelegenheit wol informirt zu sein, gab es wol kaum Jeman- den in Italien, mit dem es Velazquez so gereizt hätte, sich über Fragen der Malerei zu verständigen. Er hatte sich jetzt ganz von der dunklen Manier seiner ersten Jahre freigemacht. Nun aber stand seine frühere Art in naher Beziehung zu Ribera; er hatte ihn sogar nachgeahmt: Pacheco schrieb nach Nennung 1) 1) von Blenheim, und ist sowenig bekannt, dass eine gute Wiederholung im Prado (Nr. 1610) noch heute „Bildniss einer Prinzessin vom königlichen Hause von Frankreich“ heisst. Diess Gemälde befand sich im Jahre 1686 in der Galeria del cierzo: „Otra pintura de vara y media de alto del Retrato de la Reyna madre de francia Da. Ana de mano de Rubens.“ Wahrscheinlich weil es so einfach, rein und schön war, wurde es weniger bemerkt als viele, die durch ihre Manierirtheit dem gewöhnlichen Geschmak mehr entgegenkommen. Wir haben es dort lange und wie- derholt betrachtet, während wir dem steifen und düstern Reiterbild Carl I von van Dyck kaum einen Blick schenkten.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/345>, abgerufen am 19.03.2024.