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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Jusepe Ribera.
das was uns Martinez aufgeschrieben hat. "Ich empfing, sagt
er u. a., von ihm (nach seiner sonderbaren Sitte nennt er nicht
den Namen) viel Artigkeit: er zeigte mir einige Cabinete und
Galerien der grossen Paläste; alles machte mir unendlich viel
Vergnügen, aber weil ich von Rom kam, erschien mir alles klein;
denn in dieser Stadt dreht sich alles mehr um Militär und Ka-
vallerie als um Dinge der zeichnenden Kunst. So sagte ich zu
meinem Landsmann, und so bestätigte er mir." Ganz so ge-
fällig übrigens erwies er sich auch gegen Joachim von Sandrart 1),
der ihn "höflich" nennt; er habe ihn zum Cavalier Massimo be-
gleitet, einem Künstler also, gegen den er nach der Lästerchronik
als gehassten und überlegenen Rivalen einen Streich ehrloser
Tücke verübt haben sollte.

Nicht weniger widersprechen seine Aeusserungen den land-
läufigen Vorstellungen von ihm als einem naturalistischen Know-
nothing. "Ich fragte ihn, erzählt der saragossaner Maler weiter,
ob er nicht Sehnsucht empfinde nach Rom zu kommen, um die
Originalgemälde seiner früheren Studien wieder zu sehn. Da
seufzte er tief auf und sagte: Nicht nur sie wieder zu sehen ver-
langt mich, sondern sie von neuem zu studiren. Denn das sind
Werke die sehr oft studirt und durchdacht werden müssen. Frei-
lich malt man jetzt nach anderm Kurs (rumbo) und anderer
Praxis. Dennoch wenn man sich nicht auf diese Basis des Stu-
diums gründet, so wird es leichtlich ein schlimmes Ende nehmen,
zumal in den Historien, welche der Polarstern der Vollkommen-
heit sind; und darin unterweisen uns die vom unsterblichen Ra-
phael im heiligen Palast gemalten Geschichten; wer diese Werke
studirt, wird sich zum wahrhaften und vollendeten Historienmaler
bilden" 2).

Diese Worte, fügt Martinez hinzu, zeigten mir wie wenig
zutreffend jenes Gerede war, wonach dieser grosse Maler sich
rühmen sollte, dass keiner der Alten und Neuen seine unüber-
treffliche Malerei erreicht habe.


1) Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie. Nürnberg 1675. S. 191.
2) No solo tengo deseo de verlas, sino de volver de nuevo a estudiarlas,
que son obras tales, que quieren ser estudiadas y meditadas muchas veces, que
aunque ahora se pinta por diferente rumbo y practica, si no se funda en esta base
de estudios parara en ruina facilmente, y en particular en sus historiados, que son
el norte de la perfeccion que dije, en la que nos ensennan las historias del inmortal
Rafael pintadas en el Sacro Palacio; el que estudiare estas obras, se hara historia-
dor verdadero y consumado S. 35.
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Jusepe Ribera.
das was uns Martinez aufgeschrieben hat. „Ich empfing, sagt
er u. a., von ihm (nach seiner sonderbaren Sitte nennt er nicht
den Namen) viel Artigkeit: er zeigte mir einige Cabinete und
Galerien der grossen Paläste; alles machte mir unendlich viel
Vergnügen, aber weil ich von Rom kam, erschien mir alles klein;
denn in dieser Stadt dreht sich alles mehr um Militär und Ka-
vallerie als um Dinge der zeichnenden Kunst. So sagte ich zu
meinem Landsmann, und so bestätigte er mir.“ Ganz so ge-
fällig übrigens erwies er sich auch gegen Joachim von Sandrart 1),
der ihn „höflich“ nennt; er habe ihn zum Cavalier Massimo be-
gleitet, einem Künstler also, gegen den er nach der Lästerchronik
als gehassten und überlegenen Rivalen einen Streich ehrloser
Tücke verübt haben sollte.

Nicht weniger widersprechen seine Aeusserungen den land-
läufigen Vorstellungen von ihm als einem naturalistischen Know-
nothing. „Ich fragte ihn, erzählt der saragossaner Maler weiter,
ob er nicht Sehnsucht empfinde nach Rom zu kommen, um die
Originalgemälde seiner früheren Studien wieder zu sehn. Da
seufzte er tief auf und sagte: Nicht nur sie wieder zu sehen ver-
langt mich, sondern sie von neuem zu studiren. Denn das sind
Werke die sehr oft studirt und durchdacht werden müssen. Frei-
lich malt man jetzt nach anderm Kurs (rumbo) und anderer
Praxis. Dennoch wenn man sich nicht auf diese Basis des Stu-
diums gründet, so wird es leichtlich ein schlimmes Ende nehmen,
zumal in den Historien, welche der Polarstern der Vollkommen-
heit sind; und darin unterweisen uns die vom unsterblichen Ra-
phael im heiligen Palast gemalten Geschichten; wer diese Werke
studirt, wird sich zum wahrhaften und vollendeten Historienmaler
bilden“ 2).

Diese Worte, fügt Martinez hinzu, zeigten mir wie wenig
zutreffend jenes Gerede war, wonach dieser grosse Maler sich
rühmen sollte, dass keiner der Alten und Neuen seine unüber-
treffliche Malerei erreicht habe.


1) Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie. Nürnberg 1675. S. 191.
2) No solo tengo deseo de verlas, sino de volver de nuevo á estudiarlas,
que son obras tales, que quieren ser estudiadas y meditadas muchas veces, que
aunque ahora se pinta por diferente rumbo y práctica, si no se funda en esta base
de estudios parará en ruina fácilmente, y en particular en sus historiados, que son
el norte de la perfeccion que dije, en la que nos enseñan las historias del inmortal
Rafael pintadas en el Sacro Palacio; el que estudiare estas obras, se hará historia-
dor verdadero y consumado S. 35.
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[321/0347] Jusepe Ribera. das was uns Martinez aufgeschrieben hat. „Ich empfing, sagt er u. a., von ihm (nach seiner sonderbaren Sitte nennt er nicht den Namen) viel Artigkeit: er zeigte mir einige Cabinete und Galerien der grossen Paläste; alles machte mir unendlich viel Vergnügen, aber weil ich von Rom kam, erschien mir alles klein; denn in dieser Stadt dreht sich alles mehr um Militär und Ka- vallerie als um Dinge der zeichnenden Kunst. So sagte ich zu meinem Landsmann, und so bestätigte er mir.“ Ganz so ge- fällig übrigens erwies er sich auch gegen Joachim von Sandrart 1), der ihn „höflich“ nennt; er habe ihn zum Cavalier Massimo be- gleitet, einem Künstler also, gegen den er nach der Lästerchronik als gehassten und überlegenen Rivalen einen Streich ehrloser Tücke verübt haben sollte. Nicht weniger widersprechen seine Aeusserungen den land- läufigen Vorstellungen von ihm als einem naturalistischen Know- nothing. „Ich fragte ihn, erzählt der saragossaner Maler weiter, ob er nicht Sehnsucht empfinde nach Rom zu kommen, um die Originalgemälde seiner früheren Studien wieder zu sehn. Da seufzte er tief auf und sagte: Nicht nur sie wieder zu sehen ver- langt mich, sondern sie von neuem zu studiren. Denn das sind Werke die sehr oft studirt und durchdacht werden müssen. Frei- lich malt man jetzt nach anderm Kurs (rumbo) und anderer Praxis. Dennoch wenn man sich nicht auf diese Basis des Stu- diums gründet, so wird es leichtlich ein schlimmes Ende nehmen, zumal in den Historien, welche der Polarstern der Vollkommen- heit sind; und darin unterweisen uns die vom unsterblichen Ra- phael im heiligen Palast gemalten Geschichten; wer diese Werke studirt, wird sich zum wahrhaften und vollendeten Historienmaler bilden“ 2). Diese Worte, fügt Martinez hinzu, zeigten mir wie wenig zutreffend jenes Gerede war, wonach dieser grosse Maler sich rühmen sollte, dass keiner der Alten und Neuen seine unüber- treffliche Malerei erreicht habe. 1) Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie. Nürnberg 1675. S. 191. 2) No solo tengo deseo de verlas, sino de volver de nuevo á estudiarlas, que son obras tales, que quieren ser estudiadas y meditadas muchas veces, que aunque ahora se pinta por diferente rumbo y práctica, si no se funda en esta base de estudios parará en ruina fácilmente, y en particular en sus historiados, que son el norte de la perfeccion que dije, en la que nos enseñan las historias del inmortal Rafael pintadas en el Sacro Palacio; el que estudiare estas obras, se hará historia- dor verdadero y consumado S. 35. 21

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/347>, abgerufen am 19.03.2024.