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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
zahlreichen Gemälde, welche sich in den nächsten Jahrzehnten
in dem königlichen Palast und im Escorial sammelten, meist in
bewohnten Gemächern, zeigen wie er dort Mode geworden war.
Das Museum des Prado allein besitzt noch 58, der Escorial 16
Stücke; aber viele der interessantesten sind verloren: die my-
thologischen und alltestamentlichen. Unter den ausgewählten
Meisterwerken des "Spiegelsaals" befanden sich: Jael und Sisera,
Delila und Samson, wozu eine feine Zeichnung im Museum von
Cordoba ist. Wie eigen und wahr empfunden er auch mythologische
Katastrophen zu behandeln wusste, davon giebt der Tod des
Adonis eine Vorstellung, der einst im Palast war und vielleicht
von dort in die Galerie Corsini zu Rom kam. Das Schicksal
des grossen "Triumphs des Bacchus" ist schon erwähnt worden
(S. 259) 1). Diese und ähnliche Bilder würden, wenn sie erhalten
wären, in die Einförmigkeit der jetzt dort fast allein noch ver-
tretenen Heiligenfiguren eine erfreuliche Abwechslung gebracht
haben.

In Neapel hat sich Velazquez wahrscheinlich nach Spanien
eingeschifft. "Nach anderthalb Jahren Abwesenheit, so erzählt
Pacheco, kehrte er zurück und traf zu Anfang 1631 in Madrid
ein. Er wurde vom Conde Duque sehr wohl aufgenommen. Auf
sein Geheiss verfügte er sich sogleich zum Handkuss S. M. und
dankte ihm sehr, dass er sich von keinem andern Maler habe
aufnehmen lassen. S. M. war sehr erfreut über seine Rückkehr".
Für diesen scheint er auch einige Gemälde gekauft zu haben:
wenigstens werden in einer Quittung von 1634 neben dem Vul-
can und Joseph, eine Danae von Tizian, eine Susanna von Cam-
biasi und ein Bassano genannt.



1) Das Inventar enthält noch "Loth mit seiner Familie von Engeln aus Sodom
geleitet". Dieses Gemälde befindet sich im Escorial N. 442 und heisst jetzt A.
Vaccaro, ist aber ebenso wie die Epiphanie im Palast (N. 574) daselbst und die
Auferstehung Christi im Prado (N. 517) ein Werk des Pietro Novelli, genannt il
Morrealese
, des namhaftesten sicilianischen Malers dieses Jahrhunderts, der in Madrid
nicht bekannt scheint.

Drittes Buch.
zahlreichen Gemälde, welche sich in den nächsten Jahrzehnten
in dem königlichen Palast und im Escorial sammelten, meist in
bewohnten Gemächern, zeigen wie er dort Mode geworden war.
Das Museum des Prado allein besitzt noch 58, der Escorial 16
Stücke; aber viele der interessantesten sind verloren: die my-
thologischen und alltestamentlichen. Unter den ausgewählten
Meisterwerken des „Spiegelsaals“ befanden sich: Jael und Sisera,
Delila und Samson, wozu eine feine Zeichnung im Museum von
Cordoba ist. Wie eigen und wahr empfunden er auch mythologische
Katastrophen zu behandeln wusste, davon giebt der Tod des
Adonis eine Vorstellung, der einst im Palast war und vielleicht
von dort in die Galerie Corsini zu Rom kam. Das Schicksal
des grossen „Triumphs des Bacchus“ ist schon erwähnt worden
(S. 259) 1). Diese und ähnliche Bilder würden, wenn sie erhalten
wären, in die Einförmigkeit der jetzt dort fast allein noch ver-
tretenen Heiligenfiguren eine erfreuliche Abwechslung gebracht
haben.

In Neapel hat sich Velazquez wahrscheinlich nach Spanien
eingeschifft. „Nach anderthalb Jahren Abwesenheit, so erzählt
Pacheco, kehrte er zurück und traf zu Anfang 1631 in Madrid
ein. Er wurde vom Conde Duque sehr wohl aufgenommen. Auf
sein Geheiss verfügte er sich sogleich zum Handkuss S. M. und
dankte ihm sehr, dass er sich von keinem andern Maler habe
aufnehmen lassen. S. M. war sehr erfreut über seine Rückkehr“.
Für diesen scheint er auch einige Gemälde gekauft zu haben:
wenigstens werden in einer Quittung von 1634 neben dem Vul-
can und Joseph, eine Danae von Tizian, eine Susanna von Cam-
biasi und ein Bassano genannt.



1) Das Inventar enthält noch „Loth mit seiner Familie von Engeln aus Sodom
geleitet“. Dieses Gemälde befindet sich im Escorial N. 442 und heisst jetzt A.
Vaccaro, ist aber ebenso wie die Epiphanie im Palast (N. 574) daselbst und die
Auferstehung Christi im Prado (N. 517) ein Werk des Pietro Novelli, genannt il
Morrealese
, des namhaftesten sicilianischen Malers dieses Jahrhunderts, der in Madrid
nicht bekannt scheint.
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[326/0352] Drittes Buch. zahlreichen Gemälde, welche sich in den nächsten Jahrzehnten in dem königlichen Palast und im Escorial sammelten, meist in bewohnten Gemächern, zeigen wie er dort Mode geworden war. Das Museum des Prado allein besitzt noch 58, der Escorial 16 Stücke; aber viele der interessantesten sind verloren: die my- thologischen und alltestamentlichen. Unter den ausgewählten Meisterwerken des „Spiegelsaals“ befanden sich: Jael und Sisera, Delila und Samson, wozu eine feine Zeichnung im Museum von Cordoba ist. Wie eigen und wahr empfunden er auch mythologische Katastrophen zu behandeln wusste, davon giebt der Tod des Adonis eine Vorstellung, der einst im Palast war und vielleicht von dort in die Galerie Corsini zu Rom kam. Das Schicksal des grossen „Triumphs des Bacchus“ ist schon erwähnt worden (S. 259) 1). Diese und ähnliche Bilder würden, wenn sie erhalten wären, in die Einförmigkeit der jetzt dort fast allein noch ver- tretenen Heiligenfiguren eine erfreuliche Abwechslung gebracht haben. In Neapel hat sich Velazquez wahrscheinlich nach Spanien eingeschifft. „Nach anderthalb Jahren Abwesenheit, so erzählt Pacheco, kehrte er zurück und traf zu Anfang 1631 in Madrid ein. Er wurde vom Conde Duque sehr wohl aufgenommen. Auf sein Geheiss verfügte er sich sogleich zum Handkuss S. M. und dankte ihm sehr, dass er sich von keinem andern Maler habe aufnehmen lassen. S. M. war sehr erfreut über seine Rückkehr“. Für diesen scheint er auch einige Gemälde gekauft zu haben: wenigstens werden in einer Quittung von 1634 neben dem Vul- can und Joseph, eine Danae von Tizian, eine Susanna von Cam- biasi und ein Bassano genannt. 1) Das Inventar enthält noch „Loth mit seiner Familie von Engeln aus Sodom geleitet“. Dieses Gemälde befindet sich im Escorial N. 442 und heisst jetzt A. Vaccaro, ist aber ebenso wie die Epiphanie im Palast (N. 574) daselbst und die Auferstehung Christi im Prado (N. 517) ein Werk des Pietro Novelli, genannt il Morrealese, des namhaftesten sicilianischen Malers dieses Jahrhunderts, der in Madrid nicht bekannt scheint.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/352>, abgerufen am 29.03.2024.