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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die spanische Jagd.
(Haltethurm) umgab jetzt Philipp IV mit einem Doppelgeschoss,
"gleich einem guardainfante um den Leib"1). Der Plan scheint
um die Mitte der dreissiger Jahre entstanden zu sein; wenigstens
beglückwünscht der Cardinalinfant Ferdinand in einem Brief aus
Douai vom 20. November 1636 seinen Bruder zu der prächtigen
Idee; obwol er als erfahrener Jäger besorgt ist, dass der Bau
mitten in den querencias (Wildgehegen) die Jagd verscheuchen
könnte.

Noch weiter inmitten eines Waldes hatte Ferdinand selbst
die Zarzuela sich gebaut, ein Landhaus, von dem eine neue Art
musikalischer Dramen den Namen erhielt.

Diese Schlösser standen im Herzen eines uralten Jagdreviers.
Längst ehe Madrid unter den Provincialstädten nur genannt
wurde, lag für die Könige von Castilien und Leon in diesen
Eichengründen der Hauptanziehungspunkt der spätern Residenz.
Schon im Jagdwerk Alphons XI gilt Madrid als "sehr königliches
Jagdrevier für Sauen im Winter"2). Hier wurden noch zu Phi-
lipp IV Zeit die drei grossen jährlichen Hofjagden (las grandes
monterias
) gehalten. Sie dauerten acht Tage, der Jägertross
belief sich auf dreihundert Personen, die Kosten wurden zusam-
men auf 80000 Escudos berechnet. --

Von der alten spanischen Jagd, ihren Bräuchen und Aem-
tern, Festen und Abenteuern könnte Jemand, der Gelehrter und
Waidmann wäre, ein merkwürdiges Buch schreiben. Was wir
davon lesen ist uns meist fremd geworden und bedarf des Kom-
mentars wie ein alter Text.

Die Scenen die Velazquez gemalt hat, sind eines ihrer
treusten und klarsten Urkundenfragmente.

Die hohe Jagd (la caza de monte), erklärt der Herzog im
Don Quixote (II, 34), ist die nothwendigste körperliche Uebung
für Könige und Fürsten; denn sie ist das Abbild des Kriegs.
"Wie das Waffenhandwerk die Hauptsäule ist, sagt Mar-
tinez de Espinar, welche die Monarchie trägt, schirmt und
mehrt, so ist die Jagd im Frieden die nützlichste Uebung,
die vollendete Schule und das lebendige Abbild des Kriegs und
seiner Härte. Sie macht die Sinne wachsam, die Muskeln be-

1) So sagt Graf Harrach im Tagebuch, 26. Juni 1677, wo er eine Fahrt dahin
mit Graf Trautson beschreibt. "Es ist gar ein herziges Häusel".
2) La Dehesa de Madrid es muy real monte de puerco en ivierno. Libro
de monteria del Rey d. Alfonso XI, herausgegeben von J. Gutierrez de la Vega.
Madrid 1877. II, 225.

Die spanische Jagd.
(Haltethurm) umgab jetzt Philipp IV mit einem Doppelgeschoss,
„gleich einem guardainfante um den Leib“1). Der Plan scheint
um die Mitte der dreissiger Jahre entstanden zu sein; wenigstens
beglückwünscht der Cardinalinfant Ferdinand in einem Brief aus
Douai vom 20. November 1636 seinen Bruder zu der prächtigen
Idee; obwol er als erfahrener Jäger besorgt ist, dass der Bau
mitten in den querencias (Wildgehegen) die Jagd verscheuchen
könnte.

Noch weiter inmitten eines Waldes hatte Ferdinand selbst
die Zarzuela sich gebaut, ein Landhaus, von dem eine neue Art
musikalischer Dramen den Namen erhielt.

Diese Schlösser standen im Herzen eines uralten Jagdreviers.
Längst ehe Madrid unter den Provincialstädten nur genannt
wurde, lag für die Könige von Castilien und Leon in diesen
Eichengründen der Hauptanziehungspunkt der spätern Residenz.
Schon im Jagdwerk Alphons XI gilt Madrid als „sehr königliches
Jagdrevier für Sauen im Winter“2). Hier wurden noch zu Phi-
lipp IV Zeit die drei grossen jährlichen Hofjagden (las grandes
monterías
) gehalten. Sie dauerten acht Tage, der Jägertross
belief sich auf dreihundert Personen, die Kosten wurden zusam-
men auf 80000 Escudos berechnet. —

Von der alten spanischen Jagd, ihren Bräuchen und Aem-
tern, Festen und Abenteuern könnte Jemand, der Gelehrter und
Waidmann wäre, ein merkwürdiges Buch schreiben. Was wir
davon lesen ist uns meist fremd geworden und bedarf des Kom-
mentars wie ein alter Text.

Die Scenen die Velazquez gemalt hat, sind eines ihrer
treusten und klarsten Urkundenfragmente.

Die hohe Jagd (la caza de monte), erklärt der Herzog im
Don Quixote (II, 34), ist die nothwendigste körperliche Uebung
für Könige und Fürsten; denn sie ist das Abbild des Kriegs.
„Wie das Waffenhandwerk die Hauptsäule ist, sagt Mar-
tinez de Espinar, welche die Monarchie trägt, schirmt und
mehrt, so ist die Jagd im Frieden die nützlichste Uebung,
die vollendete Schule und das lebendige Abbild des Kriegs und
seiner Härte. Sie macht die Sinne wachsam, die Muskeln be-

1) So sagt Graf Harrach im Tagebuch, 26. Juni 1677, wo er eine Fahrt dahin
mit Graf Trautson beschreibt. „Es ist gar ein herziges Häusel“.
2) La Dehesa de Madrid es muy real monte de puerco en ivierno. Libro
de montería del Rey d. Alfonso XI, herausgegeben von J. Gutierrez de la Vega.
Madrid 1877. II, 225.
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[371/0399] Die spanische Jagd. (Haltethurm) umgab jetzt Philipp IV mit einem Doppelgeschoss, „gleich einem guardainfante um den Leib“ 1). Der Plan scheint um die Mitte der dreissiger Jahre entstanden zu sein; wenigstens beglückwünscht der Cardinalinfant Ferdinand in einem Brief aus Douai vom 20. November 1636 seinen Bruder zu der prächtigen Idee; obwol er als erfahrener Jäger besorgt ist, dass der Bau mitten in den querencias (Wildgehegen) die Jagd verscheuchen könnte. Noch weiter inmitten eines Waldes hatte Ferdinand selbst die Zarzuela sich gebaut, ein Landhaus, von dem eine neue Art musikalischer Dramen den Namen erhielt. Diese Schlösser standen im Herzen eines uralten Jagdreviers. Längst ehe Madrid unter den Provincialstädten nur genannt wurde, lag für die Könige von Castilien und Leon in diesen Eichengründen der Hauptanziehungspunkt der spätern Residenz. Schon im Jagdwerk Alphons XI gilt Madrid als „sehr königliches Jagdrevier für Sauen im Winter“ 2). Hier wurden noch zu Phi- lipp IV Zeit die drei grossen jährlichen Hofjagden (las grandes monterías) gehalten. Sie dauerten acht Tage, der Jägertross belief sich auf dreihundert Personen, die Kosten wurden zusam- men auf 80000 Escudos berechnet. — Von der alten spanischen Jagd, ihren Bräuchen und Aem- tern, Festen und Abenteuern könnte Jemand, der Gelehrter und Waidmann wäre, ein merkwürdiges Buch schreiben. Was wir davon lesen ist uns meist fremd geworden und bedarf des Kom- mentars wie ein alter Text. Die Scenen die Velazquez gemalt hat, sind eines ihrer treusten und klarsten Urkundenfragmente. Die hohe Jagd (la caza de monte), erklärt der Herzog im Don Quixote (II, 34), ist die nothwendigste körperliche Uebung für Könige und Fürsten; denn sie ist das Abbild des Kriegs. „Wie das Waffenhandwerk die Hauptsäule ist, sagt Mar- tinez de Espinar, welche die Monarchie trägt, schirmt und mehrt, so ist die Jagd im Frieden die nützlichste Uebung, die vollendete Schule und das lebendige Abbild des Kriegs und seiner Härte. Sie macht die Sinne wachsam, die Muskeln be- 1) So sagt Graf Harrach im Tagebuch, 26. Juni 1677, wo er eine Fahrt dahin mit Graf Trautson beschreibt. „Es ist gar ein herziges Häusel“. 2) La Dehesa de Madrid es muy real monte de puerco en ivierno. Libro de montería del Rey d. Alfonso XI, herausgegeben von J. Gutierrez de la Vega. Madrid 1877. II, 225.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/399>, abgerufen am 28.03.2024.