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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Hirschjagd.
stellt und versuchen die ankommenden Thiere mit ihren Jagd-
messern abzufangen.

Den Vordergrund durchschneiden also schräg der Länge
nach die beiden weissen Tücherstreifen jenes eingeschlossenen
Laufs, in welchen berittene Treiber die Hirsche gejagt haben.
An ihrem Ende steht ein mit rothem Tuch ausgeschlagenes
Schaugerüst (tabladillo), auf dem zwölf Damen, darunter drei in
Klostertracht sitzen. Die Damen tragen ausgeschnittene Kleider,
jedes von anderer Farbe. Die vorn in der Mitte auf rothem
Kissen mit abgewandtem Antlitz, in gelbem Kleid und mit weissen
Schleifen im Haar ist wahrscheinlich Isabella von Bourbon. Unter
der Tribüne haben sich in den Schranken vier Cavaliere aufge-
stellt, der König, seine zwei Brüder und der Minister. Voran
Seine Majestät, gefolgt von dem unvermeidlichen Olivares; die
zwei vordern schwenken die Jagdmesser rückwärts, während
die hinteren ihre Waffe wie zielend vorstrecken. Die höchste
Anspannung schneidiger Geistesgegenwart wurde hier erfordert;
"man dachte die heranstürmenden Thiere in der Mitte zu spalten,"
konnte aber froh sein einem die Sehnen der Läufe zu durch-
schneiden; oft setzten sie über die Cavaliere hinweg, selten ge-
lang es einige zur Strecke zu bringen. Die Bahn läuft unter der
Damentribüne her, unter und hinter der die etwa durchgekom-
menen Thiere ergriffen und getödtet werden. Drei haben einen
Hirsch am Geweih gepackt; Hunde werden mit Stöcken abge-
halten sich auf die am Boden hingestreckten erlegten Thiere
zu stürzen. Man sieht, die Damen geniessen den frisch und
warm aufsteigenden Blutgeruch.

Diese carrera de gamos war ein sehr selten befohlenes, aber
um so höher gehaltenes und gesuchtes Hoffest.

Zu den Seiten der Bahn bewegt sich ein zahlreiches, aus
Personen aller Stände, Edelleuten, Jägern, frohnenden Bauern,
biedern Bürgern und Bauern der Nachbarschaft, Lakaien und
Marketendern bestehendes Publicum. Vorn etwa achzig Personen.
Jene berittenen Treiber machen ausserhalb längs der Bahn Halt
und betrachten sich, Hut in der Hand, das Schauspiel. Einer ist
abgeworfen worden, das Pferd geht durch.

Die vornehmste Person im Vordergrund ist ein junger wol-
gewachsener Herr, mit rothweissem Federbusch, in etwas verkürz-
tem Profil, breitem gesticktem Kragen, gelben Stulpstiefeln; viel-
leicht ein fürstlicher Gast. Vor ihm steht ein schwarzer Krauskopf
mit runden starken Zügen, baarhaupt; in der Nähe eine rothe

Die Hirschjagd.
stellt und versuchen die ankommenden Thiere mit ihren Jagd-
messern abzufangen.

Den Vordergrund durchschneiden also schräg der Länge
nach die beiden weissen Tücherstreifen jenes eingeschlossenen
Laufs, in welchen berittene Treiber die Hirsche gejagt haben.
An ihrem Ende steht ein mit rothem Tuch ausgeschlagenes
Schaugerüst (tabladillo), auf dem zwölf Damen, darunter drei in
Klostertracht sitzen. Die Damen tragen ausgeschnittene Kleider,
jedes von anderer Farbe. Die vorn in der Mitte auf rothem
Kissen mit abgewandtem Antlitz, in gelbem Kleid und mit weissen
Schleifen im Haar ist wahrscheinlich Isabella von Bourbon. Unter
der Tribüne haben sich in den Schranken vier Cavaliere aufge-
stellt, der König, seine zwei Brüder und der Minister. Voran
Seine Majestät, gefolgt von dem unvermeidlichen Olivares; die
zwei vordern schwenken die Jagdmesser rückwärts, während
die hinteren ihre Waffe wie zielend vorstrecken. Die höchste
Anspannung schneidiger Geistesgegenwart wurde hier erfordert;
„man dachte die heranstürmenden Thiere in der Mitte zu spalten,“
konnte aber froh sein einem die Sehnen der Läufe zu durch-
schneiden; oft setzten sie über die Cavaliere hinweg, selten ge-
lang es einige zur Strecke zu bringen. Die Bahn läuft unter der
Damentribüne her, unter und hinter der die etwa durchgekom-
menen Thiere ergriffen und getödtet werden. Drei haben einen
Hirsch am Geweih gepackt; Hunde werden mit Stöcken abge-
halten sich auf die am Boden hingestreckten erlegten Thiere
zu stürzen. Man sieht, die Damen geniessen den frisch und
warm aufsteigenden Blutgeruch.

Diese carrera de gamos war ein sehr selten befohlenes, aber
um so höher gehaltenes und gesuchtes Hoffest.

Zu den Seiten der Bahn bewegt sich ein zahlreiches, aus
Personen aller Stände, Edelleuten, Jägern, frohnenden Bauern,
biedern Bürgern und Bauern der Nachbarschaft, Lakaien und
Marketendern bestehendes Publicum. Vorn etwa achzig Personen.
Jene berittenen Treiber machen ausserhalb längs der Bahn Halt
und betrachten sich, Hut in der Hand, das Schauspiel. Einer ist
abgeworfen worden, das Pferd geht durch.

Die vornehmste Person im Vordergrund ist ein junger wol-
gewachsener Herr, mit rothweissem Federbusch, in etwas verkürz-
tem Profil, breitem gesticktem Kragen, gelben Stulpstiefeln; viel-
leicht ein fürstlicher Gast. Vor ihm steht ein schwarzer Krauskopf
mit runden starken Zügen, baarhaupt; in der Nähe eine rothe

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[387/0415] Die Hirschjagd. stellt und versuchen die ankommenden Thiere mit ihren Jagd- messern abzufangen. Den Vordergrund durchschneiden also schräg der Länge nach die beiden weissen Tücherstreifen jenes eingeschlossenen Laufs, in welchen berittene Treiber die Hirsche gejagt haben. An ihrem Ende steht ein mit rothem Tuch ausgeschlagenes Schaugerüst (tabladillo), auf dem zwölf Damen, darunter drei in Klostertracht sitzen. Die Damen tragen ausgeschnittene Kleider, jedes von anderer Farbe. Die vorn in der Mitte auf rothem Kissen mit abgewandtem Antlitz, in gelbem Kleid und mit weissen Schleifen im Haar ist wahrscheinlich Isabella von Bourbon. Unter der Tribüne haben sich in den Schranken vier Cavaliere aufge- stellt, der König, seine zwei Brüder und der Minister. Voran Seine Majestät, gefolgt von dem unvermeidlichen Olivares; die zwei vordern schwenken die Jagdmesser rückwärts, während die hinteren ihre Waffe wie zielend vorstrecken. Die höchste Anspannung schneidiger Geistesgegenwart wurde hier erfordert; „man dachte die heranstürmenden Thiere in der Mitte zu spalten,“ konnte aber froh sein einem die Sehnen der Läufe zu durch- schneiden; oft setzten sie über die Cavaliere hinweg, selten ge- lang es einige zur Strecke zu bringen. Die Bahn läuft unter der Damentribüne her, unter und hinter der die etwa durchgekom- menen Thiere ergriffen und getödtet werden. Drei haben einen Hirsch am Geweih gepackt; Hunde werden mit Stöcken abge- halten sich auf die am Boden hingestreckten erlegten Thiere zu stürzen. Man sieht, die Damen geniessen den frisch und warm aufsteigenden Blutgeruch. Diese carrera de gamos war ein sehr selten befohlenes, aber um so höher gehaltenes und gesuchtes Hoffest. Zu den Seiten der Bahn bewegt sich ein zahlreiches, aus Personen aller Stände, Edelleuten, Jägern, frohnenden Bauern, biedern Bürgern und Bauern der Nachbarschaft, Lakaien und Marketendern bestehendes Publicum. Vorn etwa achzig Personen. Jene berittenen Treiber machen ausserhalb längs der Bahn Halt und betrachten sich, Hut in der Hand, das Schauspiel. Einer ist abgeworfen worden, das Pferd geht durch. Die vornehmste Person im Vordergrund ist ein junger wol- gewachsener Herr, mit rothweissem Federbusch, in etwas verkürz- tem Profil, breitem gesticktem Kragen, gelben Stulpstiefeln; viel- leicht ein fürstlicher Gast. Vor ihm steht ein schwarzer Krauskopf mit runden starken Zügen, baarhaupt; in der Nähe eine rothe

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/415>, abgerufen am 29.03.2024.