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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
Umgebung, vielleicht für sich selbst war, und nur mit Wider-
willen sich bequemte, dem Maler eine Sitzung zu gestatten.
Hohe Brust, mächtige gesenkte Arme, wie man sie an Bildnissen
von A. Mor und Pourbus findet. Beide Hände ziehen den auf
der linken Schulter hängenden Mantel um die Hüften an, wie
ein Wink zum Aufbruch. Diese Hände sind aber ganz leer ge-
[Abbildung]

Juan Mateos (?)

lassen; die linke ruht am
Degengefäss, der weisse
Fleck ist der Glanz des
Degenknopfs, der von der
Hand verdeckt wird. Im
Gürtel steckt ein Dolch.

Der Kopf ist gemalt
mit wenigen Farben und
markigem Pinsel, auf weis-
sem Grund, der an der
golilla, am Knebelbart
und rechten Aermel durch-
sieht. Das warme tiefe
Braun des Auges ist auch
verwandt für die schma-
len Schatten der Augen-
ecken, der Nase, des fal-
tigen Halses, und in eini-
gen derben breiten Strichen zur Markirung der verkürzten Hälfte
des Gesichts; endlich ist dem linken Theil des Hintergrunds damit
Tiefe gegeben, und hier ist einmal die Farbe zersprungen. Mit
einfachen Mitteln (auch das prachtvolle Ohr trägt dazu bei) ist
dem aus dem Dunkel hervortretenden gelben, faltigen Kopf eine
Plastik gegeben, wie sie Velazquez nie übertroffen hat.

Niemand der diesen Dresdener Velazquez im Kopf hat, wird
den Titel jenes Jagdbuchs des Juan Mateos aufschlagen, ohne
an ihn zu denken. Der Bau, die Züge, der grämliche Blick, die
Tracht stimmen; nur ist er in dem Medaillon gealterter, matter,
und zwischen den Augen fehlen die grimmigen Runzeln. Wenn
man die öftere Willkür der Stecher in Rechnung zieht, so würde
diess nicht gegen die Vermuthung entscheiden. Natürlich müsste
man das Gemälde mehrere Jahre vor 1634 setzen 1).


1) Einem königlichen ballestero Mateos wurde der Schuss zugeschrieben, der
den Grafen Villamediana am 21. August 1622 in seiner Kutsche tödtlich traf. Cotarelo

Viertes Buch.
Umgebung, vielleicht für sich selbst war, und nur mit Wider-
willen sich bequemte, dem Maler eine Sitzung zu gestatten.
Hohe Brust, mächtige gesenkte Arme, wie man sie an Bildnissen
von A. Mor und Pourbus findet. Beide Hände ziehen den auf
der linken Schulter hängenden Mantel um die Hüften an, wie
ein Wink zum Aufbruch. Diese Hände sind aber ganz leer ge-
[Abbildung]

Juan Mateos (?)

lassen; die linke ruht am
Degengefäss, der weisse
Fleck ist der Glanz des
Degenknopfs, der von der
Hand verdeckt wird. Im
Gürtel steckt ein Dolch.

Der Kopf ist gemalt
mit wenigen Farben und
markigem Pinsel, auf weis-
sem Grund, der an der
golilla, am Knebelbart
und rechten Aermel durch-
sieht. Das warme tiefe
Braun des Auges ist auch
verwandt für die schma-
len Schatten der Augen-
ecken, der Nase, des fal-
tigen Halses, und in eini-
gen derben breiten Strichen zur Markirung der verkürzten Hälfte
des Gesichts; endlich ist dem linken Theil des Hintergrunds damit
Tiefe gegeben, und hier ist einmal die Farbe zersprungen. Mit
einfachen Mitteln (auch das prachtvolle Ohr trägt dazu bei) ist
dem aus dem Dunkel hervortretenden gelben, faltigen Kopf eine
Plastik gegeben, wie sie Velazquez nie übertroffen hat.

Niemand der diesen Dresdener Velazquez im Kopf hat, wird
den Titel jenes Jagdbuchs des Juan Mateos aufschlagen, ohne
an ihn zu denken. Der Bau, die Züge, der grämliche Blick, die
Tracht stimmen; nur ist er in dem Medaillon gealterter, matter,
und zwischen den Augen fehlen die grimmigen Runzeln. Wenn
man die öftere Willkür der Stecher in Rechnung zieht, so würde
diess nicht gegen die Vermuthung entscheiden. Natürlich müsste
man das Gemälde mehrere Jahre vor 1634 setzen 1).


1) Einem königlichen ballestero Mateos wurde der Schuss zugeschrieben, der
den Grafen Villamediana am 21. August 1622 in seiner Kutsche tödtlich traf. Cotarelo
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[396/0424] Viertes Buch. Umgebung, vielleicht für sich selbst war, und nur mit Wider- willen sich bequemte, dem Maler eine Sitzung zu gestatten. Hohe Brust, mächtige gesenkte Arme, wie man sie an Bildnissen von A. Mor und Pourbus findet. Beide Hände ziehen den auf der linken Schulter hängenden Mantel um die Hüften an, wie ein Wink zum Aufbruch. Diese Hände sind aber ganz leer ge- [Abbildung Juan Mateos (?)] lassen; die linke ruht am Degengefäss, der weisse Fleck ist der Glanz des Degenknopfs, der von der Hand verdeckt wird. Im Gürtel steckt ein Dolch. Der Kopf ist gemalt mit wenigen Farben und markigem Pinsel, auf weis- sem Grund, der an der golilla, am Knebelbart und rechten Aermel durch- sieht. Das warme tiefe Braun des Auges ist auch verwandt für die schma- len Schatten der Augen- ecken, der Nase, des fal- tigen Halses, und in eini- gen derben breiten Strichen zur Markirung der verkürzten Hälfte des Gesichts; endlich ist dem linken Theil des Hintergrunds damit Tiefe gegeben, und hier ist einmal die Farbe zersprungen. Mit einfachen Mitteln (auch das prachtvolle Ohr trägt dazu bei) ist dem aus dem Dunkel hervortretenden gelben, faltigen Kopf eine Plastik gegeben, wie sie Velazquez nie übertroffen hat. Niemand der diesen Dresdener Velazquez im Kopf hat, wird den Titel jenes Jagdbuchs des Juan Mateos aufschlagen, ohne an ihn zu denken. Der Bau, die Züge, der grämliche Blick, die Tracht stimmen; nur ist er in dem Medaillon gealterter, matter, und zwischen den Augen fehlen die grimmigen Runzeln. Wenn man die öftere Willkür der Stecher in Rechnung zieht, so würde diess nicht gegen die Vermuthung entscheiden. Natürlich müsste man das Gemälde mehrere Jahre vor 1634 setzen 1). 1) Einem königlichen ballestero Mateos wurde der Schuss zugeschrieben, der den Grafen Villamediana am 21. August 1622 in seiner Kutsche tödtlich traf. Cotarelo

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/424>, abgerufen am 20.04.2024.