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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Murillo in Madrid.
Diktat irgend eines Insassen der Regina nebst Sprüchen in
Farben nachgeschrieben. Einem Fray Lauterio, der sich über
einen theologischen Dorn quält, erscheint auf sein Gebet die
Patronin des Klosters, welche die Gelegenheit benutzen will,
dem heil. Thomas etwas angenehmes sagen zu lassen, zwischen
letzterem und dem heil. Franz von Assisi, der dem Fray räth:
Crede huic, quia eius doctrina non deficiet in aeternum. Dieser
öffnet die Summa und findet seine Zweifel gelöst. Die blonde,
milde Madonna, mit Krone, blauem Mantel und reicher Agraffe,
gleicht dem Phantasiegebilde eines andächtigen Fraile; die Engel
sind hübsche natürliche Kinder. Und die Hände beweisen dass
er Geschmack hat.

Aber für Murillo schlug eine Stunde der Erweckung, wie
die Theologen sagen. Ein früherer Schulkamerad, Pedro de Moya,
kam aus den flandrischen Feldzügen zurück und erzählte ihm
von den Malern des Nordens, deren Arbeiten er in der Musse
der Winterquartiere sich angesehn. Unter ihnen hatte ein ge-
wisser van Dyck einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, dass
er den Entschluss gefasst, ihn in England aufzusuchen. Leider
sei er etwas spät gekommen, denn jener starb schon nach sechs
Monden. Er schilderte seinem Mitschüler, der inzwischen so
dunkle Pfade gewandelt, mit andalusischen Redefiguren die Ehre,
die er noch in der elften Stunde gehabt, dem Maler-Cavalier,
dem Tafelgenossen der Fürsten und Grossen Englands nahe zu
treten, er sprach von der Pracht, dem Feuer und dem rauschen-
den Leben Rubens'scher lienzos. Originale Sir Anthony's wird
er schwerlich mitgebracht haben, und seine eigenen Versuche
waren dem lernbegierigen Freunde kaum geeignet, eine Vor-
stellung davon zu geben, aber er konnte ihm gewiss manches
schöne Blatt voll Oelflecken von Paul Pontius oder Schelte van
Bolswert zeigen.

In Granada sind noch einige Bilder Moya's, der lediglich
diesem Besuch die Ehre verdankt, in der Geschichte genannt
zu werden, und sich eine Anzahl interessanter Bilder beigelegt
zu sehen, von denen er nicht geträumt hat. Im Museum der Knabe
Jesus, welcher der heil. Therese die Dornenkrone aufsetzt.
In der Kathedrale Na. Sa. de Guia einem heil. Bischof er-
scheinend, über dem Altar dieses Namens. Ziemlich flüchtige
Bilder, von etwas mehr modellmässigen Gesichtern als bei jenem
Castillo; aber eine Spur van Dycks ist in ihnen nicht zu ent-
decken, und man würde nach dem rothen Ton der Schatten und

Murillo in Madrid.
Diktat irgend eines Insassen der Regina nebst Sprüchen in
Farben nachgeschrieben. Einem Fray Lauterio, der sich über
einen theologischen Dorn quält, erscheint auf sein Gebet die
Patronin des Klosters, welche die Gelegenheit benutzen will,
dem heil. Thomas etwas angenehmes sagen zu lassen, zwischen
letzterem und dem heil. Franz von Assisi, der dem Fray räth:
Crede huic, quia eius doctrina non deficiet in aeternum. Dieser
öffnet die Summa und findet seine Zweifel gelöst. Die blonde,
milde Madonna, mit Krone, blauem Mantel und reicher Agraffe,
gleicht dem Phantasiegebilde eines andächtigen Fraile; die Engel
sind hübsche natürliche Kinder. Und die Hände beweisen dass
er Geschmack hat.

Aber für Murillo schlug eine Stunde der Erweckung, wie
die Theologen sagen. Ein früherer Schulkamerad, Pedro de Moya,
kam aus den flandrischen Feldzügen zurück und erzählte ihm
von den Malern des Nordens, deren Arbeiten er in der Musse
der Winterquartiere sich angesehn. Unter ihnen hatte ein ge-
wisser van Dyck einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, dass
er den Entschluss gefasst, ihn in England aufzusuchen. Leider
sei er etwas spät gekommen, denn jener starb schon nach sechs
Monden. Er schilderte seinem Mitschüler, der inzwischen so
dunkle Pfade gewandelt, mit andalusischen Redefiguren die Ehre,
die er noch in der elften Stunde gehabt, dem Maler-Cavalier,
dem Tafelgenossen der Fürsten und Grossen Englands nahe zu
treten, er sprach von der Pracht, dem Feuer und dem rauschen-
den Leben Rubens’scher lienzos. Originale Sir Anthony’s wird
er schwerlich mitgebracht haben, und seine eigenen Versuche
waren dem lernbegierigen Freunde kaum geeignet, eine Vor-
stellung davon zu geben, aber er konnte ihm gewiss manches
schöne Blatt voll Oelflecken von Paul Pontius oder Schelte van
Bolswert zeigen.

In Granada sind noch einige Bilder Moya’s, der lediglich
diesem Besuch die Ehre verdankt, in der Geschichte genannt
zu werden, und sich eine Anzahl interessanter Bilder beigelegt
zu sehen, von denen er nicht geträumt hat. Im Museum der Knabe
Jesus, welcher der heil. Therese die Dornenkrone aufsetzt.
In der Kathedrale Na. Sa. de Guia einem heil. Bischof er-
scheinend, über dem Altar dieses Namens. Ziemlich flüchtige
Bilder, von etwas mehr modellmässigen Gesichtern als bei jenem
Castillo; aber eine Spur van Dycks ist in ihnen nicht zu ent-
decken, und man würde nach dem rothen Ton der Schatten und

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[407/0435] Murillo in Madrid. Diktat irgend eines Insassen der Regina nebst Sprüchen in Farben nachgeschrieben. Einem Fray Lauterio, der sich über einen theologischen Dorn quält, erscheint auf sein Gebet die Patronin des Klosters, welche die Gelegenheit benutzen will, dem heil. Thomas etwas angenehmes sagen zu lassen, zwischen letzterem und dem heil. Franz von Assisi, der dem Fray räth: Crede huic, quia eius doctrina non deficiet in aeternum. Dieser öffnet die Summa und findet seine Zweifel gelöst. Die blonde, milde Madonna, mit Krone, blauem Mantel und reicher Agraffe, gleicht dem Phantasiegebilde eines andächtigen Fraile; die Engel sind hübsche natürliche Kinder. Und die Hände beweisen dass er Geschmack hat. Aber für Murillo schlug eine Stunde der Erweckung, wie die Theologen sagen. Ein früherer Schulkamerad, Pedro de Moya, kam aus den flandrischen Feldzügen zurück und erzählte ihm von den Malern des Nordens, deren Arbeiten er in der Musse der Winterquartiere sich angesehn. Unter ihnen hatte ein ge- wisser van Dyck einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, dass er den Entschluss gefasst, ihn in England aufzusuchen. Leider sei er etwas spät gekommen, denn jener starb schon nach sechs Monden. Er schilderte seinem Mitschüler, der inzwischen so dunkle Pfade gewandelt, mit andalusischen Redefiguren die Ehre, die er noch in der elften Stunde gehabt, dem Maler-Cavalier, dem Tafelgenossen der Fürsten und Grossen Englands nahe zu treten, er sprach von der Pracht, dem Feuer und dem rauschen- den Leben Rubens’scher lienzos. Originale Sir Anthony’s wird er schwerlich mitgebracht haben, und seine eigenen Versuche waren dem lernbegierigen Freunde kaum geeignet, eine Vor- stellung davon zu geben, aber er konnte ihm gewiss manches schöne Blatt voll Oelflecken von Paul Pontius oder Schelte van Bolswert zeigen. In Granada sind noch einige Bilder Moya’s, der lediglich diesem Besuch die Ehre verdankt, in der Geschichte genannt zu werden, und sich eine Anzahl interessanter Bilder beigelegt zu sehen, von denen er nicht geträumt hat. Im Museum der Knabe Jesus, welcher der heil. Therese die Dornenkrone aufsetzt. In der Kathedrale Na. Sa. de Guia einem heil. Bischof er- scheinend, über dem Altar dieses Namens. Ziemlich flüchtige Bilder, von etwas mehr modellmässigen Gesichtern als bei jenem Castillo; aber eine Spur van Dycks ist in ihnen nicht zu ent- decken, und man würde nach dem rothen Ton der Schatten und

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/435>, abgerufen am 19.04.2024.