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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Conversation.
eine sechs- und eine vierspännige, zwischen dichten Spalieren von
Zuschauern.

Im Vordergrund bewegt sich die farbenreiche Menge. Be-
sonders fällt auf zur Linken ein Kreis von achtzehn Damen und
Herren, die statt an den Händen, an Taschentüchern sich fassend
einen Ringeltanz aufführen. Die spanischen Damen tanzten ge-
wöhnlich mit Handschuhen, nur mit dem König ohne solche, In-
fantinnen mit Granden auf die hier dargestellte Art.

Weiter vorn hat ein Herr in rothem Wams und Federhut
ein curbettirendes Ross bestiegen, umringt von sieben Herren in
schwarzer Hoftracht, darunter vier baarhaupt, vielleicht der Prinz.
In der Mitte des Vordergrunds sitzen drei Damen im Gras, umher
stehen Frauen in navarresischer Tracht, mit weissen tocas ähn-
lich den der römischen Campagnolen. Auch die schmucke
Bäuerin links fehlt nicht.

Die Conversation.

Dass die köstliche Kollektion von dreizehn Bildnissen spa-
nischer Cavaliere in ganzer Figur, im Louvre, nicht spanische
Maler vorstelle, darüber ist kein Wort zu verlieren1). Das
Stück kann überhaupt kaum als selbständiges Bild oder als Skizze
eines Pendants zu holländischen Schützenstücken etwa, betrachtet
werden. Es ist eine Vereinigung von Studien für Zuschauergrup-
pen zu solchen Bildern, wie Saragossa und die Hofjagden, wo
nicht das Fragment eines grossen, verlorengegangnen Gemäldes.

Deutlich sieht man ein Paar dem Hintergrund sich zuwen-
den; einer, der einzige von allen der sich zu einer Aeusse-
rung seiner Gefühle hinreissen lässt, schwenkt den Hut hoch.
Ein andrer (links), der zu den beiden vornehmen Herren eben
hinzugetreten ist, wobei ihm einer vertraulich die Hand auf die
Schulter legt, wird von jenen orientirt. Die Mehrzahl allerdings,
sieben bis acht, kehren wieder dem Schauspiel den Rücken; sie
benutzen die Gelegenheit sich Neuigkeiten, Glossen über die
Personen in der Arena zuzuflüstern: man wendet, auch wenn man
ausser Hörweite ist, dem nicht gern das Gesicht zu, auf dessen
Kosten die Unterhaltung geführt wird.

Die Anordnung dieser müssigen Gesellschaft ist wol ab-

1) Das Bildchen schenkte der Infant D. Gabriel, Sohn Carl III, der Herzogin
von Alba; nachdem es durch mehrere Hände gegangen, wurde es im Jahre 1851
von Laneuville für den Louvre erworben (6500 Fr.).

Die Conversation.
eine sechs- und eine vierspännige, zwischen dichten Spalieren von
Zuschauern.

Im Vordergrund bewegt sich die farbenreiche Menge. Be-
sonders fällt auf zur Linken ein Kreis von achtzehn Damen und
Herren, die statt an den Händen, an Taschentüchern sich fassend
einen Ringeltanz aufführen. Die spanischen Damen tanzten ge-
wöhnlich mit Handschuhen, nur mit dem König ohne solche, In-
fantinnen mit Granden auf die hier dargestellte Art.

Weiter vorn hat ein Herr in rothem Wams und Federhut
ein curbettirendes Ross bestiegen, umringt von sieben Herren in
schwarzer Hoftracht, darunter vier baarhaupt, vielleicht der Prinz.
In der Mitte des Vordergrunds sitzen drei Damen im Gras, umher
stehen Frauen in navarresischer Tracht, mit weissen tocas ähn-
lich den der römischen Campagnolen. Auch die schmucke
Bäuerin links fehlt nicht.

Die Conversation.

Dass die köstliche Kollektion von dreizehn Bildnissen spa-
nischer Cavaliere in ganzer Figur, im Louvre, nicht spanische
Maler vorstelle, darüber ist kein Wort zu verlieren1). Das
Stück kann überhaupt kaum als selbständiges Bild oder als Skizze
eines Pendants zu holländischen Schützenstücken etwa, betrachtet
werden. Es ist eine Vereinigung von Studien für Zuschauergrup-
pen zu solchen Bildern, wie Saragossa und die Hofjagden, wo
nicht das Fragment eines grossen, verlorengegangnen Gemäldes.

Deutlich sieht man ein Paar dem Hintergrund sich zuwen-
den; einer, der einzige von allen der sich zu einer Aeusse-
rung seiner Gefühle hinreissen lässt, schwenkt den Hut hoch.
Ein andrer (links), der zu den beiden vornehmen Herren eben
hinzugetreten ist, wobei ihm einer vertraulich die Hand auf die
Schulter legt, wird von jenen orientirt. Die Mehrzahl allerdings,
sieben bis acht, kehren wieder dem Schauspiel den Rücken; sie
benutzen die Gelegenheit sich Neuigkeiten, Glossen über die
Personen in der Arena zuzuflüstern: man wendet, auch wenn man
ausser Hörweite ist, dem nicht gern das Gesicht zu, auf dessen
Kosten die Unterhaltung geführt wird.

Die Anordnung dieser müssigen Gesellschaft ist wol ab-

1) Das Bildchen schenkte der Infant D. Gabriel, Sohn Carl III, der Herzogin
von Alba; nachdem es durch mehrere Hände gegangen, wurde es im Jahre 1851
von Laneuville für den Louvre erworben (6500 Fr.).
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[147/0167] Die Conversation. eine sechs- und eine vierspännige, zwischen dichten Spalieren von Zuschauern. Im Vordergrund bewegt sich die farbenreiche Menge. Be- sonders fällt auf zur Linken ein Kreis von achtzehn Damen und Herren, die statt an den Händen, an Taschentüchern sich fassend einen Ringeltanz aufführen. Die spanischen Damen tanzten ge- wöhnlich mit Handschuhen, nur mit dem König ohne solche, In- fantinnen mit Granden auf die hier dargestellte Art. Weiter vorn hat ein Herr in rothem Wams und Federhut ein curbettirendes Ross bestiegen, umringt von sieben Herren in schwarzer Hoftracht, darunter vier baarhaupt, vielleicht der Prinz. In der Mitte des Vordergrunds sitzen drei Damen im Gras, umher stehen Frauen in navarresischer Tracht, mit weissen tocas ähn- lich den der römischen Campagnolen. Auch die schmucke Bäuerin links fehlt nicht. Die Conversation. Dass die köstliche Kollektion von dreizehn Bildnissen spa- nischer Cavaliere in ganzer Figur, im Louvre, nicht spanische Maler vorstelle, darüber ist kein Wort zu verlieren 1). Das Stück kann überhaupt kaum als selbständiges Bild oder als Skizze eines Pendants zu holländischen Schützenstücken etwa, betrachtet werden. Es ist eine Vereinigung von Studien für Zuschauergrup- pen zu solchen Bildern, wie Saragossa und die Hofjagden, wo nicht das Fragment eines grossen, verlorengegangnen Gemäldes. Deutlich sieht man ein Paar dem Hintergrund sich zuwen- den; einer, der einzige von allen der sich zu einer Aeusse- rung seiner Gefühle hinreissen lässt, schwenkt den Hut hoch. Ein andrer (links), der zu den beiden vornehmen Herren eben hinzugetreten ist, wobei ihm einer vertraulich die Hand auf die Schulter legt, wird von jenen orientirt. Die Mehrzahl allerdings, sieben bis acht, kehren wieder dem Schauspiel den Rücken; sie benutzen die Gelegenheit sich Neuigkeiten, Glossen über die Personen in der Arena zuzuflüstern: man wendet, auch wenn man ausser Hörweite ist, dem nicht gern das Gesicht zu, auf dessen Kosten die Unterhaltung geführt wird. Die Anordnung dieser müssigen Gesellschaft ist wol ab- 1) Das Bildchen schenkte der Infant D. Gabriel, Sohn Carl III, der Herzogin von Alba; nachdem es durch mehrere Hände gegangen, wurde es im Jahre 1851 von Laneuville für den Louvre erworben (6500 Fr.).

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/167>, abgerufen am 28.03.2024.