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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Metelli und Colonna.

Im neuen Palast sah Ponz von Bronzen den Hermaphroditen,
die Venus, den Dornauszieher und die Antinousbüste des Kapitols,
den Laokoon, und die neun überlebensgrossen Planeten. Die
vier ersten sind in das Museum des Prado gekommen; ausser-
dem die sitzende Nymphe mit der Muschel.

Die Gypsformen kamen später in den Besitz der unter
Philipp V gegründeten Kunstakademie von S. Fernando, wo
derselbe Ponz (Viage V, 261) noch viele (Herkules, Flora, Venus,
Gladiator) in beschädigtem und ausgebessertem Zustand vorfand.
Raphael Mengs muss diese Formen aber unbrauchbar gefunden
haben, und ebenso jene alten Abgüsse. Denn er erwähnt sie mit
keinem Wort, zu einer Zeit, wo es sein angelegentlichster Wunsch
war, ja wie er sagte "seine einzige Freude unter einem Volk von
Feinden"1), solche Abformungen der Statuen des Belvedere, der
Villa Borghese und Ludovisi zu bekommen. Die in Madrid von
ihm mit Hülfe seines Freundes Raimondo Ghelli gemachte
Collektion liess er bei seiner Abreise der Akademie als Ge-
schenk zurück, und später verehrte er auch eine zweite, in Rom
angelegte, weit bedeutendere Sammlung seinem Gönner, dem
Könige.

Metelli und Colonna.

Ausser den Gemäldeankäufen war eine Hauptsorge des Ve-
lazquez die Anwerbung italienischer Decorationsmaler für Ar-
beiten im königlichen Palast.

Schon seit den dreissiger Jahren hatte der König Umbauten
im Alcazar vornehmen lassen. Der alte Bau, dessen dunkle Ge-
mächer allen fremden Besuchern auffielen, im äussern noch halb
mittelalterlich, sollte dem heitern Leben der Gegenwart und
dem Geschmack der Residenzen des Jahrhunderts angepasst
werden. Grossräumigkeit wollte man, Helligkeit und Oeffnung
nach aussen, nach den Gärten.

An Ingenieuren fehlte es nicht; die Verlegenheit begann,
als es sich um die malerische Ausstattung handelte.

1) In seiner ungedruckten Correspondenz aus Madrid (in meinem Besitz)
heisst es: Le assicuro, come avanti Dio che tutto vede, che mai nel mondo ho
visuto piu humegliato e piu aflitto ... vivo privo d'ogni sorte di piacere for di
quello di sentire da V. S. che ha aquistato qualche giesso bello
... La gioventu
mia passa, senza che io possi meritare fra un Popolo di enemici. An Ghelli
14. Nov. 1768.
Metelli und Colonna.

Im neuen Palast sah Ponz von Bronzen den Hermaphroditen,
die Venus, den Dornauszieher und die Antinousbüste des Kapitols,
den Laokoon, und die neun überlebensgrossen Planeten. Die
vier ersten sind in das Museum des Prado gekommen; ausser-
dem die sitzende Nymphe mit der Muschel.

Die Gypsformen kamen später in den Besitz der unter
Philipp V gegründeten Kunstakademie von S. Fernando, wo
derselbe Ponz (Viage V, 261) noch viele (Herkules, Flora, Venus,
Gladiator) in beschädigtem und ausgebessertem Zustand vorfand.
Raphael Mengs muss diese Formen aber unbrauchbar gefunden
haben, und ebenso jene alten Abgüsse. Denn er erwähnt sie mit
keinem Wort, zu einer Zeit, wo es sein angelegentlichster Wunsch
war, ja wie er sagte „seine einzige Freude unter einem Volk von
Feinden“1), solche Abformungen der Statuen des Belvedere, der
Villa Borghese und Ludovisi zu bekommen. Die in Madrid von
ihm mit Hülfe seines Freundes Raimondo Ghelli gemachte
Collektion liess er bei seiner Abreise der Akademie als Ge-
schenk zurück, und später verehrte er auch eine zweite, in Rom
angelegte, weit bedeutendere Sammlung seinem Gönner, dem
Könige.

Metelli und Colonna.

Ausser den Gemäldeankäufen war eine Hauptsorge des Ve-
lazquez die Anwerbung italienischer Decorationsmaler für Ar-
beiten im königlichen Palast.

Schon seit den dreissiger Jahren hatte der König Umbauten
im Alcazar vornehmen lassen. Der alte Bau, dessen dunkle Ge-
mächer allen fremden Besuchern auffielen, im äussern noch halb
mittelalterlich, sollte dem heitern Leben der Gegenwart und
dem Geschmack der Residenzen des Jahrhunderts angepasst
werden. Grossräumigkeit wollte man, Helligkeit und Oeffnung
nach aussen, nach den Gärten.

An Ingenieuren fehlte es nicht; die Verlegenheit begann,
als es sich um die malerische Ausstattung handelte.

1) In seiner ungedruckten Correspondenz aus Madrid (in meinem Besitz)
heisst es: Le assicuro, come avanti Dio che tutto vede, che mai nel mondo ho
visuto più humegliato e più aflitto … vivo privo d’ogni sorte di piacere for di
quello di sentire da V. S. che ha aquistato qualche giesso bello
… La gioventu
mia passa, senza che io possi meritare fra un Popolo di enemici. An Ghelli
14. Nov. 1768.
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[197/0217] Metelli und Colonna. Im neuen Palast sah Ponz von Bronzen den Hermaphroditen, die Venus, den Dornauszieher und die Antinousbüste des Kapitols, den Laokoon, und die neun überlebensgrossen Planeten. Die vier ersten sind in das Museum des Prado gekommen; ausser- dem die sitzende Nymphe mit der Muschel. Die Gypsformen kamen später in den Besitz der unter Philipp V gegründeten Kunstakademie von S. Fernando, wo derselbe Ponz (Viage V, 261) noch viele (Herkules, Flora, Venus, Gladiator) in beschädigtem und ausgebessertem Zustand vorfand. Raphael Mengs muss diese Formen aber unbrauchbar gefunden haben, und ebenso jene alten Abgüsse. Denn er erwähnt sie mit keinem Wort, zu einer Zeit, wo es sein angelegentlichster Wunsch war, ja wie er sagte „seine einzige Freude unter einem Volk von Feinden“ 1), solche Abformungen der Statuen des Belvedere, der Villa Borghese und Ludovisi zu bekommen. Die in Madrid von ihm mit Hülfe seines Freundes Raimondo Ghelli gemachte Collektion liess er bei seiner Abreise der Akademie als Ge- schenk zurück, und später verehrte er auch eine zweite, in Rom angelegte, weit bedeutendere Sammlung seinem Gönner, dem Könige. Metelli und Colonna. Ausser den Gemäldeankäufen war eine Hauptsorge des Ve- lazquez die Anwerbung italienischer Decorationsmaler für Ar- beiten im königlichen Palast. Schon seit den dreissiger Jahren hatte der König Umbauten im Alcazar vornehmen lassen. Der alte Bau, dessen dunkle Ge- mächer allen fremden Besuchern auffielen, im äussern noch halb mittelalterlich, sollte dem heitern Leben der Gegenwart und dem Geschmack der Residenzen des Jahrhunderts angepasst werden. Grossräumigkeit wollte man, Helligkeit und Oeffnung nach aussen, nach den Gärten. An Ingenieuren fehlte es nicht; die Verlegenheit begann, als es sich um die malerische Ausstattung handelte. 1) In seiner ungedruckten Correspondenz aus Madrid (in meinem Besitz) heisst es: Le assicuro, come avanti Dio che tutto vede, che mai nel mondo ho visuto più humegliato e più aflitto … vivo privo d’ogni sorte di piacere for di quello di sentire da V. S. che ha aquistato qualche giesso bello … La gioventu mia passa, senza che io possi meritare fra un Popolo di enemici. An Ghelli 14. Nov. 1768.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/217>, abgerufen am 29.03.2024.