Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Buch.

Es gab keine Decorationsmalerei in Spanien. Weder Stil
noch Künstler. Selbst die Frescomalerei war mit dem sechs-
zehnten Jahrhundert verloren gegangen. Kreuzgänge, Gewölbe,
Kuppeln pflegte man mit angenagelten Leinwandhistorien, fast
immer in Oelfarben, zu bedecken. Ein Nothbehelf, der freilich den
Mönchsgeschichten des Zurbaran und Murillo in den Stürmen
der Neuzeit zu statten gekommen ist: die Beweglichkeit der
Leinwand hat hier die Unverwüstlichkeit des Fresko geschlagen.

Der kunstliebende Monarch sah keinen andern Weg, als
seinen Palast zu einer Gemäldegalerie zu machen. So lange
der Schatz von Venezianern reichte, so lange er einen Rubens
hatte, der ihm in wenigen Jahren ein ganzes Jagdschloss voll
Mythologien malte, durfte er nun zwar mit dem Erfolg zufrieden
sein. Und doch, man konnte sich nicht verbergen, dass selbst
eine Pinakothek von Meisterwerken nicht die einzige, und viel-
leicht nicht eben die behaglichste Form malerischer Ausstattung
ist, besonders für Räume, wo man täglich verkehrt. -- Aber
wieviel Platz blieb noch übrig, als die guten Sachen unterge-
bracht waren. Da wurde nun alles was man in Madrid von Ma-
lern auftreiben konnte durch Velazquez in Bewegung gesetzt.
Die Akten enthalten Namen, die man in den Künstlerlexicis
vergebens sucht, obwol in Cean Bermudez an Mittelmässigkeiten
kein Mangel ist. Für seine eignen Gemächer hatte der König
allerdings vier der besten ausgewählt: Alonso Cano, Antonio
Arias, Francisco Camilo, Francisco Polo. 240 Ducaten erhält
jeder für zwei bis zum Ende des Monats fertigzustellende Ge-
mälde, mit dreissig Conventionsstrafe bei Nichteinhaltung des
Termins1). Wir haben über diese untergegangenen Bilder kein
Urtheil; allein es will uns bedünken, dass die phantasielos realis-
tische Richtung der damaligen spanischen Schule, die nur auf
die conventionellen kirchlichen Stoffe eingeübt war, sich schwer
in die freie poetische Malerei, die hier gewünscht wurde, gefun-
den haben werde. Ihre griechischen Fabeln haben immer etwas
wunderlich triviales. Niemand fand diess schneller heraus als
der König. Als jener Camilo für die Westgalerie von Buen
Retiro die Metamorphosen Ovid's gemalt hatte, bezeigte er sich
nicht sehr zufrieden, er sagte, Jupiter sehe Jesus Christus ähn-

1) Mittheilungen aus Akten des Palastarchivs, von P. de Madrazo in dem pariser
Journal L'Art 1878. IV. 169, und in der Calderon-Festnummer der Zeitung El Dia
vom 25. Mai 1881, in Form eines Briefes vom 25. Mai 1641.
Sechstes Buch.

Es gab keine Decorationsmalerei in Spanien. Weder Stil
noch Künstler. Selbst die Frescomalerei war mit dem sechs-
zehnten Jahrhundert verloren gegangen. Kreuzgänge, Gewölbe,
Kuppeln pflegte man mit angenagelten Leinwandhistorien, fast
immer in Oelfarben, zu bedecken. Ein Nothbehelf, der freilich den
Mönchsgeschichten des Zurbaran und Murillo in den Stürmen
der Neuzeit zu statten gekommen ist: die Beweglichkeit der
Leinwand hat hier die Unverwüstlichkeit des Fresko geschlagen.

Der kunstliebende Monarch sah keinen andern Weg, als
seinen Palast zu einer Gemäldegalerie zu machen. So lange
der Schatz von Venezianern reichte, so lange er einen Rubens
hatte, der ihm in wenigen Jahren ein ganzes Jagdschloss voll
Mythologien malte, durfte er nun zwar mit dem Erfolg zufrieden
sein. Und doch, man konnte sich nicht verbergen, dass selbst
eine Pinakothek von Meisterwerken nicht die einzige, und viel-
leicht nicht eben die behaglichste Form malerischer Ausstattung
ist, besonders für Räume, wo man täglich verkehrt. — Aber
wieviel Platz blieb noch übrig, als die guten Sachen unterge-
bracht waren. Da wurde nun alles was man in Madrid von Ma-
lern auftreiben konnte durch Velazquez in Bewegung gesetzt.
Die Akten enthalten Namen, die man in den Künstlerlexicis
vergebens sucht, obwol in Cean Bermudez an Mittelmässigkeiten
kein Mangel ist. Für seine eignen Gemächer hatte der König
allerdings vier der besten ausgewählt: Alonso Cano, Antonio
Arias, Francisco Camilo, Francisco Polo. 240 Ducaten erhält
jeder für zwei bis zum Ende des Monats fertigzustellende Ge-
mälde, mit dreissig Conventionsstrafe bei Nichteinhaltung des
Termins1). Wir haben über diese untergegangenen Bilder kein
Urtheil; allein es will uns bedünken, dass die phantasielos realis-
tische Richtung der damaligen spanischen Schule, die nur auf
die conventionellen kirchlichen Stoffe eingeübt war, sich schwer
in die freie poetische Malerei, die hier gewünscht wurde, gefun-
den haben werde. Ihre griechischen Fabeln haben immer etwas
wunderlich triviales. Niemand fand diess schneller heraus als
der König. Als jener Camilo für die Westgalerie von Buen
Retiro die Metamorphosen Ovid’s gemalt hatte, bezeigte er sich
nicht sehr zufrieden, er sagte, Jupiter sehe Jesus Christus ähn-

1) Mittheilungen aus Akten des Palastarchivs, von P. de Madrazo in dem pariser
Journal L’Art 1878. IV. 169, und in der Calderon-Festnummer der Zeitung El Dia
vom 25. Mai 1881, in Form eines Briefes vom 25. Mai 1641.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0218" n="198"/>
          <fw place="top" type="header">Sechstes Buch.</fw><lb/>
          <p>Es gab keine Decorationsmalerei in Spanien. Weder Stil<lb/>
noch Künstler. Selbst die Frescomalerei war mit dem sechs-<lb/>
zehnten Jahrhundert verloren gegangen. Kreuzgänge, Gewölbe,<lb/>
Kuppeln pflegte man mit angenagelten Leinwandhistorien, fast<lb/>
immer in Oelfarben, zu bedecken. Ein Nothbehelf, der freilich den<lb/>
Mönchsgeschichten des Zurbaran und Murillo in den Stürmen<lb/>
der Neuzeit zu statten gekommen ist: die Beweglichkeit der<lb/>
Leinwand hat hier die Unverwüstlichkeit des Fresko geschlagen.</p><lb/>
          <p>Der kunstliebende Monarch sah keinen andern Weg, als<lb/>
seinen Palast zu einer Gemäldegalerie zu machen. So lange<lb/>
der Schatz von Venezianern reichte, so lange er einen Rubens<lb/>
hatte, der ihm in wenigen Jahren ein ganzes Jagdschloss voll<lb/>
Mythologien malte, durfte er nun zwar mit dem Erfolg zufrieden<lb/>
sein. Und doch, man konnte sich nicht verbergen, dass selbst<lb/>
eine Pinakothek von Meisterwerken nicht die einzige, und viel-<lb/>
leicht nicht eben die behaglichste Form malerischer Ausstattung<lb/>
ist, besonders für Räume, wo man täglich verkehrt. &#x2014; Aber<lb/>
wieviel Platz blieb noch übrig, als die guten Sachen unterge-<lb/>
bracht waren. Da wurde nun alles was man in Madrid von Ma-<lb/>
lern auftreiben konnte durch Velazquez in Bewegung gesetzt.<lb/>
Die Akten enthalten Namen, die man in den Künstlerlexicis<lb/>
vergebens sucht, obwol in Cean Bermudez an Mittelmässigkeiten<lb/>
kein Mangel ist. Für seine eignen Gemächer hatte der König<lb/>
allerdings vier der besten ausgewählt: Alonso Cano, Antonio<lb/>
Arias, Francisco Camilo, Francisco Polo. 240 Ducaten erhält<lb/>
jeder für zwei bis zum Ende des Monats fertigzustellende Ge-<lb/>
mälde, mit dreissig Conventionsstrafe bei Nichteinhaltung des<lb/>
Termins<note place="foot" n="1)">Mittheilungen aus Akten des Palastarchivs, von P. de Madrazo in dem pariser<lb/>
Journal L&#x2019;Art 1878. IV. 169, und in der Calderon-Festnummer der Zeitung El Dia<lb/>
vom 25. Mai 1881, in Form eines Briefes vom 25. Mai 1641.</note>. Wir haben über diese untergegangenen Bilder kein<lb/>
Urtheil; allein es will uns bedünken, dass die phantasielos realis-<lb/>
tische Richtung der damaligen spanischen Schule, die nur auf<lb/>
die conventionellen kirchlichen Stoffe eingeübt war, sich schwer<lb/>
in die freie poetische Malerei, die hier gewünscht wurde, gefun-<lb/>
den haben werde. Ihre griechischen Fabeln haben immer etwas<lb/>
wunderlich triviales. Niemand fand diess schneller heraus als<lb/>
der König. Als jener Camilo für die Westgalerie von Buen<lb/>
Retiro die Metamorphosen Ovid&#x2019;s gemalt hatte, bezeigte er sich<lb/>
nicht sehr zufrieden, er sagte, Jupiter sehe Jesus Christus ähn-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0218] Sechstes Buch. Es gab keine Decorationsmalerei in Spanien. Weder Stil noch Künstler. Selbst die Frescomalerei war mit dem sechs- zehnten Jahrhundert verloren gegangen. Kreuzgänge, Gewölbe, Kuppeln pflegte man mit angenagelten Leinwandhistorien, fast immer in Oelfarben, zu bedecken. Ein Nothbehelf, der freilich den Mönchsgeschichten des Zurbaran und Murillo in den Stürmen der Neuzeit zu statten gekommen ist: die Beweglichkeit der Leinwand hat hier die Unverwüstlichkeit des Fresko geschlagen. Der kunstliebende Monarch sah keinen andern Weg, als seinen Palast zu einer Gemäldegalerie zu machen. So lange der Schatz von Venezianern reichte, so lange er einen Rubens hatte, der ihm in wenigen Jahren ein ganzes Jagdschloss voll Mythologien malte, durfte er nun zwar mit dem Erfolg zufrieden sein. Und doch, man konnte sich nicht verbergen, dass selbst eine Pinakothek von Meisterwerken nicht die einzige, und viel- leicht nicht eben die behaglichste Form malerischer Ausstattung ist, besonders für Räume, wo man täglich verkehrt. — Aber wieviel Platz blieb noch übrig, als die guten Sachen unterge- bracht waren. Da wurde nun alles was man in Madrid von Ma- lern auftreiben konnte durch Velazquez in Bewegung gesetzt. Die Akten enthalten Namen, die man in den Künstlerlexicis vergebens sucht, obwol in Cean Bermudez an Mittelmässigkeiten kein Mangel ist. Für seine eignen Gemächer hatte der König allerdings vier der besten ausgewählt: Alonso Cano, Antonio Arias, Francisco Camilo, Francisco Polo. 240 Ducaten erhält jeder für zwei bis zum Ende des Monats fertigzustellende Ge- mälde, mit dreissig Conventionsstrafe bei Nichteinhaltung des Termins 1). Wir haben über diese untergegangenen Bilder kein Urtheil; allein es will uns bedünken, dass die phantasielos realis- tische Richtung der damaligen spanischen Schule, die nur auf die conventionellen kirchlichen Stoffe eingeübt war, sich schwer in die freie poetische Malerei, die hier gewünscht wurde, gefun- den haben werde. Ihre griechischen Fabeln haben immer etwas wunderlich triviales. Niemand fand diess schneller heraus als der König. Als jener Camilo für die Westgalerie von Buen Retiro die Metamorphosen Ovid’s gemalt hatte, bezeigte er sich nicht sehr zufrieden, er sagte, Jupiter sehe Jesus Christus ähn- 1) Mittheilungen aus Akten des Palastarchivs, von P. de Madrazo in dem pariser Journal L’Art 1878. IV. 169, und in der Calderon-Festnummer der Zeitung El Dia vom 25. Mai 1881, in Form eines Briefes vom 25. Mai 1641.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/218
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/218>, abgerufen am 28.03.2024.