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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Das Schlossmarschallamt.
sich hierüber auszusprechen. Ein Maler, Burgos Mantilla, der ihn
seit 34 Jahren kennt, bemerkt, er unterscheide sich erheblich von
den übrigen aus der "Fakultät" durch mehr Gewähltheit und
Würde (mayor punto y gravedad). Unbestritten nennt der Grefier
Fuensalida, der über ein Menschenalter mit ihm verkehrt hatte,
seinen feinen Takt und das Achtunggebietende seines Wesens
(decente y autorizado). Drei Zeugen, der Maler Alonso Cano, Pedro
de la Torre und der Portugiese Francisco de Meneses erklären fast
mit denselben Worten, er sei stets mit dem Prunk und der Hal-
tung (lucimiento oder lustre, y porte) des Edelmanns aufgetreten1).
Francisco Gutierrez Cabella endlich nennt ihn "einen der herr-
lichsten (primorosos) Männer seiner Zeit".

Velazquez, Spross eines alten portugiesischen Hauses, der
als Jüngling früher bedacht gewesen war, bei Hof festen Fuss
zu fassen, als die Künstlertour nach Italien zu machen, theilte
ganz die Werthbegriffe seines Standes. Die kleinen Nebenämter
eines ugier, eines ayuda de camara, waren ihm keineswegs gleich-
gültig; er stand in der Reihe derer, welche sich auf der breiten
Leiter der Hofchargen emporarbeiteten. Bekannt ist, dass damals
diese Aemter das höchste, ja einzige Ziel adligen Ergeizes
waren. Der immer tiefer in eitlen Müssiggang versinkende Adel
Castiliens machte sich bereits nichts mehr aus den Kommandos,
die ihn von der Bequemlichkeit und den Lüsten Madrids ent-
fernten. "Das einzige Amt, sagt Gramont, von dem ich be-
merkt habe, dass die Granden etwas Werth darauf legen, ist das
des gentilhombre de camara en ejercicio, weil sie bei Tafel, beim
An- und Auskleiden während des Wochendienstes das Privileg
geniessen, Seine Majestät zu sehen."

Velazquez kam nun von Rom zurück, hatte Ehre eingelegt
am Hof Seiner Heiligkeit und in der Künstlerrepublik. Aber
jetzt als ihn die Mauern des Alcazar wieder umfingen, kam auch
der Ehrgeiz des Hofschranzen von neuem über ihn. In den Per-
spectiven seiner Corridore und Zimmerfluchten verschwand das
menschlich und ideal Grosse zu Nichts, und der hohle Pomp,
den die Nachwelt belächelt, wurde höchstes Ziel des Daseins.
Und nun, wo er auf der Höhe des Könnens stand, wo er Werke
hätte schaffen können, die noch heute nach zweihundert Jahren
das Ziel der Pilgerfahrten gewesen wären, bewirbt er sich um
die Stelle des Schlossmarschalls!

1) Revista Europea 1874. II. passim.

Das Schlossmarschallamt.
sich hierüber auszusprechen. Ein Maler, Burgos Mantilla, der ihn
seit 34 Jahren kennt, bemerkt, er unterscheide sich erheblich von
den übrigen aus der „Fakultät“ durch mehr Gewähltheit und
Würde (mayor punto y gravedad). Unbestritten nennt der Grefier
Fuensalida, der über ein Menschenalter mit ihm verkehrt hatte,
seinen feinen Takt und das Achtunggebietende seines Wesens
(decente y autorizado). Drei Zeugen, der Maler Alonso Cano, Pedro
de la Torre und der Portugiese Francisco de Meneses erklären fast
mit denselben Worten, er sei stets mit dem Prunk und der Hal-
tung (lucimiento oder lustre, y porte) des Edelmanns aufgetreten1).
Francisco Gutierrez Cabella endlich nennt ihn „einen der herr-
lichsten (primorosos) Männer seiner Zeit“.

Velazquez, Spross eines alten portugiesischen Hauses, der
als Jüngling früher bedacht gewesen war, bei Hof festen Fuss
zu fassen, als die Künstlertour nach Italien zu machen, theilte
ganz die Werthbegriffe seines Standes. Die kleinen Nebenämter
eines ugier, eines ayuda de cámara, waren ihm keineswegs gleich-
gültig; er stand in der Reihe derer, welche sich auf der breiten
Leiter der Hofchargen emporarbeiteten. Bekannt ist, dass damals
diese Aemter das höchste, ja einzige Ziel adligen Ergeizes
waren. Der immer tiefer in eitlen Müssiggang versinkende Adel
Castiliens machte sich bereits nichts mehr aus den Kommandos,
die ihn von der Bequemlichkeit und den Lüsten Madrids ent-
fernten. „Das einzige Amt, sagt Gramont, von dem ich be-
merkt habe, dass die Granden etwas Werth darauf legen, ist das
des gentilhombre de cámara en ejercicio, weil sie bei Tafel, beim
An- und Auskleiden während des Wochendienstes das Privileg
geniessen, Seine Majestät zu sehen.“

Velazquez kam nun von Rom zurück, hatte Ehre eingelegt
am Hof Seiner Heiligkeit und in der Künstlerrepublik. Aber
jetzt als ihn die Mauern des Alcazar wieder umfingen, kam auch
der Ehrgeiz des Hofschranzen von neuem über ihn. In den Per-
spectiven seiner Corridore und Zimmerfluchten verschwand das
menschlich und ideal Grosse zu Nichts, und der hohle Pomp,
den die Nachwelt belächelt, wurde höchstes Ziel des Daseins.
Und nun, wo er auf der Höhe des Könnens stand, wo er Werke
hätte schaffen können, die noch heute nach zweihundert Jahren
das Ziel der Pilgerfahrten gewesen wären, bewirbt er sich um
die Stelle des Schlossmarschalls!

1) Revista Europea 1874. II. passim.
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[215/0235] Das Schlossmarschallamt. sich hierüber auszusprechen. Ein Maler, Burgos Mantilla, der ihn seit 34 Jahren kennt, bemerkt, er unterscheide sich erheblich von den übrigen aus der „Fakultät“ durch mehr Gewähltheit und Würde (mayor punto y gravedad). Unbestritten nennt der Grefier Fuensalida, der über ein Menschenalter mit ihm verkehrt hatte, seinen feinen Takt und das Achtunggebietende seines Wesens (decente y autorizado). Drei Zeugen, der Maler Alonso Cano, Pedro de la Torre und der Portugiese Francisco de Meneses erklären fast mit denselben Worten, er sei stets mit dem Prunk und der Hal- tung (lucimiento oder lustre, y porte) des Edelmanns aufgetreten 1). Francisco Gutierrez Cabella endlich nennt ihn „einen der herr- lichsten (primorosos) Männer seiner Zeit“. Velazquez, Spross eines alten portugiesischen Hauses, der als Jüngling früher bedacht gewesen war, bei Hof festen Fuss zu fassen, als die Künstlertour nach Italien zu machen, theilte ganz die Werthbegriffe seines Standes. Die kleinen Nebenämter eines ugier, eines ayuda de cámara, waren ihm keineswegs gleich- gültig; er stand in der Reihe derer, welche sich auf der breiten Leiter der Hofchargen emporarbeiteten. Bekannt ist, dass damals diese Aemter das höchste, ja einzige Ziel adligen Ergeizes waren. Der immer tiefer in eitlen Müssiggang versinkende Adel Castiliens machte sich bereits nichts mehr aus den Kommandos, die ihn von der Bequemlichkeit und den Lüsten Madrids ent- fernten. „Das einzige Amt, sagt Gramont, von dem ich be- merkt habe, dass die Granden etwas Werth darauf legen, ist das des gentilhombre de cámara en ejercicio, weil sie bei Tafel, beim An- und Auskleiden während des Wochendienstes das Privileg geniessen, Seine Majestät zu sehen.“ Velazquez kam nun von Rom zurück, hatte Ehre eingelegt am Hof Seiner Heiligkeit und in der Künstlerrepublik. Aber jetzt als ihn die Mauern des Alcazar wieder umfingen, kam auch der Ehrgeiz des Hofschranzen von neuem über ihn. In den Per- spectiven seiner Corridore und Zimmerfluchten verschwand das menschlich und ideal Grosse zu Nichts, und der hohle Pomp, den die Nachwelt belächelt, wurde höchstes Ziel des Daseins. Und nun, wo er auf der Höhe des Könnens stand, wo er Werke hätte schaffen können, die noch heute nach zweihundert Jahren das Ziel der Pilgerfahrten gewesen wären, bewirbt er sich um die Stelle des Schlossmarschalls! 1) Revista Europea 1874. II. passim.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/235>, abgerufen am 23.04.2024.