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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
ches doch am Ort beständig konsultirt werden musste. Kurz vor
ihrer Rückkehr beschloss der Ordensrath (am 26. Februar 1659),
"dass zwar die Reinheit (limpieza) des Bluts und Stamms er-
wiesen sei, nicht aber der Adel der mütterlichen Vorfahren, und
die Proben der Grossmutter von väterlicher Seite (D. Maria
Rodriguez) sowie der mütterlichen Grosseltern nicht gültig befun-
den werden könnten. Er solle nun den Adel seiner Baronie
im Weg des Processes verfechten und seinen Adelsbrief (carta
ejecutoria
) dem Rath einliefern."

War denn also der Beweis nicht gelungen, "die Schmach der
Verzögerung und die Kosten eines neuen Verfahrens" (Palomino)
unvermeidlich? ... Welch ein Schauspiel für romantische Ge-
müther! Diese ängstliche Sorge, dass der blanke Schild durch
keinen Hauch von Zweifel getrübt werde, diese Gewissenhaftig-
keit, dem advocatus diaboli jeden Vorwand zum Gemurmel zu
entziehen, diese charaktervolle Unabhängigkeit, denn war die
Ertheilung des Habits nicht der Wille Seiner Majestät?

Wie passt aber hierzu, wenn man liest, wie ungezwungen
es sonst in jener Zeit bei solchen Ordensverleihungen herzugehn
pflegte? wie lax die Praxis, wie gesunken das Ansehn dieser
Ritterkreuze war, wenn auch nicht -- ihr Preis. Als im Jahre
1621 dreissig Habits nach Flandern geschickt wurden für mili-
tärische Verdienste, lobte Quevedo diesen Entschluss des jungen
Königs, "der das Kreuz an denen sehn wolle, die es mit ihrem
Blut roth färben, statt mit dem Erröthen der Schande; in To-
desgefahr, nicht zwischen Mantillen"!

Beim Beginn des französischen Kriegs hatte die allgemeine
Kriegsjunta einen Beschluss gefasst, der die Orden ebenso feil
machte wie alles in Spanien. Wer sich um ein Habit bewarb,
hatte sich an den Grafen Castrillo zu wenden, der sie förmlich ver-
kaufte und sich die Gebühren der Proben in Madrid schwer bezah-
len liess. Man hoffte hierdurch binnen kurzem die 300,000 Scudi
herauszuschlagen, von denen die neugeformte Kavallerie be-
stritten werden sollte. In Folge dieses Schachers und der Um-
gehung der Proben, sagt der modenesische Gesandte Guidi, sind
die habitos so gemein geworden in Madrid, dass z. B. ein früherer
Page, dann Kämmerer des Grafen Fulvio Testi, dort mit dem
Sant Jagokreuz umhergeht, zum Verdruss des Adels 1).

Anno 1515 III, 291) sagt: Volver la blanca de la carne absolutamente no es prueba
de hidalguia.
1) N'escono [delle prove] con onore anco i zapateri, interessando con denaro

Siebentes Buch.
ches doch am Ort beständig konsultirt werden musste. Kurz vor
ihrer Rückkehr beschloss der Ordensrath (am 26. Februar 1659),
„dass zwar die Reinheit (limpieza) des Bluts und Stamms er-
wiesen sei, nicht aber der Adel der mütterlichen Vorfahren, und
die Proben der Grossmutter von väterlicher Seite (D. Maria
Rodriguez) sowie der mütterlichen Grosseltern nicht gültig befun-
den werden könnten. Er solle nun den Adel seiner Baronie
im Weg des Processes verfechten und seinen Adelsbrief (carta
ejecutoria
) dem Rath einliefern.“

War denn also der Beweis nicht gelungen, „die Schmach der
Verzögerung und die Kosten eines neuen Verfahrens“ (Palomino)
unvermeidlich? … Welch ein Schauspiel für romantische Ge-
müther! Diese ängstliche Sorge, dass der blanke Schild durch
keinen Hauch von Zweifel getrübt werde, diese Gewissenhaftig-
keit, dem advocatus diaboli jeden Vorwand zum Gemurmel zu
entziehen, diese charaktervolle Unabhängigkeit, denn war die
Ertheilung des Habits nicht der Wille Seiner Majestät?

Wie passt aber hierzu, wenn man liest, wie ungezwungen
es sonst in jener Zeit bei solchen Ordensverleihungen herzugehn
pflegte? wie lax die Praxis, wie gesunken das Ansehn dieser
Ritterkreuze war, wenn auch nicht — ihr Preis. Als im Jahre
1621 dreissig Habits nach Flandern geschickt wurden für mili-
tärische Verdienste, lobte Quevedo diesen Entschluss des jungen
Königs, „der das Kreuz an denen sehn wolle, die es mit ihrem
Blut roth färben, statt mit dem Erröthen der Schande; in To-
desgefahr, nicht zwischen Mantillen“!

Beim Beginn des französischen Kriegs hatte die allgemeine
Kriegsjunta einen Beschluss gefasst, der die Orden ebenso feil
machte wie alles in Spanien. Wer sich um ein Habit bewarb,
hatte sich an den Grafen Castrillo zu wenden, der sie förmlich ver-
kaufte und sich die Gebühren der Proben in Madrid schwer bezah-
len liess. Man hoffte hierdurch binnen kurzem die 300,000 Scudi
herauszuschlagen, von denen die neugeformte Kavallerie be-
stritten werden sollte. In Folge dieses Schachers und der Um-
gehung der Proben, sagt der modenesische Gesandte Guidi, sind
die hábitos so gemein geworden in Madrid, dass z. B. ein früherer
Page, dann Kämmerer des Grafen Fulvio Testi, dort mit dem
Sant Jagokreuz umhergeht, zum Verdruss des Adels 1).

Año 1515 III, 291) sagt: Volver la blanca de la carne absolutamente no es prueba
de hidalguia.
1) N’escono [delle prove] con onore anco i zapateri, interessando con denaro
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[234/0254] Siebentes Buch. ches doch am Ort beständig konsultirt werden musste. Kurz vor ihrer Rückkehr beschloss der Ordensrath (am 26. Februar 1659), „dass zwar die Reinheit (limpieza) des Bluts und Stamms er- wiesen sei, nicht aber der Adel der mütterlichen Vorfahren, und die Proben der Grossmutter von väterlicher Seite (D. Maria Rodriguez) sowie der mütterlichen Grosseltern nicht gültig befun- den werden könnten. Er solle nun den Adel seiner Baronie im Weg des Processes verfechten und seinen Adelsbrief (carta ejecutoria) dem Rath einliefern.“ War denn also der Beweis nicht gelungen, „die Schmach der Verzögerung und die Kosten eines neuen Verfahrens“ (Palomino) unvermeidlich? … Welch ein Schauspiel für romantische Ge- müther! Diese ängstliche Sorge, dass der blanke Schild durch keinen Hauch von Zweifel getrübt werde, diese Gewissenhaftig- keit, dem advocatus diaboli jeden Vorwand zum Gemurmel zu entziehen, diese charaktervolle Unabhängigkeit, denn war die Ertheilung des Habits nicht der Wille Seiner Majestät? Wie passt aber hierzu, wenn man liest, wie ungezwungen es sonst in jener Zeit bei solchen Ordensverleihungen herzugehn pflegte? wie lax die Praxis, wie gesunken das Ansehn dieser Ritterkreuze war, wenn auch nicht — ihr Preis. Als im Jahre 1621 dreissig Habits nach Flandern geschickt wurden für mili- tärische Verdienste, lobte Quevedo diesen Entschluss des jungen Königs, „der das Kreuz an denen sehn wolle, die es mit ihrem Blut roth färben, statt mit dem Erröthen der Schande; in To- desgefahr, nicht zwischen Mantillen“! Beim Beginn des französischen Kriegs hatte die allgemeine Kriegsjunta einen Beschluss gefasst, der die Orden ebenso feil machte wie alles in Spanien. Wer sich um ein Habit bewarb, hatte sich an den Grafen Castrillo zu wenden, der sie förmlich ver- kaufte und sich die Gebühren der Proben in Madrid schwer bezah- len liess. Man hoffte hierdurch binnen kurzem die 300,000 Scudi herauszuschlagen, von denen die neugeformte Kavallerie be- stritten werden sollte. In Folge dieses Schachers und der Um- gehung der Proben, sagt der modenesische Gesandte Guidi, sind die hábitos so gemein geworden in Madrid, dass z. B. ein früherer Page, dann Kämmerer des Grafen Fulvio Testi, dort mit dem Sant Jagokreuz umhergeht, zum Verdruss des Adels 1). 3) 1) N’escono [delle prove] con onore anco i zapateri, interessando con denaro 3) Año 1515 III, 291) sagt: Volver la blanca de la carne absolutamente no es prueba de hidalguia.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/254>, abgerufen am 29.03.2024.