Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Buch.

Die Errichtung eines solchen Mausoleums war eine der we-
sentlichen, eigentlich die älteste Bestimmung des Riesenbaus
Philipp II. Carl V hatte letztwillig seine und der Kaiserin Reste
in eine gemeinschaftliche Grabstätte des Hauses beizusetzen ver-
fügt. Und grade diese Gruftkirche war der einzige Theil des
Escorial, der bei dem Tode des Erbauers unvollendet war und
so über ein halbes Jahrhundert geblieben ist.

Philipp II hatte schon im Jahre 1594 die Leichen aller ver-
storbenen Glieder seiner Familie, von der wahnsinnigen Johanna
an, nach S. Lorenzo überführen und vorläufig in der alten Kirche
beisetzen lassen. Zu ihrer letzten Ruhestätte war ein achteckiger
Rundbau bestimmt, "nach dem Vorbild der Katakomben der
alten Christen und ihres Märtyrkultus" in der Tiefe der Fun-
damente, unter dem Hochaltar. Uebelstände, die man weder
vorausgesehn, noch zu bewältigen vermochte, verhinderten die
Vollendung: doch drückt es die Denkweise des alten Königs aus,
wenn er sagte: "Er habe Gott ein Haus gebaut, sein Sohn möge
eins bauen, wenn er wolle, für seine Knochen und die seiner
Eltern." Jedenfalls war die Kapelle "abgelegen, traurig, dunkel
und schwer zugänglich." Er liess deshalb zwischen ihr und dem
Boden des Altarhauses eine zweite vorläufige Gruft in drei Stollen
(callejones) wölben, wo die Särge bis zum Jahre 1654 blieben 1).

Philipp III besann sich erst einige Jahre vor seinem Ende
auf den Wunsch des Vaters. Der Cardinal Zapata hatte in Rom
einen jungen päbstlichen Hofarchitekten kennen gelernt, den er
bewog ihm nach Madrid zu folgen (1617). Gio. Battista Cres-
cenzi wurde der Erbauer des Pantheon in seiner jetzigen Gestalt.
Nach dessen Plan sollten die Wände, nach einer Vertiefung des
Bodens um 51/2 Fuss, von Granit neu aufgemauert und mit Marmor,
Jaspis und Bronze reich inkrustirt werden; er machte eine Reise
nach Italien, um eine Anzahl von Fachleuten dafür anzuwerben.
Die Arbeit gedieh bis zur Kuppel; auch diese wurde im Anfang
der Regierung Philipp IV geschlossen.

Da zeigte sich zwischen den Steinfugen eine Quelle, deren
man nicht Herr werden konnte. Der Bau stand still; es wurde
vorgeschlagen, das Pantheon abzubrechen und an eine andere
Stelle zu versetzen. Erst im Jahre 1645 gelang es der Findig-
keit des dortigen Vicars, P. Fray Nicolas de Madrid, die Quelle

1) Sigüenza, Libro II cap. 15. De los Santos, Descripcion del Escorial.
Madrid 1657. S. 113 ff.
Siebentes Buch.

Die Errichtung eines solchen Mausoleums war eine der we-
sentlichen, eigentlich die älteste Bestimmung des Riesenbaus
Philipp II. Carl V hatte letztwillig seine und der Kaiserin Reste
in eine gemeinschaftliche Grabstätte des Hauses beizusetzen ver-
fügt. Und grade diese Gruftkirche war der einzige Theil des
Escorial, der bei dem Tode des Erbauers unvollendet war und
so über ein halbes Jahrhundert geblieben ist.

Philipp II hatte schon im Jahre 1594 die Leichen aller ver-
storbenen Glieder seiner Familie, von der wahnsinnigen Johanna
an, nach S. Lorenzo überführen und vorläufig in der alten Kirche
beisetzen lassen. Zu ihrer letzten Ruhestätte war ein achteckiger
Rundbau bestimmt, „nach dem Vorbild der Katakomben der
alten Christen und ihres Märtyrkultus“ in der Tiefe der Fun-
damente, unter dem Hochaltar. Uebelstände, die man weder
vorausgesehn, noch zu bewältigen vermochte, verhinderten die
Vollendung: doch drückt es die Denkweise des alten Königs aus,
wenn er sagte: „Er habe Gott ein Haus gebaut, sein Sohn möge
eins bauen, wenn er wolle, für seine Knochen und die seiner
Eltern.“ Jedenfalls war die Kapelle „abgelegen, traurig, dunkel
und schwer zugänglich.“ Er liess deshalb zwischen ihr und dem
Boden des Altarhauses eine zweite vorläufige Gruft in drei Stollen
(callejones) wölben, wo die Särge bis zum Jahre 1654 blieben 1).

Philipp III besann sich erst einige Jahre vor seinem Ende
auf den Wunsch des Vaters. Der Cardinal Zapata hatte in Rom
einen jungen päbstlichen Hofarchitekten kennen gelernt, den er
bewog ihm nach Madrid zu folgen (1617). Gio. Battista Cres-
cenzi wurde der Erbauer des Pantheon in seiner jetzigen Gestalt.
Nach dessen Plan sollten die Wände, nach einer Vertiefung des
Bodens um 5½ Fuss, von Granit neu aufgemauert und mit Marmor,
Jaspis und Bronze reich inkrustirt werden; er machte eine Reise
nach Italien, um eine Anzahl von Fachleuten dafür anzuwerben.
Die Arbeit gedieh bis zur Kuppel; auch diese wurde im Anfang
der Regierung Philipp IV geschlossen.

Da zeigte sich zwischen den Steinfugen eine Quelle, deren
man nicht Herr werden konnte. Der Bau stand still; es wurde
vorgeschlagen, das Pantheon abzubrechen und an eine andere
Stelle zu versetzen. Erst im Jahre 1645 gelang es der Findig-
keit des dortigen Vicars, P. Fray Nicolas de Madrid, die Quelle

1) Sigüenza, Libro II cap. 15. De los Santos, Descripcion del Escorial.
Madrid 1657. S. 113 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0256" n="236"/>
            <fw place="top" type="header">Siebentes Buch.</fw><lb/>
            <p>Die Errichtung eines solchen Mausoleums war eine der we-<lb/>
sentlichen, eigentlich die älteste Bestimmung des Riesenbaus<lb/>
Philipp II. Carl V hatte letztwillig seine und der Kaiserin Reste<lb/>
in eine gemeinschaftliche Grabstätte des Hauses beizusetzen ver-<lb/>
fügt. Und grade diese Gruftkirche war der einzige Theil des<lb/>
Escorial, der bei dem Tode des Erbauers unvollendet war und<lb/>
so über ein halbes Jahrhundert geblieben ist.</p><lb/>
            <p>Philipp II hatte schon im Jahre 1594 die Leichen aller ver-<lb/>
storbenen Glieder seiner Familie, von der wahnsinnigen Johanna<lb/>
an, nach S. Lorenzo überführen und vorläufig in der alten Kirche<lb/>
beisetzen lassen. Zu ihrer letzten Ruhestätte war ein achteckiger<lb/>
Rundbau bestimmt, &#x201E;nach dem Vorbild der Katakomben der<lb/>
alten Christen und ihres Märtyrkultus&#x201C; in der Tiefe der Fun-<lb/>
damente, unter dem Hochaltar. Uebelstände, die man weder<lb/>
vorausgesehn, noch zu bewältigen vermochte, verhinderten die<lb/>
Vollendung: doch drückt es die Denkweise des alten Königs aus,<lb/>
wenn er sagte: &#x201E;Er habe Gott ein Haus gebaut, sein Sohn möge<lb/>
eins bauen, wenn er wolle, für seine Knochen und die seiner<lb/>
Eltern.&#x201C; Jedenfalls war die Kapelle &#x201E;abgelegen, traurig, dunkel<lb/>
und schwer zugänglich.&#x201C; Er liess deshalb zwischen ihr und dem<lb/>
Boden des Altarhauses eine zweite vorläufige Gruft in drei Stollen<lb/>
(<hi rendition="#i">callejones</hi>) wölben, wo die Särge bis zum Jahre 1654 blieben <note place="foot" n="1)">Sigüenza, Libro II cap. 15. De los Santos, Descripcion del Escorial.<lb/>
Madrid 1657. S. 113 ff.</note>.</p><lb/>
            <p>Philipp III besann sich erst einige Jahre vor seinem Ende<lb/>
auf den Wunsch des Vaters. Der Cardinal Zapata hatte in Rom<lb/>
einen jungen päbstlichen Hofarchitekten kennen gelernt, den er<lb/>
bewog ihm nach Madrid zu folgen (1617). Gio. Battista Cres-<lb/>
cenzi wurde der Erbauer des Pantheon in seiner jetzigen Gestalt.<lb/>
Nach dessen Plan sollten die Wände, nach einer Vertiefung des<lb/>
Bodens um 5½ Fuss, von Granit neu aufgemauert und mit Marmor,<lb/>
Jaspis und Bronze reich inkrustirt werden; er machte eine Reise<lb/>
nach Italien, um eine Anzahl von Fachleuten dafür anzuwerben.<lb/>
Die Arbeit gedieh bis zur Kuppel; auch diese wurde im Anfang<lb/>
der Regierung Philipp IV geschlossen.</p><lb/>
            <p>Da zeigte sich zwischen den Steinfugen eine Quelle, deren<lb/>
man nicht Herr werden konnte. Der Bau stand still; es wurde<lb/>
vorgeschlagen, das Pantheon abzubrechen und an eine andere<lb/>
Stelle zu versetzen. Erst im Jahre 1645 gelang es der Findig-<lb/>
keit des dortigen Vicars, P. Fray Nicolas de Madrid, die Quelle<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0256] Siebentes Buch. Die Errichtung eines solchen Mausoleums war eine der we- sentlichen, eigentlich die älteste Bestimmung des Riesenbaus Philipp II. Carl V hatte letztwillig seine und der Kaiserin Reste in eine gemeinschaftliche Grabstätte des Hauses beizusetzen ver- fügt. Und grade diese Gruftkirche war der einzige Theil des Escorial, der bei dem Tode des Erbauers unvollendet war und so über ein halbes Jahrhundert geblieben ist. Philipp II hatte schon im Jahre 1594 die Leichen aller ver- storbenen Glieder seiner Familie, von der wahnsinnigen Johanna an, nach S. Lorenzo überführen und vorläufig in der alten Kirche beisetzen lassen. Zu ihrer letzten Ruhestätte war ein achteckiger Rundbau bestimmt, „nach dem Vorbild der Katakomben der alten Christen und ihres Märtyrkultus“ in der Tiefe der Fun- damente, unter dem Hochaltar. Uebelstände, die man weder vorausgesehn, noch zu bewältigen vermochte, verhinderten die Vollendung: doch drückt es die Denkweise des alten Königs aus, wenn er sagte: „Er habe Gott ein Haus gebaut, sein Sohn möge eins bauen, wenn er wolle, für seine Knochen und die seiner Eltern.“ Jedenfalls war die Kapelle „abgelegen, traurig, dunkel und schwer zugänglich.“ Er liess deshalb zwischen ihr und dem Boden des Altarhauses eine zweite vorläufige Gruft in drei Stollen (callejones) wölben, wo die Särge bis zum Jahre 1654 blieben 1). Philipp III besann sich erst einige Jahre vor seinem Ende auf den Wunsch des Vaters. Der Cardinal Zapata hatte in Rom einen jungen päbstlichen Hofarchitekten kennen gelernt, den er bewog ihm nach Madrid zu folgen (1617). Gio. Battista Cres- cenzi wurde der Erbauer des Pantheon in seiner jetzigen Gestalt. Nach dessen Plan sollten die Wände, nach einer Vertiefung des Bodens um 5½ Fuss, von Granit neu aufgemauert und mit Marmor, Jaspis und Bronze reich inkrustirt werden; er machte eine Reise nach Italien, um eine Anzahl von Fachleuten dafür anzuwerben. Die Arbeit gedieh bis zur Kuppel; auch diese wurde im Anfang der Regierung Philipp IV geschlossen. Da zeigte sich zwischen den Steinfugen eine Quelle, deren man nicht Herr werden konnte. Der Bau stand still; es wurde vorgeschlagen, das Pantheon abzubrechen und an eine andere Stelle zu versetzen. Erst im Jahre 1645 gelang es der Findig- keit des dortigen Vicars, P. Fray Nicolas de Madrid, die Quelle 1) Sigüenza, Libro II cap. 15. De los Santos, Descripcion del Escorial. Madrid 1657. S. 113 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/256
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/256>, abgerufen am 19.04.2024.