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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Kirchenbilder der letzten Zeit.
Die Krönung der Maria.

In diesen Jahren hat sich der Hofmaler noch einmal Dar-
stellungen religiösen Inhalts zugewandt. Die dritte und letzte
Gruppe seiner Kirchenbilder besteht aus zwei sehr eigenthüm-
lichen Stücken.

Die Krönung U. L. F., unternommen wohl auf höhere Ver-
anlassung, war bestimmt für das Oratorium der Wohnung seiner
neuen Herrin, der Königin Marianne, der er sich hier mit einer
Arbeit seiner Hand vorstellen sollte 1). Es war diess ein Stoff
halb symbolischen, halb musikalischen Stils, für dessen Behand-
lung die mittelalterliche Kunst mit ihren typischen Formen,
feierlich prächtigen Kultusgewändern, Thronen und Mandorlen
mehr Beruf hatte, als die realistische Malerei des siebzehnten
Jahrhunderts, welche sich mit richtigem Takt für das ihr Erreich-
bare an die volksthümlichen Bethlehemscenen, die Passion, die
Mönchsgeschichten zu halten pflegte. Nur die Meister der Bewe-
gung, der Ekstase und des Helldunkels verstanden auch aus
diesem Mysterium in ihrer Art Grosses zu machen, -- wie Cor-
reggio in der Tribune von S. Giovanni. Merkwürdiger Weise
hat Murillo die Krönung der Maria nie gemalt.

Unser Künstler hat die Bedingungen der Darstellung
gewiss reiflich überlegt und ist nicht ohne ein durchgearbeitetes.
Programm zur Ausführung geschritten. Ihm konnte nicht ent-
gehn, dass in einer solchen Wolkencerimonie Erinnerungen an
die Wirklichkeit störend sein mussten, dass man den Gläubigen
die althergebrachten Scenen vorführen müsse, neu belebt weniger
durch Naturstudien, als durch Adel der Formen, Erhabenheit

1) Grösse 1,76 x 1,34. Mit dem in den alten Inventaren aufgeführten Ge-
mälde La Trinidad ist unser Bild gemeint (Band I, S. 151 Anmerkung).
Kirchenbilder der letzten Zeit.
Die Krönung der Maria.

In diesen Jahren hat sich der Hofmaler noch einmal Dar-
stellungen religiösen Inhalts zugewandt. Die dritte und letzte
Gruppe seiner Kirchenbilder besteht aus zwei sehr eigenthüm-
lichen Stücken.

Die Krönung U. L. F., unternommen wohl auf höhere Ver-
anlassung, war bestimmt für das Oratorium der Wohnung seiner
neuen Herrin, der Königin Marianne, der er sich hier mit einer
Arbeit seiner Hand vorstellen sollte 1). Es war diess ein Stoff
halb symbolischen, halb musikalischen Stils, für dessen Behand-
lung die mittelalterliche Kunst mit ihren typischen Formen,
feierlich prächtigen Kultusgewändern, Thronen und Mandorlen
mehr Beruf hatte, als die realistische Malerei des siebzehnten
Jahrhunderts, welche sich mit richtigem Takt für das ihr Erreich-
bare an die volksthümlichen Bethlehemscenen, die Passion, die
Mönchsgeschichten zu halten pflegte. Nur die Meister der Bewe-
gung, der Ekstase und des Helldunkels verstanden auch aus
diesem Mysterium in ihrer Art Grosses zu machen, — wie Cor-
reggio in der Tribune von S. Giovanni. Merkwürdiger Weise
hat Murillo die Krönung der Maria nie gemalt.

Unser Künstler hat die Bedingungen der Darstellung
gewiss reiflich überlegt und ist nicht ohne ein durchgearbeitetes.
Programm zur Ausführung geschritten. Ihm konnte nicht ent-
gehn, dass in einer solchen Wolkencerimonie Erinnerungen an
die Wirklichkeit störend sein mussten, dass man den Gläubigen
die althergebrachten Scenen vorführen müsse, neu belebt weniger
durch Naturstudien, als durch Adel der Formen, Erhabenheit

1) Grösse 1,76 × 1,34. Mit dem in den alten Inventaren aufgeführten Ge-
mälde La Trinidad ist unser Bild gemeint (Band I, S. 151 Anmerkung).
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[[373]/0397] Kirchenbilder der letzten Zeit. Die Krönung der Maria. In diesen Jahren hat sich der Hofmaler noch einmal Dar- stellungen religiösen Inhalts zugewandt. Die dritte und letzte Gruppe seiner Kirchenbilder besteht aus zwei sehr eigenthüm- lichen Stücken. Die Krönung U. L. F., unternommen wohl auf höhere Ver- anlassung, war bestimmt für das Oratorium der Wohnung seiner neuen Herrin, der Königin Marianne, der er sich hier mit einer Arbeit seiner Hand vorstellen sollte 1). Es war diess ein Stoff halb symbolischen, halb musikalischen Stils, für dessen Behand- lung die mittelalterliche Kunst mit ihren typischen Formen, feierlich prächtigen Kultusgewändern, Thronen und Mandorlen mehr Beruf hatte, als die realistische Malerei des siebzehnten Jahrhunderts, welche sich mit richtigem Takt für das ihr Erreich- bare an die volksthümlichen Bethlehemscenen, die Passion, die Mönchsgeschichten zu halten pflegte. Nur die Meister der Bewe- gung, der Ekstase und des Helldunkels verstanden auch aus diesem Mysterium in ihrer Art Grosses zu machen, — wie Cor- reggio in der Tribune von S. Giovanni. Merkwürdiger Weise hat Murillo die Krönung der Maria nie gemalt. Unser Künstler hat die Bedingungen der Darstellung gewiss reiflich überlegt und ist nicht ohne ein durchgearbeitetes. Programm zur Ausführung geschritten. Ihm konnte nicht ent- gehn, dass in einer solchen Wolkencerimonie Erinnerungen an die Wirklichkeit störend sein mussten, dass man den Gläubigen die althergebrachten Scenen vorführen müsse, neu belebt weniger durch Naturstudien, als durch Adel der Formen, Erhabenheit 1) Grösse 1,76 × 1,34. Mit dem in den alten Inventaren aufgeführten Ge- mälde La Trinidad ist unser Bild gemeint (Band I, S. 151 Anmerkung).

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. [373]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/397>, abgerufen am 29.03.2024.