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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Chevreuse.
Herberge, in Mannskleidern; sie soll die Somme durchschwommen
haben. Sie schrieb an den Vicekönig von Aragon, Marques de
los Velez, der sofort dem König berichtete. Eine Einladung an
den Hof folgte, nebst Vorzeichnung des Wegs, auf dem für fürst-
liche Aufnahme gesorgt war: zu Barbastro wohnte sie im Palast
des Bischofs, zu Saragossa in dem des Vicekönigs (10. Oktober).
Man war begierig, die Freundin der ältesten Schwester des
Königs, von der man seit zwanzig Jahren abgeschnitten war,
ausfragen zu können; noch mehr, die in Spanien kaum vorkom-
mende Species der politischen Dame sich anzusehen, und eine die
sich rühmen konnte, von Richelieu als Feindin behandelt zu
werden. Besonders Olivares war ungeduldig eine Person zu
begrüssen, mit der er sich in seiner tiefsten Empfindung be-
gegnete; um sich den ungestörten Genuss dieses Seelenaustausches
unter vier Augen zu verschaffen, eilte er ihr nach Barajas, zwei
Meilen von Madrid, entgegen. Cardinal Retz sagt, ihre Einfälle
seien gewesen wie Blitze, aber die gesetztesten Köpfe hätten
ihre Richtigkeit zugeben müssen. Wie mögen die tückischen
braunen Augen gefunkelt, der eingefallene Mund geschmunzelt
haben, als die 37jährige Französin mit bekannter Volubilität den
auf der langen Reise angesammelten Groll in einem Schauer von
Pfeilen losliess, dessen seltene und kurze Pausen Don Gaspar
mit eben so scharfzugespitzten, aber wuchtigeren Sentenzen in
dem starkgefärbten Stil, den er liebte, ausfüllte. Sie sagte her-
nach: "die Gegenwart überstrahle noch den Ruf eines so grossen
Ministers". Am fünften December hielt sie, geleitet von den
zu ihrem Empfang abgesandten Hofdamen, einen förmlichen
Einzug. Seine Majestät konnte die Vorstellung einer Dame, von
der man gesagt hat, dass sie alle Fürsten, denen sie genaht, ver-
liebt zu machen verstanden, nicht erwarten: er erschien bei der
Vorüberfahrt in einem Fenster des Palasts von Buen Retiro.
Sie erhielt eine Wohnung im Palast Alba.

In der Audienz bei der Königin Elisabeth rühmte sie in
geflügelten Worten die Schönheit deren jüngerer Schwester,
Henriette von England, von der sie ein Bildniss mit sich führte,
welches Ihre Majestät sich ausbat. Sie hatte diese vorher um
das ihrige ersucht, um es der Schwester nach London (wohin sie
im Februar abreiste) mitzunehmen. Donna Isabel hatte es auch
gewährt.

Bei der ihr zu Ehren veranstalteten grossen Jagd im Pardo
fuhr sie an der Seite der Königin, mit der Prinzessin von Carignan.

Die Chevreuse.
Herberge, in Mannskleidern; sie soll die Somme durchschwommen
haben. Sie schrieb an den Vicekönig von Aragon, Marques de
los Velez, der sofort dem König berichtete. Eine Einladung an
den Hof folgte, nebst Vorzeichnung des Wegs, auf dem für fürst-
liche Aufnahme gesorgt war: zu Barbastro wohnte sie im Palast
des Bischofs, zu Saragossa in dem des Vicekönigs (10. Oktober).
Man war begierig, die Freundin der ältesten Schwester des
Königs, von der man seit zwanzig Jahren abgeschnitten war,
ausfragen zu können; noch mehr, die in Spanien kaum vorkom-
mende Species der politischen Dame sich anzusehen, und eine die
sich rühmen konnte, von Richelieu als Feindin behandelt zu
werden. Besonders Olivares war ungeduldig eine Person zu
begrüssen, mit der er sich in seiner tiefsten Empfindung be-
gegnete; um sich den ungestörten Genuss dieses Seelenaustausches
unter vier Augen zu verschaffen, eilte er ihr nach Barajas, zwei
Meilen von Madrid, entgegen. Cardinal Retz sagt, ihre Einfälle
seien gewesen wie Blitze, aber die gesetztesten Köpfe hätten
ihre Richtigkeit zugeben müssen. Wie mögen die tückischen
braunen Augen gefunkelt, der eingefallene Mund geschmunzelt
haben, als die 37jährige Französin mit bekannter Volubilität den
auf der langen Reise angesammelten Groll in einem Schauer von
Pfeilen losliess, dessen seltene und kurze Pausen Don Gaspar
mit eben so scharfzugespitzten, aber wuchtigeren Sentenzen in
dem starkgefärbten Stil, den er liebte, ausfüllte. Sie sagte her-
nach: „die Gegenwart überstrahle noch den Ruf eines so grossen
Ministers“. Am fünften December hielt sie, geleitet von den
zu ihrem Empfang abgesandten Hofdamen, einen förmlichen
Einzug. Seine Majestät konnte die Vorstellung einer Dame, von
der man gesagt hat, dass sie alle Fürsten, denen sie genaht, ver-
liebt zu machen verstanden, nicht erwarten: er erschien bei der
Vorüberfahrt in einem Fenster des Palasts von Buen Retiro.
Sie erhielt eine Wohnung im Palast Alba.

In der Audienz bei der Königin Elisabeth rühmte sie in
geflügelten Worten die Schönheit deren jüngerer Schwester,
Henriette von England, von der sie ein Bildniss mit sich führte,
welches Ihre Majestät sich ausbat. Sie hatte diese vorher um
das ihrige ersucht, um es der Schwester nach London (wohin sie
im Februar abreiste) mitzunehmen. Doña Isabel hatte es auch
gewährt.

Bei der ihr zu Ehren veranstalteten grossen Jagd im Pardo
fuhr sie an der Seite der Königin, mit der Prinzessin von Carignan.

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[31/0051] Die Chevreuse. Herberge, in Mannskleidern; sie soll die Somme durchschwommen haben. Sie schrieb an den Vicekönig von Aragon, Marques de los Velez, der sofort dem König berichtete. Eine Einladung an den Hof folgte, nebst Vorzeichnung des Wegs, auf dem für fürst- liche Aufnahme gesorgt war: zu Barbastro wohnte sie im Palast des Bischofs, zu Saragossa in dem des Vicekönigs (10. Oktober). Man war begierig, die Freundin der ältesten Schwester des Königs, von der man seit zwanzig Jahren abgeschnitten war, ausfragen zu können; noch mehr, die in Spanien kaum vorkom- mende Species der politischen Dame sich anzusehen, und eine die sich rühmen konnte, von Richelieu als Feindin behandelt zu werden. Besonders Olivares war ungeduldig eine Person zu begrüssen, mit der er sich in seiner tiefsten Empfindung be- gegnete; um sich den ungestörten Genuss dieses Seelenaustausches unter vier Augen zu verschaffen, eilte er ihr nach Barajas, zwei Meilen von Madrid, entgegen. Cardinal Retz sagt, ihre Einfälle seien gewesen wie Blitze, aber die gesetztesten Köpfe hätten ihre Richtigkeit zugeben müssen. Wie mögen die tückischen braunen Augen gefunkelt, der eingefallene Mund geschmunzelt haben, als die 37jährige Französin mit bekannter Volubilität den auf der langen Reise angesammelten Groll in einem Schauer von Pfeilen losliess, dessen seltene und kurze Pausen Don Gaspar mit eben so scharfzugespitzten, aber wuchtigeren Sentenzen in dem starkgefärbten Stil, den er liebte, ausfüllte. Sie sagte her- nach: „die Gegenwart überstrahle noch den Ruf eines so grossen Ministers“. Am fünften December hielt sie, geleitet von den zu ihrem Empfang abgesandten Hofdamen, einen förmlichen Einzug. Seine Majestät konnte die Vorstellung einer Dame, von der man gesagt hat, dass sie alle Fürsten, denen sie genaht, ver- liebt zu machen verstanden, nicht erwarten: er erschien bei der Vorüberfahrt in einem Fenster des Palasts von Buen Retiro. Sie erhielt eine Wohnung im Palast Alba. In der Audienz bei der Königin Elisabeth rühmte sie in geflügelten Worten die Schönheit deren jüngerer Schwester, Henriette von England, von der sie ein Bildniss mit sich führte, welches Ihre Majestät sich ausbat. Sie hatte diese vorher um das ihrige ersucht, um es der Schwester nach London (wohin sie im Februar abreiste) mitzunehmen. Doña Isabel hatte es auch gewährt. Bei der ihr zu Ehren veranstalteten grossen Jagd im Pardo fuhr sie an der Seite der Königin, mit der Prinzessin von Carignan.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/51>, abgerufen am 28.03.2024.