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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Isabella von Bourbon.
gewählt. Es ist eine hügelige, sparsam mit Gebüsch und Unter-
holz bedeckte Wildniss. Der Vordergrund ist durch keinen
Baum, keine Masse markirt. Rechts ein flacher Hügel, links
eine abwärts gehende Schlucht, die Aussicht nach einem Wasser
öffnend, daran ein Kirchlein mit Thurm von vier Spitzen, eine
Burg mit Warte, die nebelhaften Berge jenseits kaum von den
Wolken zu unterscheiden. --

Die grosse Mehrzahl ihrer Bildnisse ausserhalb Spaniens
sind Schulbilder, unter den Augen des Meisters nach dessen
Entwurf oder mit eigner, ziemlich lauer Betheiligung gearbeitet.
Viele scheinen während ihres Lebens an fremde Höfe geschenkt
worden zu sein. Das, welches am meisten auf Originalität An-
spruch machen kann, ist die kleine Wiederholung unsers Reiter-
bilds, welche ums Jahr 1874 im Magazin der Uffizien zum Vor-
schein kam; es stimmt mit jenem bis auf die sorgfältig behan-
delte Landschaft und die fremde Hand im Kostüm. Möglicher
Weise ist sie mit dem Reiterbild Philipp IV im Pitti ums Jahr 1638
nach Florenz geschickt worden. Die grosse Figur in Hampton-
court scheint ebenfalls mit der des Königs und in demselben
Jahre übersandt worden zu sein 1). Hier steht sie vor einem
mächtigen Säulenschaft; ein Hündchen bellt an ihr auf. Der
braune, wie verschossene Holzton ist unerfreulich, auch die Hände
ihrer nicht würdig. Ganz ähnlich ist das neuerdings hervorge-
zogene Kniestück in der kaiserlichen Galerie zu Wien; und ein
wie mir schien, besseres Exemplar in der Sammlung Henry
Huth's, das aus der spanischen Galerie des Louvre (Nr. 249)
stammte und beim Verkauf 300 £ erzielte. Eine jugendliche
Halbfigur in gelbem Kleid mit dunklen Blumen erwarb Richard
Ford aus der Sammlung des Generals Meade (25" x 19"). In
allen kehrt das Gesicht des Reiterbilds wieder, mehr oder weniger
gealtert, der Ausdruck ernst und klug; in der Linken hält sie
den zusammengefalteten Fächer, mit der Rechten fasst sie die
Stuhllehne: meist trägt sie ein silbergesticktes gestepptes
Kleid mit Schneppenleib, glockenartig sich ausbreitend und

1) I shall have the King and Queenes pictures for the Queene, schreibt Sir
A. Hopeton am 26. Juli 1638; Sainsbury, Rubens 353. Am 29. October 1651 unter
dem Commonwealth verkauft: "The now Queen of Spain at length", mit dem Por-
trät des Königs, für £ 40. Mrs. Jameson nennt es "a very intelligent face, with an
expression of consideration and decision". Companion to the private galleries of
art in London. L. 1844 p. 307. Hamptoncourt, Nr. 90. 99 x 58. Stirling besass
eine Miniatur; ein Stich danach auf dem Titel seiner Biographie des Velazquez.

Isabella von Bourbon.
gewählt. Es ist eine hügelige, sparsam mit Gebüsch und Unter-
holz bedeckte Wildniss. Der Vordergrund ist durch keinen
Baum, keine Masse markirt. Rechts ein flacher Hügel, links
eine abwärts gehende Schlucht, die Aussicht nach einem Wasser
öffnend, daran ein Kirchlein mit Thurm von vier Spitzen, eine
Burg mit Warte, die nebelhaften Berge jenseits kaum von den
Wolken zu unterscheiden. —

Die grosse Mehrzahl ihrer Bildnisse ausserhalb Spaniens
sind Schulbilder, unter den Augen des Meisters nach dessen
Entwurf oder mit eigner, ziemlich lauer Betheiligung gearbeitet.
Viele scheinen während ihres Lebens an fremde Höfe geschenkt
worden zu sein. Das, welches am meisten auf Originalität An-
spruch machen kann, ist die kleine Wiederholung unsers Reiter-
bilds, welche ums Jahr 1874 im Magazin der Uffizien zum Vor-
schein kam; es stimmt mit jenem bis auf die sorgfältig behan-
delte Landschaft und die fremde Hand im Kostüm. Möglicher
Weise ist sie mit dem Reiterbild Philipp IV im Pitti ums Jahr 1638
nach Florenz geschickt worden. Die grosse Figur in Hampton-
court scheint ebenfalls mit der des Königs und in demselben
Jahre übersandt worden zu sein 1). Hier steht sie vor einem
mächtigen Säulenschaft; ein Hündchen bellt an ihr auf. Der
braune, wie verschossene Holzton ist unerfreulich, auch die Hände
ihrer nicht würdig. Ganz ähnlich ist das neuerdings hervorge-
zogene Kniestück in der kaiserlichen Galerie zu Wien; und ein
wie mir schien, besseres Exemplar in der Sammlung Henry
Huth’s, das aus der spanischen Galerie des Louvre (Nr. 249)
stammte und beim Verkauf 300 £ erzielte. Eine jugendliche
Halbfigur in gelbem Kleid mit dunklen Blumen erwarb Richard
Ford aus der Sammlung des Generals Meade (25″ × 19″). In
allen kehrt das Gesicht des Reiterbilds wieder, mehr oder weniger
gealtert, der Ausdruck ernst und klug; in der Linken hält sie
den zusammengefalteten Fächer, mit der Rechten fasst sie die
Stuhllehne: meist trägt sie ein silbergesticktes gestepptes
Kleid mit Schneppenleib, glockenartig sich ausbreitend und

1) I shall have the King and Queenes pictures for the Queene, schreibt Sir
A. Hopeton am 26. Juli 1638; Sainsbury, Rubens 353. Am 29. October 1651 unter
dem Commonwealth verkauft: „The now Queen of Spain at length“, mit dem Por-
trät des Königs, für £ 40. Mrs. Jameson nennt es „a very intelligent face, with an
expression of consideration and decision“. Companion to the private galleries of
art in London. L. 1844 p. 307. Hamptoncourt, Nr. 90. 99 × 58. Stirling besass
eine Miniatur; ein Stich danach auf dem Titel seiner Biographie des Velazquez.
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[37/0057] Isabella von Bourbon. gewählt. Es ist eine hügelige, sparsam mit Gebüsch und Unter- holz bedeckte Wildniss. Der Vordergrund ist durch keinen Baum, keine Masse markirt. Rechts ein flacher Hügel, links eine abwärts gehende Schlucht, die Aussicht nach einem Wasser öffnend, daran ein Kirchlein mit Thurm von vier Spitzen, eine Burg mit Warte, die nebelhaften Berge jenseits kaum von den Wolken zu unterscheiden. — Die grosse Mehrzahl ihrer Bildnisse ausserhalb Spaniens sind Schulbilder, unter den Augen des Meisters nach dessen Entwurf oder mit eigner, ziemlich lauer Betheiligung gearbeitet. Viele scheinen während ihres Lebens an fremde Höfe geschenkt worden zu sein. Das, welches am meisten auf Originalität An- spruch machen kann, ist die kleine Wiederholung unsers Reiter- bilds, welche ums Jahr 1874 im Magazin der Uffizien zum Vor- schein kam; es stimmt mit jenem bis auf die sorgfältig behan- delte Landschaft und die fremde Hand im Kostüm. Möglicher Weise ist sie mit dem Reiterbild Philipp IV im Pitti ums Jahr 1638 nach Florenz geschickt worden. Die grosse Figur in Hampton- court scheint ebenfalls mit der des Königs und in demselben Jahre übersandt worden zu sein 1). Hier steht sie vor einem mächtigen Säulenschaft; ein Hündchen bellt an ihr auf. Der braune, wie verschossene Holzton ist unerfreulich, auch die Hände ihrer nicht würdig. Ganz ähnlich ist das neuerdings hervorge- zogene Kniestück in der kaiserlichen Galerie zu Wien; und ein wie mir schien, besseres Exemplar in der Sammlung Henry Huth’s, das aus der spanischen Galerie des Louvre (Nr. 249) stammte und beim Verkauf 300 £ erzielte. Eine jugendliche Halbfigur in gelbem Kleid mit dunklen Blumen erwarb Richard Ford aus der Sammlung des Generals Meade (25″ × 19″). In allen kehrt das Gesicht des Reiterbilds wieder, mehr oder weniger gealtert, der Ausdruck ernst und klug; in der Linken hält sie den zusammengefalteten Fächer, mit der Rechten fasst sie die Stuhllehne: meist trägt sie ein silbergesticktes gestepptes Kleid mit Schneppenleib, glockenartig sich ausbreitend und 1) I shall have the King and Queenes pictures for the Queene, schreibt Sir A. Hopeton am 26. Juli 1638; Sainsbury, Rubens 353. Am 29. October 1651 unter dem Commonwealth verkauft: „The now Queen of Spain at length“, mit dem Por- trät des Königs, für £ 40. Mrs. Jameson nennt es „a very intelligent face, with an expression of consideration and decision“. Companion to the private galleries of art in London. L. 1844 p. 307. Hamptoncourt, Nr. 90. 99 × 58. Stirling besass eine Miniatur; ein Stich danach auf dem Titel seiner Biographie des Velazquez.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/57>, abgerufen am 29.03.2024.