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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Zehnt. Kap. Von den vierfüßigen Thieren, Vögeln etc.

Affen sind hier wenig; sie sind gelehrig, haben lichtbraune Haare, kurze
Schwänze, und nakte rothe Gesichter und Hintersten. Ein Landstreicher lies bei meinem
Daseyn einen Affen, von dem er vorgab, er sei 106 Jahr alt, für Geld vielerlei Künste
machen. Bären giebt es in den nordlichen Provinzen, aber wenig und von kleiner Art.
Tanuki ist ein schwarzbraunes Thier, hat ein Maul wie ein Fuchs, und scheint wol eine
kleine Art von Wölfen zu seyn. Die wilden Hunde haben große weitgespaltene Schnau-
zen. Jtatz ist ein röthliches Thier, wie ein Muncus, oder kleiner Jltis. Eine andere
größere Art wird Tin genant. Sie halten sich in Häusern und unter Dächern auf, beinahe
wie zahm. Sie sollen nicht allein Hühner, sondern auch Fische fangen.

Ratten und Mäuse.

Ratten und Mäuse giebts überflüssig. Diese wissen sie zahm zu machen, und
zu allerlei Künsten abzurichten, welches ein Vergnügen und Zeitvertreib einiger armen Leute
ist, besonders in Osacca, welche Stadt ein algemeiner Schauplaz des ganzen Reichs ist,
wo man allerlei Seltenheiten und Spiele für Geld zu sehen findet.

Füchse.

Füchse giebts gleichfals im Ueberflus. Die Japaner glauben, daß sie mehren-
theils mit Teufeln beselt sind, und führen dieselben und ihre Handlungen in geistlichen Hi-
storien vielfältig an. Die Jäger wissen aber dennoch recht wohl diesen Teufeln das Fel über
die Ohren zu ziehen; weil man die weiche Wolle zu Schreib- und Mahlpinseln nicht entbeh-
ren kan. Man machet unter dem Teufel Kis oder Fuchs und Oni einen Unterscheid,
wie in Schweden unter Faan und Dieblen.

Von Tiegern, Panthern, Löwen und andern reißenden Thieren ist das Land
befreiet.

Weiße Ameisen.

Unter dem schädlichen Ungeziefer sind die vornehmsten, die durch ganz Jndien so-
genanten weißen Ameisen. Dies sind schneeweiße zarte Würmchen; sie leben in Haufen
wie Ameisen, und gleichen ihnen auch an Größe und einigermaßen an Gestalt; Brust und
Kopf ist bräunlich und hart. Von den Japanern werden sie do Toos, das ist Durch-
bohrer
genant, weil sie alles, was ihnen vorkomt, außer Erz und Stein, in wenigen
Stunden durchfressen, und die kostbaresten Waren in den Pakhäusern der Kaufleute ver-
derben. Sie können blos durch Unterstreuung des gemeinen Salzes abgehalten werden.
Jhre Todfeinde sind die schwärzlichen oder würklichen Ameisen; wo diese hinkommen, müssen

jene
Zehnt. Kap. Von den vierfuͤßigen Thieren, Voͤgeln ꝛc.

Affen ſind hier wenig; ſie ſind gelehrig, haben lichtbraune Haare, kurze
Schwaͤnze, und nakte rothe Geſichter und Hinterſten. Ein Landſtreicher lies bei meinem
Daſeyn einen Affen, von dem er vorgab, er ſei 106 Jahr alt, fuͤr Geld vielerlei Kuͤnſte
machen. Baͤren giebt es in den nordlichen Provinzen, aber wenig und von kleiner Art.
Tanuki iſt ein ſchwarzbraunes Thier, hat ein Maul wie ein Fuchs, und ſcheint wol eine
kleine Art von Woͤlfen zu ſeyn. Die wilden Hunde haben große weitgeſpaltene Schnau-
zen. Jtatz iſt ein roͤthliches Thier, wie ein Muncus, oder kleiner Jltis. Eine andere
groͤßere Art wird Tin genant. Sie halten ſich in Haͤuſern und unter Daͤchern auf, beinahe
wie zahm. Sie ſollen nicht allein Huͤhner, ſondern auch Fiſche fangen.

Ratten und Maͤuſe.

Ratten und Maͤuſe giebts uͤberfluͤſſig. Dieſe wiſſen ſie zahm zu machen, und
zu allerlei Kuͤnſten abzurichten, welches ein Vergnuͤgen und Zeitvertreib einiger armen Leute
iſt, beſonders in Oſacca, welche Stadt ein algemeiner Schauplaz des ganzen Reichs iſt,
wo man allerlei Seltenheiten und Spiele fuͤr Geld zu ſehen findet.

Fuͤchſe.

Fuͤchſe giebts gleichfals im Ueberflus. Die Japaner glauben, daß ſie mehren-
theils mit Teufeln beſelt ſind, und fuͤhren dieſelben und ihre Handlungen in geiſtlichen Hi-
ſtorien vielfaͤltig an. Die Jaͤger wiſſen aber dennoch recht wohl dieſen Teufeln das Fel uͤber
die Ohren zu ziehen; weil man die weiche Wolle zu Schreib- und Mahlpinſeln nicht entbeh-
ren kan. Man machet unter dem Teufel Kis oder Fuchs und Oni einen Unterſcheid,
wie in Schweden unter Faan und Dieblen.

Von Tiegern, Panthern, Loͤwen und andern reißenden Thieren iſt das Land
befreiet.

Weiße Ameiſen.

Unter dem ſchaͤdlichen Ungeziefer ſind die vornehmſten, die durch ganz Jndien ſo-
genanten weißen Ameiſen. Dies ſind ſchneeweiße zarte Wuͤrmchen; ſie leben in Haufen
wie Ameiſen, und gleichen ihnen auch an Groͤße und einigermaßen an Geſtalt; Bruſt und
Kopf iſt braͤunlich und hart. Von den Japanern werden ſie do Toos, das iſt Durch-
bohrer
genant, weil ſie alles, was ihnen vorkomt, außer Erz und Stein, in wenigen
Stunden durchfreſſen, und die koſtbareſten Waren in den Pakhaͤuſern der Kaufleute ver-
derben. Sie koͤnnen blos durch Unterſtreuung des gemeinen Salzes abgehalten werden.
Jhre Todfeinde ſind die ſchwaͤrzlichen oder wuͤrklichen Ameiſen; wo dieſe hinkommen, muͤſſen

jene
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[143/0233] Zehnt. Kap. Von den vierfuͤßigen Thieren, Voͤgeln ꝛc. Affen ſind hier wenig; ſie ſind gelehrig, haben lichtbraune Haare, kurze Schwaͤnze, und nakte rothe Geſichter und Hinterſten. Ein Landſtreicher lies bei meinem Daſeyn einen Affen, von dem er vorgab, er ſei 106 Jahr alt, fuͤr Geld vielerlei Kuͤnſte machen. Baͤren giebt es in den nordlichen Provinzen, aber wenig und von kleiner Art. Tanuki iſt ein ſchwarzbraunes Thier, hat ein Maul wie ein Fuchs, und ſcheint wol eine kleine Art von Woͤlfen zu ſeyn. Die wilden Hunde haben große weitgeſpaltene Schnau- zen. Jtatz iſt ein roͤthliches Thier, wie ein Muncus, oder kleiner Jltis. Eine andere groͤßere Art wird Tin genant. Sie halten ſich in Haͤuſern und unter Daͤchern auf, beinahe wie zahm. Sie ſollen nicht allein Huͤhner, ſondern auch Fiſche fangen. Ratten und Maͤuſe. Ratten und Maͤuſe giebts uͤberfluͤſſig. Dieſe wiſſen ſie zahm zu machen, und zu allerlei Kuͤnſten abzurichten, welches ein Vergnuͤgen und Zeitvertreib einiger armen Leute iſt, beſonders in Oſacca, welche Stadt ein algemeiner Schauplaz des ganzen Reichs iſt, wo man allerlei Seltenheiten und Spiele fuͤr Geld zu ſehen findet. Fuͤchſe. Fuͤchſe giebts gleichfals im Ueberflus. Die Japaner glauben, daß ſie mehren- theils mit Teufeln beſelt ſind, und fuͤhren dieſelben und ihre Handlungen in geiſtlichen Hi- ſtorien vielfaͤltig an. Die Jaͤger wiſſen aber dennoch recht wohl dieſen Teufeln das Fel uͤber die Ohren zu ziehen; weil man die weiche Wolle zu Schreib- und Mahlpinſeln nicht entbeh- ren kan. Man machet unter dem Teufel Kis oder Fuchs und Oni einen Unterſcheid, wie in Schweden unter Faan und Dieblen. Von Tiegern, Panthern, Loͤwen und andern reißenden Thieren iſt das Land befreiet. Weiße Ameiſen. Unter dem ſchaͤdlichen Ungeziefer ſind die vornehmſten, die durch ganz Jndien ſo- genanten weißen Ameiſen. Dies ſind ſchneeweiße zarte Wuͤrmchen; ſie leben in Haufen wie Ameiſen, und gleichen ihnen auch an Groͤße und einigermaßen an Geſtalt; Bruſt und Kopf iſt braͤunlich und hart. Von den Japanern werden ſie do Toos, das iſt Durch- bohrer genant, weil ſie alles, was ihnen vorkomt, außer Erz und Stein, in wenigen Stunden durchfreſſen, und die koſtbareſten Waren in den Pakhaͤuſern der Kaufleute ver- derben. Sie koͤnnen blos durch Unterſtreuung des gemeinen Salzes abgehalten werden. Jhre Todfeinde ſind die ſchwaͤrzlichen oder wuͤrklichen Ameiſen; wo dieſe hinkommen, muͤſſen jene

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/233>, abgerufen am 29.03.2024.