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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Zehnt. Kap. Von den vierfüßigen Thieren, Vögeln etc.
Jamakogath.

Eine ungemein große Schlange Jamakogath oder gebräuchlicher Uwabami, auch
Dsja, das ist, Drache genant, hält sich in Bergen und Wässern auf. Man trift sie
selten an; wenn man sie aber fängt, so lässet man sie für Geld sehen.

Hühner.

An geflügelten zahmen Thieren unterhält man Hühner und auch bisweilen
Enten. Sie werden aber aus Aberglauben selten gegessen, und dürfen nur von gewis-
sen geringen Personen geschlachtet werden. An Sterb- und Gedächtnistagen eines Bluts-
verwandten mus einer einen Vogel oder anderes Thier zur Küche schlachten. Jn den kai-
serlichen Sterb- und Gedächtnisjahren, wie auch zu gewissen andern Zeiten, wenn es
seine Majestät verbieten läst, dürfen auch weder Hühner noch irgend andere lebendige
Thiere getödtet, ja nicht einmahl auf Märkten zum Verkauf ausgestelt werden. Der
Hahn erhält öfter und leichter Pardon als das Huhn, und steht bei den Religieusen in
großer Achtung, weil er die Zeiten abzutheilen und die Abwechselung des Wetters zu ver-
kündigen weis.

Das wilde von Natur schüchterne Geflügel, ist in den Schranken dieses so volk-
reichen Landes so zahm geworden, daß man viele Geschlechter für häusliche Thiere
halten solte.

Kranig.

Der Tsuri oder Kranig ist der vornehmste, und ein kaiserlich privilegirter Vogel
und darf nicht anders als auf Befehl für seine Majestät allein geschossen werden: es geschieht
aber dennoch in Saikokf und andern vom Hofe entfernten Ländern. Dieser Vogel so wohl
als die Schildkröte werden wegen ihres fabelhaften Alters und merkwürdiger Geschichten,
die man von ihnen erzählt, für die glüklichsten und glükbedeutensten Thiere gehalten, mit
deren Figuren eben so wie mit Tannen und Bambus die kaiserlichen Gemächer, und andere
glüklich gehaltene Oerter bemahlt sind. Von Bauren und Fuhrleuten habe ich diesen Vo-
gel nicht anders nennen hören, als O Tsuri Sama, das ist, großer Herr Kranig.
Man findet zweierlei Arten; die eine ist schneeweis, und die andere grau oder aschfarbig.

Reiher.

Von Sagi oder Reihern giebts verschiedene Arten, welche an Farbe und Größe
sehr unterschieden sind. Unter ihnen sind folgende drei Arten die bekantesten: Sjiro
Sagi,
der weiße Reiher, Goi Sagi, der graue, welche beide gemein sind, und Awoi
Sagi,
der blaulichtgraue Reiher. Dieser leztere hat beinahe die Größe eines Kranichs.

Wilde
T
Zehnt. Kap. Von den vierfuͤßigen Thieren, Voͤgeln ꝛc.
Jamakogath.

Eine ungemein große Schlange Jamakogath oder gebraͤuchlicher Uwabami, auch
Dſja, das iſt, Drache genant, haͤlt ſich in Bergen und Waͤſſern auf. Man trift ſie
ſelten an; wenn man ſie aber faͤngt, ſo laͤſſet man ſie fuͤr Geld ſehen.

Huͤhner.

An gefluͤgelten zahmen Thieren unterhaͤlt man Huͤhner und auch bisweilen
Enten. Sie werden aber aus Aberglauben ſelten gegeſſen, und duͤrfen nur von gewiſ-
ſen geringen Perſonen geſchlachtet werden. An Sterb- und Gedaͤchtnistagen eines Bluts-
verwandten mus einer einen Vogel oder anderes Thier zur Kuͤche ſchlachten. Jn den kai-
ſerlichen Sterb- und Gedaͤchtnisjahren, wie auch zu gewiſſen andern Zeiten, wenn es
ſeine Majeſtaͤt verbieten laͤſt, duͤrfen auch weder Huͤhner noch irgend andere lebendige
Thiere getoͤdtet, ja nicht einmahl auf Maͤrkten zum Verkauf ausgeſtelt werden. Der
Hahn erhaͤlt oͤfter und leichter Pardon als das Huhn, und ſteht bei den Religieuſen in
großer Achtung, weil er die Zeiten abzutheilen und die Abwechſelung des Wetters zu ver-
kuͤndigen weis.

Das wilde von Natur ſchuͤchterne Gefluͤgel, iſt in den Schranken dieſes ſo volk-
reichen Landes ſo zahm geworden, daß man viele Geſchlechter fuͤr haͤusliche Thiere
halten ſolte.

Kranig.

Der Tſuri oder Kranig iſt der vornehmſte, und ein kaiſerlich privilegirter Vogel
und darf nicht anders als auf Befehl fuͤr ſeine Majeſtaͤt allein geſchoſſen werden: es geſchieht
aber dennoch in Saikokf und andern vom Hofe entfernten Laͤndern. Dieſer Vogel ſo wohl
als die Schildkroͤte werden wegen ihres fabelhaften Alters und merkwuͤrdiger Geſchichten,
die man von ihnen erzaͤhlt, fuͤr die gluͤklichſten und gluͤkbedeutenſten Thiere gehalten, mit
deren Figuren eben ſo wie mit Tannen und Bambus die kaiſerlichen Gemaͤcher, und andere
gluͤklich gehaltene Oerter bemahlt ſind. Von Bauren und Fuhrleuten habe ich dieſen Vo-
gel nicht anders nennen hoͤren, als O Tſuri Sama, das iſt, großer Herr Kranig.
Man findet zweierlei Arten; die eine iſt ſchneeweis, und die andere grau oder aſchfarbig.

Reiher.

Von Sagi oder Reihern giebts verſchiedene Arten, welche an Farbe und Groͤße
ſehr unterſchieden ſind. Unter ihnen ſind folgende drei Arten die bekanteſten: Sjiro
Sagi,
der weiße Reiher, Goi Sagi, der graue, welche beide gemein ſind, und Awoi
Sagi,
der blaulichtgraue Reiher. Dieſer leztere hat beinahe die Groͤße eines Kranichs.

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[145/0235] Zehnt. Kap. Von den vierfuͤßigen Thieren, Voͤgeln ꝛc. Jamakogath. Eine ungemein große Schlange Jamakogath oder gebraͤuchlicher Uwabami, auch Dſja, das iſt, Drache genant, haͤlt ſich in Bergen und Waͤſſern auf. Man trift ſie ſelten an; wenn man ſie aber faͤngt, ſo laͤſſet man ſie fuͤr Geld ſehen. Huͤhner. An gefluͤgelten zahmen Thieren unterhaͤlt man Huͤhner und auch bisweilen Enten. Sie werden aber aus Aberglauben ſelten gegeſſen, und duͤrfen nur von gewiſ- ſen geringen Perſonen geſchlachtet werden. An Sterb- und Gedaͤchtnistagen eines Bluts- verwandten mus einer einen Vogel oder anderes Thier zur Kuͤche ſchlachten. Jn den kai- ſerlichen Sterb- und Gedaͤchtnisjahren, wie auch zu gewiſſen andern Zeiten, wenn es ſeine Majeſtaͤt verbieten laͤſt, duͤrfen auch weder Huͤhner noch irgend andere lebendige Thiere getoͤdtet, ja nicht einmahl auf Maͤrkten zum Verkauf ausgeſtelt werden. Der Hahn erhaͤlt oͤfter und leichter Pardon als das Huhn, und ſteht bei den Religieuſen in großer Achtung, weil er die Zeiten abzutheilen und die Abwechſelung des Wetters zu ver- kuͤndigen weis. Das wilde von Natur ſchuͤchterne Gefluͤgel, iſt in den Schranken dieſes ſo volk- reichen Landes ſo zahm geworden, daß man viele Geſchlechter fuͤr haͤusliche Thiere halten ſolte. Kranig. Der Tſuri oder Kranig iſt der vornehmſte, und ein kaiſerlich privilegirter Vogel und darf nicht anders als auf Befehl fuͤr ſeine Majeſtaͤt allein geſchoſſen werden: es geſchieht aber dennoch in Saikokf und andern vom Hofe entfernten Laͤndern. Dieſer Vogel ſo wohl als die Schildkroͤte werden wegen ihres fabelhaften Alters und merkwuͤrdiger Geſchichten, die man von ihnen erzaͤhlt, fuͤr die gluͤklichſten und gluͤkbedeutenſten Thiere gehalten, mit deren Figuren eben ſo wie mit Tannen und Bambus die kaiſerlichen Gemaͤcher, und andere gluͤklich gehaltene Oerter bemahlt ſind. Von Bauren und Fuhrleuten habe ich dieſen Vo- gel nicht anders nennen hoͤren, als O Tſuri Sama, das iſt, großer Herr Kranig. Man findet zweierlei Arten; die eine iſt ſchneeweis, und die andere grau oder aſchfarbig. Reiher. Von Sagi oder Reihern giebts verſchiedene Arten, welche an Farbe und Groͤße ſehr unterſchieden ſind. Unter ihnen ſind folgende drei Arten die bekanteſten: Sjiro Sagi, der weiße Reiher, Goi Sagi, der graue, welche beide gemein ſind, und Awoi Sagi, der blaulichtgraue Reiher. Dieſer leztere hat beinahe die Groͤße eines Kranichs. Wilde T

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/235>, abgerufen am 29.03.2024.