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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
daß sie ganz unbekümmert seyn möchten. Zugleich schikte er Befehl nach Bankok, daß
dort alle unsre Schiffe und Fahrzeuge ganz unaufgehalten hin und her passiren solten.

Petratja's Glük; Tod des alten Königs.

Petratja bemächtigte sich bald hernach auch der beiden Brüder des Königs unter
dem Vorwande, daß sie in Faulcons Verschwörung interessirt gewesen wären. Er lies
sie außer der Stadt in einen nahe gelegnen Tempel bringen, und daselbst mit Prügeln von
Sandelholz zu Tode schlagen. Eine Todesart, die man bei dergleichen Personen aus
Achtung für das königliche Blut zu erwählen pflegt. Und so hatte also der alte König
den Schmerz, jezt seine Brüder auf eben die Art sterben zu sehen, wie er ehmals den 9ten
Oktob. 1656 seinen Oheim Pracitama Ratia hatte ums Leben bringen lassen, der sei-
nem Vater auf dem Throne gefolgt war, und damals schon in den dritten Monat regiert
hatte. Der Schmerz des Königs muste noch dadurch vermehrt werden, daß er den Pe-
tratja
beständig als seinen vertrautesten Freund angesehn hatte, der seiner Schwester Sohn
war, dessen Töchter und Schwester der König zu Conkubinen gebraucht hatte, und der
überdem noch beständig einen Abscheu vor der schweren Bürde einer Krone bezeugt hatte
Nie hätte also der König solche grausame Absichten bei ihm vermuthet, und seine Hand-
lungen waren ihm ganz unerwartet. Dieser Schmerz endigte auch schon zwei Tage her-
nach sein Leben, im 55ten Jahre seines Alters, und 32ten seiner friedlichen Regierung.
Er starb den 11ten Jul. 1689, oder nach dem Soncarad (der siamischen Zeitrechnung)
im Jahr 2232.

Siamische Thronfolge.

So kam Petratja zur königlichen Regierung und dadurch zu dem Titel eines Kö-
nigs
von Siam, Tanassarien, Sucketa und Poiselucke; auch eines Schuzherrn
von Cambodia, Jehoor, Pattany und Queda.

Uralte siamische Grundgesetze wollen, daß nach Absterben des Königs dessen Bru-
der, und nach dessen Tode, oder wenn kein Bruder vorhanden, der älteste Sohn zur Re-
gierung kommen solle. Diese Verordnung ist aber so oft übertreten, und das Recht der
Thronfolge dadurch dermaßen verwirret, daß jezt nach dem Tode eines Königs allemal der-
jenige für den nächsten Erben sich aufwirft, der unter allen königlichen Verwandten der
mächtigste ist. Sehr selten kömt daher der wahre, rechtmäßige Thronfolger zur Regie-
rung, oder er kan sich wenigstens nicht dabei erhalten.

Aufruhr der Macassarn.

Diese Ungewisheit der Succession giebt zuweilen auch ganz Fremden, und Leu-
ten, die nicht das mindeste Recht für sich haben, den Gedanken ein, nach der Krone zu stre-

ben.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
daß ſie ganz unbekuͤmmert ſeyn moͤchten. Zugleich ſchikte er Befehl nach Bankok, daß
dort alle unſre Schiffe und Fahrzeuge ganz unaufgehalten hin und her paſſiren ſolten.

Petratja’s Gluͤk; Tod des alten Koͤnigs.

Petratja bemaͤchtigte ſich bald hernach auch der beiden Bruͤder des Koͤnigs unter
dem Vorwande, daß ſie in Faulcons Verſchwoͤrung intereſſirt geweſen waͤren. Er lies
ſie außer der Stadt in einen nahe gelegnen Tempel bringen, und daſelbſt mit Pruͤgeln von
Sandelholz zu Tode ſchlagen. Eine Todesart, die man bei dergleichen Perſonen aus
Achtung fuͤr das koͤnigliche Blut zu erwaͤhlen pflegt. Und ſo hatte alſo der alte Koͤnig
den Schmerz, jezt ſeine Bruͤder auf eben die Art ſterben zu ſehen, wie er ehmals den 9ten
Oktob. 1656 ſeinen Oheim Pracitama Ratia hatte ums Leben bringen laſſen, der ſei-
nem Vater auf dem Throne gefolgt war, und damals ſchon in den dritten Monat regiert
hatte. Der Schmerz des Koͤnigs muſte noch dadurch vermehrt werden, daß er den Pe-
tratja
beſtaͤndig als ſeinen vertrauteſten Freund angeſehn hatte, der ſeiner Schweſter Sohn
war, deſſen Toͤchter und Schweſter der Koͤnig zu Conkubinen gebraucht hatte, und der
uͤberdem noch beſtaͤndig einen Abſcheu vor der ſchweren Buͤrde einer Krone bezeugt hatte
Nie haͤtte alſo der Koͤnig ſolche grauſame Abſichten bei ihm vermuthet, und ſeine Hand-
lungen waren ihm ganz unerwartet. Dieſer Schmerz endigte auch ſchon zwei Tage her-
nach ſein Leben, im 55ten Jahre ſeines Alters, und 32ten ſeiner friedlichen Regierung.
Er ſtarb den 11ten Jul. 1689, oder nach dem Soncarad (der ſiamiſchen Zeitrechnung)
im Jahr 2232.

Siamiſche Thronfolge.

So kam Petratja zur koͤniglichen Regierung und dadurch zu dem Titel eines Koͤ-
nigs
von Siam, Tanaſſarien, Sucketa und Poiſelucke; auch eines Schuzherrn
von Cambodia, Jehoor, Pattany und Queda.

Uralte ſiamiſche Grundgeſetze wollen, daß nach Abſterben des Koͤnigs deſſen Bru-
der, und nach deſſen Tode, oder wenn kein Bruder vorhanden, der aͤlteſte Sohn zur Re-
gierung kommen ſolle. Dieſe Verordnung iſt aber ſo oft uͤbertreten, und das Recht der
Thronfolge dadurch dermaßen verwirret, daß jezt nach dem Tode eines Koͤnigs allemal der-
jenige fuͤr den naͤchſten Erben ſich aufwirft, der unter allen koͤniglichen Verwandten der
maͤchtigſte iſt. Sehr ſelten koͤmt daher der wahre, rechtmaͤßige Thronfolger zur Regie-
rung, oder er kan ſich wenigſtens nicht dabei erhalten.

Aufruhr der Macaſſarn.

Dieſe Ungewisheit der Succeſſion giebt zuweilen auch ganz Fremden, und Leu-
ten, die nicht das mindeſte Recht fuͤr ſich haben, den Gedanken ein, nach der Krone zu ſtre-

ben.
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[30/0106] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. daß ſie ganz unbekuͤmmert ſeyn moͤchten. Zugleich ſchikte er Befehl nach Bankok, daß dort alle unſre Schiffe und Fahrzeuge ganz unaufgehalten hin und her paſſiren ſolten. Petratja’s Gluͤk; Tod des alten Koͤnigs. Petratja bemaͤchtigte ſich bald hernach auch der beiden Bruͤder des Koͤnigs unter dem Vorwande, daß ſie in Faulcons Verſchwoͤrung intereſſirt geweſen waͤren. Er lies ſie außer der Stadt in einen nahe gelegnen Tempel bringen, und daſelbſt mit Pruͤgeln von Sandelholz zu Tode ſchlagen. Eine Todesart, die man bei dergleichen Perſonen aus Achtung fuͤr das koͤnigliche Blut zu erwaͤhlen pflegt. Und ſo hatte alſo der alte Koͤnig den Schmerz, jezt ſeine Bruͤder auf eben die Art ſterben zu ſehen, wie er ehmals den 9ten Oktob. 1656 ſeinen Oheim Pracitama Ratia hatte ums Leben bringen laſſen, der ſei- nem Vater auf dem Throne gefolgt war, und damals ſchon in den dritten Monat regiert hatte. Der Schmerz des Koͤnigs muſte noch dadurch vermehrt werden, daß er den Pe- tratja beſtaͤndig als ſeinen vertrauteſten Freund angeſehn hatte, der ſeiner Schweſter Sohn war, deſſen Toͤchter und Schweſter der Koͤnig zu Conkubinen gebraucht hatte, und der uͤberdem noch beſtaͤndig einen Abſcheu vor der ſchweren Buͤrde einer Krone bezeugt hatte Nie haͤtte alſo der Koͤnig ſolche grauſame Abſichten bei ihm vermuthet, und ſeine Hand- lungen waren ihm ganz unerwartet. Dieſer Schmerz endigte auch ſchon zwei Tage her- nach ſein Leben, im 55ten Jahre ſeines Alters, und 32ten ſeiner friedlichen Regierung. Er ſtarb den 11ten Jul. 1689, oder nach dem Soncarad (der ſiamiſchen Zeitrechnung) im Jahr 2232. Siamiſche Thronfolge. So kam Petratja zur koͤniglichen Regierung und dadurch zu dem Titel eines Koͤ- nigs von Siam, Tanaſſarien, Sucketa und Poiſelucke; auch eines Schuzherrn von Cambodia, Jehoor, Pattany und Queda. Uralte ſiamiſche Grundgeſetze wollen, daß nach Abſterben des Koͤnigs deſſen Bru- der, und nach deſſen Tode, oder wenn kein Bruder vorhanden, der aͤlteſte Sohn zur Re- gierung kommen ſolle. Dieſe Verordnung iſt aber ſo oft uͤbertreten, und das Recht der Thronfolge dadurch dermaßen verwirret, daß jezt nach dem Tode eines Koͤnigs allemal der- jenige fuͤr den naͤchſten Erben ſich aufwirft, der unter allen koͤniglichen Verwandten der maͤchtigſte iſt. Sehr ſelten koͤmt daher der wahre, rechtmaͤßige Thronfolger zur Regie- rung, oder er kan ſich wenigſtens nicht dabei erhalten. Aufruhr der Macaſſarn. Dieſe Ungewisheit der Succeſſion giebt zuweilen auch ganz Fremden, und Leu- ten, die nicht das mindeſte Recht fuͤr ſich haben, den Gedanken ein, nach der Krone zu ſtre- ben.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/106>, abgerufen am 19.04.2024.