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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
selben in Städten und Dörfern sehr feste, doch meistens grobe Stoffe. Die edelsten und
feinsten werden von den Verbanten auf der Jnsel Fatsisjo gewebet; aber von feiner aus-
ländischer Seide. Unter das Geschlecht des Maulbeerbaums gehört auch der Kadsi oder
Papierbaum.

Papierbaum.

Es ist dies zwar ein wilder Baum, allein er wird wegen seiner Nüzlichkeit ln die
Felder verpflanzet, wo er mit unglaublichem Wachsthum seine Aeste verbreitet und viele
Rinden liefert, aus welchen durch viele Mühe und Arbeit das Papier, und aus diesem
Lunten, Stricke, Zeuge, Kleider und andere Sachen gemacht werden; wie zum Theil in
benanten Amoenitatibus ausgeführt worden.

Fernisbaum.

Für den edelsten Baum dieser Länder wird wol der Vrusj oder Fernisbaum ge-
halten; mit dessen Milch*) das hölzerne Hausgeräth und alles Tafelgeschirre überzogen
und verlakt wird: und deren sich so wol der Arme als der Reiche, und selbst der kaiserliche
Hof bedient, wo man die verlakten Gefäße den silbernen und goldenen weit vorzieht. Eine
andere wilde Sorte, Faasj genant, hat schmale Blätter, wächst durchgehends in Hecken
und Bergen, giebt aber wenige und schlechte Milch, und wird deswegen fast nicht gesam-
let. Vorerwehnter Vrusj Baum ist von einem besondern und diesem Lande eigenen Ge-
schlecht, und wil sich fast in keiner anderen als in der Provinz Jamatto zu diesem Ge-
brauch anziehen lassen; doch findet man ihn auch in Figo und hin und wieder in Tsikoku.
Jch habe gefunden, daß der indianische Fernisbaum von einem ganz andern Geschlecht
und der wahre Anacardinusbaum sey; bei den Siamern heist er Rakbaum, und giebt
an mehreren Orten Jndiens seine Früchte, aber auf der Westseite des Ganges keinen Saft;
es sey nun aus Unwissenheit der Einwohner, oder der Beschaffenheit des Bodens. Es
wird dieser Fernis aus Siam und Cambodia durch ganz Jndien, auch selbst in Japan
wohlfeil verkauft; und hieselbst nur zu schlechten Gefäßen oder zur Grundlage ihres einhei-
mischen, seltnern und weit schönern Fernisses gebraucht.

Lor-
*) [Spaltenumbruch]
Jn der englis. Uebersetzung: "Es giebt ei-
nen milchichten Saft, womit die Japaner alles ihr
Hausgeräth, Tische, und hölzerne Schüsseln über-
[Spaltenumbruch] firnissen; und dies vom Kaiser hernnter bis zum
ärmsten Bauer"

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
ſelben in Staͤdten und Doͤrfern ſehr feſte, doch meiſtens grobe Stoffe. Die edelſten und
feinſten werden von den Verbanten auf der Jnſel Fatſiſjo gewebet; aber von feiner aus-
laͤndiſcher Seide. Unter das Geſchlecht des Maulbeerbaums gehoͤrt auch der Kadſi oder
Papierbaum.

Papierbaum.

Es iſt dies zwar ein wilder Baum, allein er wird wegen ſeiner Nuͤzlichkeit ln die
Felder verpflanzet, wo er mit unglaublichem Wachsthum ſeine Aeſte verbreitet und viele
Rinden liefert, aus welchen durch viele Muͤhe und Arbeit das Papier, und aus dieſem
Lunten, Stricke, Zeuge, Kleider und andere Sachen gemacht werden; wie zum Theil in
benanten Amoenitatibus ausgefuͤhrt worden.

Fernisbaum.

Fuͤr den edelſten Baum dieſer Laͤnder wird wol der Vruſj oder Fernisbaum ge-
halten; mit deſſen Milch*) das hoͤlzerne Hausgeraͤth und alles Tafelgeſchirre uͤberzogen
und verlakt wird: und deren ſich ſo wol der Arme als der Reiche, und ſelbſt der kaiſerliche
Hof bedient, wo man die verlakten Gefaͤße den ſilbernen und goldenen weit vorzieht. Eine
andere wilde Sorte, Faaſj genant, hat ſchmale Blaͤtter, waͤchſt durchgehends in Hecken
und Bergen, giebt aber wenige und ſchlechte Milch, und wird deswegen faſt nicht geſam-
let. Vorerwehnter Vruſj Baum iſt von einem beſondern und dieſem Lande eigenen Ge-
ſchlecht, und wil ſich faſt in keiner anderen als in der Provinz Jamatto zu dieſem Ge-
brauch anziehen laſſen; doch findet man ihn auch in Figo und hin und wieder in Tſikoku.
Jch habe gefunden, daß der indianiſche Fernisbaum von einem ganz andern Geſchlecht
und der wahre Anacardinusbaum ſey; bei den Siamern heiſt er Rakbaum, und giebt
an mehreren Orten Jndiens ſeine Fruͤchte, aber auf der Weſtſeite des Ganges keinen Saft;
es ſey nun aus Unwiſſenheit der Einwohner, oder der Beſchaffenheit des Bodens. Es
wird dieſer Fernis aus Siam und Cambodia durch ganz Jndien, auch ſelbſt in Japan
wohlfeil verkauft; und hieſelbſt nur zu ſchlechten Gefaͤßen oder zur Grundlage ihres einhei-
miſchen, ſeltnern und weit ſchoͤnern Ferniſſes gebraucht.

Lor-
*) [Spaltenumbruch]
Jn der engliſ. Ueberſetzung: „Es giebt ei-
nen milchichten Saft, womit die Japaner alles ihr
Hausgeraͤth, Tiſche, und hoͤlzerne Schuͤſſeln uͤber-
[Spaltenumbruch] firniſſen; und dies vom Kaiſer hernnter bis zum
aͤrmſten Bauer‟
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[130/0218] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. ſelben in Staͤdten und Doͤrfern ſehr feſte, doch meiſtens grobe Stoffe. Die edelſten und feinſten werden von den Verbanten auf der Jnſel Fatſiſjo gewebet; aber von feiner aus- laͤndiſcher Seide. Unter das Geſchlecht des Maulbeerbaums gehoͤrt auch der Kadſi oder Papierbaum. Papierbaum. Es iſt dies zwar ein wilder Baum, allein er wird wegen ſeiner Nuͤzlichkeit ln die Felder verpflanzet, wo er mit unglaublichem Wachsthum ſeine Aeſte verbreitet und viele Rinden liefert, aus welchen durch viele Muͤhe und Arbeit das Papier, und aus dieſem Lunten, Stricke, Zeuge, Kleider und andere Sachen gemacht werden; wie zum Theil in benanten Amoenitatibus ausgefuͤhrt worden. Fernisbaum. Fuͤr den edelſten Baum dieſer Laͤnder wird wol der Vruſj oder Fernisbaum ge- halten; mit deſſen Milch *) das hoͤlzerne Hausgeraͤth und alles Tafelgeſchirre uͤberzogen und verlakt wird: und deren ſich ſo wol der Arme als der Reiche, und ſelbſt der kaiſerliche Hof bedient, wo man die verlakten Gefaͤße den ſilbernen und goldenen weit vorzieht. Eine andere wilde Sorte, Faaſj genant, hat ſchmale Blaͤtter, waͤchſt durchgehends in Hecken und Bergen, giebt aber wenige und ſchlechte Milch, und wird deswegen faſt nicht geſam- let. Vorerwehnter Vruſj Baum iſt von einem beſondern und dieſem Lande eigenen Ge- ſchlecht, und wil ſich faſt in keiner anderen als in der Provinz Jamatto zu dieſem Ge- brauch anziehen laſſen; doch findet man ihn auch in Figo und hin und wieder in Tſikoku. Jch habe gefunden, daß der indianiſche Fernisbaum von einem ganz andern Geſchlecht und der wahre Anacardinusbaum ſey; bei den Siamern heiſt er Rakbaum, und giebt an mehreren Orten Jndiens ſeine Fruͤchte, aber auf der Weſtſeite des Ganges keinen Saft; es ſey nun aus Unwiſſenheit der Einwohner, oder der Beſchaffenheit des Bodens. Es wird dieſer Fernis aus Siam und Cambodia durch ganz Jndien, auch ſelbſt in Japan wohlfeil verkauft; und hieſelbſt nur zu ſchlechten Gefaͤßen oder zur Grundlage ihres einhei- miſchen, ſeltnern und weit ſchoͤnern Ferniſſes gebraucht. Lor- *) Jn der engliſ. Ueberſetzung: „Es giebt ei- nen milchichten Saft, womit die Japaner alles ihr Hausgeraͤth, Tiſche, und hoͤlzerne Schuͤſſeln uͤber- firniſſen; und dies vom Kaiſer hernnter bis zum aͤrmſten Bauer‟

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/218>, abgerufen am 24.04.2024.