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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
Stiele, Blumen der Digitalis ähnlich, und Samen wie eine Althaea. Das Blat
mit drei beblümten Stielen ist das Wapen des Mikaddo oder geistlichen Erbkaisers.
Abrasin ein mittelmäßiger Baum, hat Blätter wie der Platanus, Blumen wie einfache
Rosen, Saamen wie ein Ricinus; ich nenne ihn daher, Ricinus arboreus folio Alceae.
Asa diracht Avicennae,
die vorbenante Tsubacki, Vrusj, Fasj, und Kaj no ki,
dann auch die Baumwollenstaude und Kraut, beide Geschlechter von Sesamo mit weißen
und schwarzen Saamen.

Unter diesen wird nur das Oel vom Sesamo und Kai, aber doch selten und
spahrsam zur Speise gebraucht; weil man dieselben in diesen Ländern ohne Butter und Fett
zu bereiten weiß.

Getreide.

Getreide und Hülsenfrüchte wie auch allerlei Gartenkräuter, geben nicht nur die
platten Felder, die man niemals zu Wiesen gebraucht, sondern auch die steilen Gebirge
bis zu den höchsten Spitzen, ja auch die ablaufenden Höhlen und Winkel der steinigten
Klippen, und wo es nur immer Wurzel und Regenwasser fassen kan. Der platte Grund
wird mit Ochsen gepflüget, die Höhen aber mit Menschenhänden bearbeitet, und beides
wohl dreimahl im Jahr mit Menschenmist gedünget und in seiner Fruchtbarkeit unterhalten.
Wer seinen Acker ein Jahr unbesäet läst, wird desselben nach hiesigen Landesrechten
verlustig.

Gokokf.

Die vornehmsten und zum Unterhalt der Menschen allernützlichsten Feldfrüchte
werden mit dem Tittel Gokokf, das ist fünf Feldfrüchte benennet. Nach derselben sparsamen
oder reichlichem Wachsthum, schäzt man die Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit des Jahrs
und eines Ackers, und den Reichthum oder die Armuth des Besitzers. Sie ersetzen in diesem
Lande den Mangel des Fleisches und sind die Grundlagen der täglichen Mahlzeiten und der
Gastereyen. Diese Gokokf sind folgende:

Reis.

1) Kome, oder Reis, von verschiedenen Sorten. Die beste hat ihres gleichen
nicht in ganz Asien; sie ist schneeweis und sätiget so sehr, daß ein Ausländer wenig auf
einmahl davon genießen kan. Der Reis dient in Wasser aufgekocht statt des Brodes; von
dem jährlichen Ueberflus wird ein fettes Bier, Saki genant, gebrauet; doch nur zur Noth-
durft; und es darf weder mehr Reis noch Bier von den Fremden ausgeführt werden, als
die Obrigkeit erlaubet.

Gerste.

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Stiele, Blumen der Digitalis aͤhnlich, und Samen wie eine Althaea. Das Blat
mit drei bebluͤmten Stielen iſt das Wapen des Mikaddo oder geiſtlichen Erbkaiſers.
Abraſin ein mittelmaͤßiger Baum, hat Blaͤtter wie der Platanus, Blumen wie einfache
Roſen, Saamen wie ein Ricinus; ich nenne ihn daher, Ricinus arboreus folio Alceae.
Aſa diracht Avicennae,
die vorbenante Tſubacki, Vruſj, Faſj, und Kaj no ki,
dann auch die Baumwollenſtaude und Kraut, beide Geſchlechter von Seſamo mit weißen
und ſchwarzen Saamen.

Unter dieſen wird nur das Oel vom Seſamo und Kai, aber doch ſelten und
ſpahrſam zur Speiſe gebraucht; weil man dieſelben in dieſen Laͤndern ohne Butter und Fett
zu bereiten weiß.

Getreide.

Getreide und Huͤlſenfruͤchte wie auch allerlei Gartenkraͤuter, geben nicht nur die
platten Felder, die man niemals zu Wieſen gebraucht, ſondern auch die ſteilen Gebirge
bis zu den hoͤchſten Spitzen, ja auch die ablaufenden Hoͤhlen und Winkel der ſteinigten
Klippen, und wo es nur immer Wurzel und Regenwaſſer faſſen kan. Der platte Grund
wird mit Ochſen gepfluͤget, die Hoͤhen aber mit Menſchenhaͤnden bearbeitet, und beides
wohl dreimahl im Jahr mit Menſchenmiſt geduͤnget und in ſeiner Fruchtbarkeit unterhalten.
Wer ſeinen Acker ein Jahr unbeſaͤet laͤſt, wird deſſelben nach hieſigen Landesrechten
verluſtig.

Gokokf.

Die vornehmſten und zum Unterhalt der Menſchen allernuͤtzlichſten Feldfruͤchte
werden mit dem Tittel Gokokf, das iſt fuͤnf Feldfruͤchte benennet. Nach derſelben ſparſamen
oder reichlichem Wachsthum, ſchaͤzt man die Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit des Jahrs
und eines Ackers, und den Reichthum oder die Armuth des Beſitzers. Sie erſetzen in dieſem
Lande den Mangel des Fleiſches und ſind die Grundlagen der taͤglichen Mahlzeiten und der
Gaſtereyen. Dieſe Gokokf ſind folgende:

Reis.

1) Kome, oder Reis, von verſchiedenen Sorten. Die beſte hat ihres gleichen
nicht in ganz Aſien; ſie iſt ſchneeweis und ſaͤtiget ſo ſehr, daß ein Auslaͤnder wenig auf
einmahl davon genießen kan. Der Reis dient in Waſſer aufgekocht ſtatt des Brodes; von
dem jaͤhrlichen Ueberflus wird ein fettes Bier, Saki genant, gebrauet; doch nur zur Noth-
durft; und es darf weder mehr Reis noch Bier von den Fremden ausgefuͤhrt werden, als
die Obrigkeit erlaubet.

Gerſte.
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[136/0224] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. Stiele, Blumen der Digitalis aͤhnlich, und Samen wie eine Althaea. Das Blat mit drei bebluͤmten Stielen iſt das Wapen des Mikaddo oder geiſtlichen Erbkaiſers. Abraſin ein mittelmaͤßiger Baum, hat Blaͤtter wie der Platanus, Blumen wie einfache Roſen, Saamen wie ein Ricinus; ich nenne ihn daher, Ricinus arboreus folio Alceae. Aſa diracht Avicennae, die vorbenante Tſubacki, Vruſj, Faſj, und Kaj no ki, dann auch die Baumwollenſtaude und Kraut, beide Geſchlechter von Seſamo mit weißen und ſchwarzen Saamen. Unter dieſen wird nur das Oel vom Seſamo und Kai, aber doch ſelten und ſpahrſam zur Speiſe gebraucht; weil man dieſelben in dieſen Laͤndern ohne Butter und Fett zu bereiten weiß. Getreide. Getreide und Huͤlſenfruͤchte wie auch allerlei Gartenkraͤuter, geben nicht nur die platten Felder, die man niemals zu Wieſen gebraucht, ſondern auch die ſteilen Gebirge bis zu den hoͤchſten Spitzen, ja auch die ablaufenden Hoͤhlen und Winkel der ſteinigten Klippen, und wo es nur immer Wurzel und Regenwaſſer faſſen kan. Der platte Grund wird mit Ochſen gepfluͤget, die Hoͤhen aber mit Menſchenhaͤnden bearbeitet, und beides wohl dreimahl im Jahr mit Menſchenmiſt geduͤnget und in ſeiner Fruchtbarkeit unterhalten. Wer ſeinen Acker ein Jahr unbeſaͤet laͤſt, wird deſſelben nach hieſigen Landesrechten verluſtig. Gokokf. Die vornehmſten und zum Unterhalt der Menſchen allernuͤtzlichſten Feldfruͤchte werden mit dem Tittel Gokokf, das iſt fuͤnf Feldfruͤchte benennet. Nach derſelben ſparſamen oder reichlichem Wachsthum, ſchaͤzt man die Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit des Jahrs und eines Ackers, und den Reichthum oder die Armuth des Beſitzers. Sie erſetzen in dieſem Lande den Mangel des Fleiſches und ſind die Grundlagen der taͤglichen Mahlzeiten und der Gaſtereyen. Dieſe Gokokf ſind folgende: Reis. 1) Kome, oder Reis, von verſchiedenen Sorten. Die beſte hat ihres gleichen nicht in ganz Aſien; ſie iſt ſchneeweis und ſaͤtiget ſo ſehr, daß ein Auslaͤnder wenig auf einmahl davon genießen kan. Der Reis dient in Waſſer aufgekocht ſtatt des Brodes; von dem jaͤhrlichen Ueberflus wird ein fettes Bier, Saki genant, gebrauet; doch nur zur Noth- durft; und es darf weder mehr Reis noch Bier von den Fremden ausgefuͤhrt werden, als die Obrigkeit erlaubet. Gerſte.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/224>, abgerufen am 28.03.2024.