§. 73. Keines der obigen Systeme leistet das was es vorgiebt.
Was wollen alle jene Systeme? Sie wollen unsere teleologische Urtheile über die Natur erklären und gehen damit so zu Werke, daß ein Theil die Wahrheit derselben läugnet, mithin sie für einen Jdealism der Natur (als Kunst vvrgestellt) erklärt der andere Theil sie als wahr anerkennt, und die Möglichkeit einer Natur nach der Jdee der Endursachen darzuthun verspricht.
1) Die für den Jdealism der Endursachen in der Natur streitende Systeme lassen nun einerseits zwar an dem Princip derselben eine Caussalität nach Bewegungs- gesetzen zu, (durch welche die Naturdinge zweckmäßig existiren) aber sie läugnen an ihr die Jntentionalität, d. i. daß sie absichtlich zu dieser ihrer zweckmäßigen Her- vorbringnng bestimmt oder, mit anderen Worten, ein Zweck die Ursache sey. Dieses ist die Erklärungsart Epicurs, nach welcher der Unterschied einer Technik der Natur von der bloßen Mechanik gänzlich abgeläugnet wird und nicht allein für die Uebereinstimmung der er-
zeug-
nichts übrig, als, wenn es Noth thun sollte, von allen die- sen objectiven Behauptungen abzugehen und unser Urtheil blos in Beziehung auf unsere Erkenntnisvermögen critisch zu erwägen, um ihrem Princip eine, wo nicht dogmatische, doch zum sichern Vernunftgebrauch hinreichende Gültigkeit einer Maxime zu verschaffen.
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 73. Keines der obigen Syſteme leiſtet das was es vorgiebt.
Was wollen alle jene Syſteme? Sie wollen unſere teleologiſche Urtheile uͤber die Natur erklaͤren und gehen damit ſo zu Werke, daß ein Theil die Wahrheit derſelben laͤugnet, mithin ſie fuͤr einen Jdealism der Natur (als Kunſt vvrgeſtellt) erklaͤrt der andere Theil ſie als wahr anerkennt, und die Moͤglichkeit einer Natur nach der Jdee der Endurſachen darzuthun verſpricht.
1) Die fuͤr den Jdealism der Endurſachen in der Natur ſtreitende Syſteme laſſen nun einerſeits zwar an dem Princip derſelben eine Cauſſalitaͤt nach Bewegungs- geſetzen zu, (durch welche die Naturdinge zweckmaͤßig exiſtiren) aber ſie laͤugnen an ihr die Jntentionalitaͤt, d. i. daß ſie abſichtlich zu dieſer ihrer zweckmaͤßigen Her- vorbringnng beſtimmt oder, mit anderen Worten, ein Zweck die Urſache ſey. Dieſes iſt die Erklaͤrungsart Epicurs, nach welcher der Unterſchied einer Technik der Natur von der bloßen Mechanik gaͤnzlich abgelaͤugnet wird und nicht allein fuͤr die Uebereinſtimmung der er-
zeug-
nichts uͤbrig, als, wenn es Noth thun ſollte, von allen die- ſen objectiven Behauptungen abzugehen und unſer Urtheil blos in Beziehung auf unſere Erkenntnisvermoͤgen critiſch zu erwaͤgen, um ihrem Princip eine, wo nicht dogmatiſche, doch zum ſichern Vernunftgebrauch hinreichende Guͤltigkeit einer Maxime zu verſchaffen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0384"n="320"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">§. 73.<lb/>
Keines der obigen Syſteme leiſtet das was<lb/>
es vorgiebt.</hi></head><lb/><p>Was wollen alle jene Syſteme? Sie wollen unſere<lb/>
teleologiſche Urtheile uͤber die Natur erklaͤren und gehen<lb/>
damit ſo zu Werke, daß ein Theil die Wahrheit derſelben<lb/>
laͤugnet, mithin ſie fuͤr einen Jdealism der Natur (als<lb/>
Kunſt vvrgeſtellt) erklaͤrt der andere Theil ſie als wahr<lb/>
anerkennt, und die Moͤglichkeit einer Natur nach der Jdee<lb/>
der Endurſachen darzuthun verſpricht.</p><lb/><p>1) Die fuͤr den Jdealism der Endurſachen in der<lb/>
Natur ſtreitende Syſteme laſſen nun einerſeits zwar an<lb/>
dem Princip derſelben eine Cauſſalitaͤt nach Bewegungs-<lb/>
geſetzen zu, (durch welche die Naturdinge zweckmaͤßig<lb/>
exiſtiren) aber ſie laͤugnen an ihr die <hirendition="#fr">Jntentionalitaͤt,</hi><lb/>
d. i. daß ſie abſichtlich zu dieſer ihrer zweckmaͤßigen Her-<lb/>
vorbringnng beſtimmt oder, mit anderen Worten, ein<lb/>
Zweck die Urſache ſey. Dieſes iſt die Erklaͤrungsart<lb/><hirendition="#fr">Epicurs,</hi> nach welcher der Unterſchied einer Technik der<lb/>
Natur von der bloßen Mechanik gaͤnzlich abgelaͤugnet<lb/>
wird und nicht allein fuͤr die Uebereinſtimmung der er-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zeug-</fw><lb/><notexml:id="fn384"prev="#fn383"place="foot"n="*)">nichts uͤbrig, als, wenn es Noth thun ſollte, von allen die-<lb/>ſen objectiven <hirendition="#fr">Behauptungen</hi> abzugehen und unſer Urtheil<lb/>
blos in Beziehung auf unſere Erkenntnisvermoͤgen critiſch<lb/>
zu erwaͤgen, um ihrem Princip eine, wo nicht dogmatiſche,<lb/>
doch zum ſichern Vernunftgebrauch hinreichende Guͤltigkeit<lb/>
einer Maxime zu verſchaffen.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[320/0384]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
§. 73.
Keines der obigen Syſteme leiſtet das was
es vorgiebt.
Was wollen alle jene Syſteme? Sie wollen unſere
teleologiſche Urtheile uͤber die Natur erklaͤren und gehen
damit ſo zu Werke, daß ein Theil die Wahrheit derſelben
laͤugnet, mithin ſie fuͤr einen Jdealism der Natur (als
Kunſt vvrgeſtellt) erklaͤrt der andere Theil ſie als wahr
anerkennt, und die Moͤglichkeit einer Natur nach der Jdee
der Endurſachen darzuthun verſpricht.
1) Die fuͤr den Jdealism der Endurſachen in der
Natur ſtreitende Syſteme laſſen nun einerſeits zwar an
dem Princip derſelben eine Cauſſalitaͤt nach Bewegungs-
geſetzen zu, (durch welche die Naturdinge zweckmaͤßig
exiſtiren) aber ſie laͤugnen an ihr die Jntentionalitaͤt,
d. i. daß ſie abſichtlich zu dieſer ihrer zweckmaͤßigen Her-
vorbringnng beſtimmt oder, mit anderen Worten, ein
Zweck die Urſache ſey. Dieſes iſt die Erklaͤrungsart
Epicurs, nach welcher der Unterſchied einer Technik der
Natur von der bloßen Mechanik gaͤnzlich abgelaͤugnet
wird und nicht allein fuͤr die Uebereinſtimmung der er-
zeug-
*)
*) nichts uͤbrig, als, wenn es Noth thun ſollte, von allen die-
ſen objectiven Behauptungen abzugehen und unſer Urtheil
blos in Beziehung auf unſere Erkenntnisvermoͤgen critiſch
zu erwaͤgen, um ihrem Princip eine, wo nicht dogmatiſche,
doch zum ſichern Vernunftgebrauch hinreichende Guͤltigkeit
einer Maxime zu verſchaffen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/384>, abgerufen am 28.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.