Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Buch.
Und würde, wär es ihm erlaubt,
Den Schöpfer aller Wesen fragen:
"Warum der hohen Ceder Haupt
"Von schnellem Blitze ward zerschlagen?
"Warum der Todes Engel schlug
"Den Herrscher über Nationen,
"Der in erhabner Brust so viel Entwürfe trug,
"Die Tugend, das Verdienst, die Künste zu belohnen?
"Und den, den schon sein Fleiß erhub.
"Noch glänzender empor zu heben?
Er ist nicht mehr! der Staub begrub
Den, der ein Königreich, ein Land zurückzugeben,
Mehr Seeligkeit, mehr Lust genannt,
Als wenn er von dem Kayser-Sitze
Des diamantnen Zepters Spitze
Zu fremder Bothen Stirn gewandt!
Er ist nicht mehr. Ihn segnet Preussen
Noch in der Ewigkeit; ihm thönet Lobgedicht,
Wenn Friedrichs Seufzer von ihm spricht;
Und Engel horchen zu, und heissen
Ihn göttlich, wie sein Freund ihn nennt!
Er ward der Erde nicht gegönnt;
T 4
Erſtes Buch.
Und wuͤrde, waͤr es ihm erlaubt,
Den Schoͤpfer aller Weſen fragen:
”Warum der hohen Ceder Haupt
”Von ſchnellem Blitze ward zerſchlagen?
”Warum der Todes Engel ſchlug
”Den Herrſcher uͤber Nationen,
”Der in erhabner Bruſt ſo viel Entwuͤrfe trug,
”Die Tugend, das Verdienſt, die Kuͤnſte zu belohnen?
”Und den, den ſchon ſein Fleiß erhub.
”Noch glaͤnzender empor zu heben?
Er iſt nicht mehr! der Staub begrub
Den, der ein Koͤnigreich, ein Land zuruͤckzugeben,
Mehr Seeligkeit, mehr Luſt genannt,
Als wenn er von dem Kayſer-Sitze
Des diamantnen Zepters Spitze
Zu fremder Bothen Stirn gewandt!
Er iſt nicht mehr. Ihn ſegnet Preuſſen
Noch in der Ewigkeit; ihm thoͤnet Lobgedicht,
Wenn Friedrichs Seufzer von ihm ſpricht;
Und Engel horchen zu, und heiſſen
Ihn goͤttlich, wie ſein Freund ihn nennt!
Er ward der Erde nicht gegoͤnnt;
T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem" n="22">
            <l><pb facs="#f0339" n="295"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
Und wu&#x0364;rde, wa&#x0364;r es ihm erlaubt,<lb/>
Den Scho&#x0364;pfer aller We&#x017F;en fragen:<lb/>
&#x201D;Warum der hohen Ceder Haupt<lb/>
&#x201D;Von &#x017F;chnellem Blitze ward zer&#x017F;chlagen?<lb/>
&#x201D;Warum der Todes Engel &#x017F;chlug<lb/>
&#x201D;Den Herr&#x017F;cher u&#x0364;ber Nationen,<lb/>
&#x201D;Der in erhabner Bru&#x017F;t &#x017F;o viel Entwu&#x0364;rfe trug,<lb/>
&#x201D;Die Tugend, das Verdien&#x017F;t, die Ku&#x0364;n&#x017F;te zu belohnen?<lb/>
&#x201D;Und den, den &#x017F;chon &#x017F;ein Fleiß erhub.<lb/>
&#x201D;Noch gla&#x0364;nzender empor zu heben?<lb/>
Er i&#x017F;t nicht mehr! der Staub begrub<lb/>
Den, der ein Ko&#x0364;nigreich, ein Land zuru&#x0364;ckzugeben,<lb/>
Mehr Seeligkeit, mehr Lu&#x017F;t genannt,<lb/>
Als wenn er von dem Kay&#x017F;er-Sitze<lb/>
Des diamantnen Zepters Spitze<lb/>
Zu fremder Bothen Stirn gewandt!<lb/>
Er i&#x017F;t nicht mehr. Ihn &#x017F;egnet Preu&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Noch in der Ewigkeit; ihm tho&#x0364;net Lobgedicht,<lb/>
Wenn Friedrichs Seufzer von ihm &#x017F;pricht;<lb/>
Und Engel horchen zu, und hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ihn go&#x0364;ttlich, wie &#x017F;ein Freund ihn nennt!<lb/>
Er ward der Erde nicht gego&#x0364;nnt;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 4</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0339] Erſtes Buch. Und wuͤrde, waͤr es ihm erlaubt, Den Schoͤpfer aller Weſen fragen: ”Warum der hohen Ceder Haupt ”Von ſchnellem Blitze ward zerſchlagen? ”Warum der Todes Engel ſchlug ”Den Herrſcher uͤber Nationen, ”Der in erhabner Bruſt ſo viel Entwuͤrfe trug, ”Die Tugend, das Verdienſt, die Kuͤnſte zu belohnen? ”Und den, den ſchon ſein Fleiß erhub. ”Noch glaͤnzender empor zu heben? Er iſt nicht mehr! der Staub begrub Den, der ein Koͤnigreich, ein Land zuruͤckzugeben, Mehr Seeligkeit, mehr Luſt genannt, Als wenn er von dem Kayſer-Sitze Des diamantnen Zepters Spitze Zu fremder Bothen Stirn gewandt! Er iſt nicht mehr. Ihn ſegnet Preuſſen Noch in der Ewigkeit; ihm thoͤnet Lobgedicht, Wenn Friedrichs Seufzer von ihm ſpricht; Und Engel horchen zu, und heiſſen Ihn goͤttlich, wie ſein Freund ihn nennt! Er ward der Erde nicht gegoͤnnt; T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/339
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/339>, abgerufen am 20.04.2024.