Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Vielleicht auch reiche Männer? Nein!
Zu Magdeburg kann nicht der Geiz gebohren seyn!
In Lissabon war er nur ganz in seinem Knechte.
In Lissabon, da sind vom jüdischen Geschlechte
Viel tausende verkapt, die fromm im Tempel gehn,
An einem Rosenkranz die Körner zählen stehn,
Vor einem Bilde knien, und doch Hebräer bleiben.
In Lissabon allein, wie mir ein Buch gesagt,
War nur ein Mann, von dem ich weiter nichts beschreiben
Als nur die Stunde will, in der ein Reicher fragt:
Ob Millionen ihm nur einen Tag erkaufen?
Krank ward der reiche Greiß. Krank dacht er seinen
Haufen,
Und seufzte blickend in das Grab:
"Was halfs, daß ich Allmosen gab?
"Die Armen trotzten mir für das, was ich gegeben,
"Doch kein methusalemisch Leben
"Durch ihr Gebet vom harten Himmel ab!
Vermiſchte Gedichte.
Vielleicht auch reiche Maͤnner? Nein!
Zu Magdeburg kann nicht der Geiz gebohren ſeyn!
In Liſſabon war er nur ganz in ſeinem Knechte.
In Liſſabon, da ſind vom juͤdiſchen Geſchlechte
Viel tauſende verkapt, die fromm im Tempel gehn,
An einem Roſenkranz die Koͤrner zaͤhlen ſtehn,
Vor einem Bilde knien, und doch Hebraͤer bleiben.
In Liſſabon allein, wie mir ein Buch geſagt,
War nur ein Mann, von dem ich weiter nichts beſchreiben
Als nur die Stunde will, in der ein Reicher fragt:
Ob Millionen ihm nur einen Tag erkaufen?
Krank ward der reiche Greiß. Krank dacht er ſeinen
Haufen,
Und ſeufzte blickend in das Grab:
”Was halfs, daß ich Allmoſen gab?
”Die Armen trotzten mir fuͤr das, was ich gegeben,
”Doch kein methuſalemiſch Leben
”Durch ihr Gebet vom harten Himmel ab!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0364" n="320"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
            <l>Vielleicht auch reiche Ma&#x0364;nner? Nein!</l><lb/>
            <l>Zu Magdeburg kann nicht der Geiz gebohren &#x017F;eyn!</l><lb/>
            <l>In Li&#x017F;&#x017F;abon war er nur ganz in &#x017F;einem Knechte.</l><lb/>
            <l>In Li&#x017F;&#x017F;abon, da &#x017F;ind vom ju&#x0364;di&#x017F;chen Ge&#x017F;chlechte</l><lb/>
            <l>Viel tau&#x017F;ende verkapt, die fromm im Tempel gehn,</l><lb/>
            <l>An einem Ro&#x017F;enkranz die Ko&#x0364;rner za&#x0364;hlen &#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Vor einem Bilde knien, und doch Hebra&#x0364;er bleiben.</l><lb/>
            <l>In Li&#x017F;&#x017F;abon allein, wie mir ein Buch ge&#x017F;agt,</l><lb/>
            <l>War nur ein Mann, von dem ich weiter nichts be&#x017F;chreiben</l><lb/>
            <l>Als nur die Stunde will, in der ein Reicher fragt:</l><lb/>
            <l>Ob Millionen ihm nur einen Tag erkaufen?</l><lb/>
            <l>Krank ward der reiche Greiß. Krank dacht er &#x017F;einen</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Haufen,</hi> </l><lb/>
            <l>Und &#x017F;eufzte blickend in das Grab:</l><lb/>
            <l>&#x201D;Was halfs, daß ich Allmo&#x017F;en gab?</l><lb/>
            <l>&#x201D;Die Armen trotzten mir fu&#x0364;r das, was ich gegeben,</l><lb/>
            <l>&#x201D;Doch kein methu&#x017F;alemi&#x017F;ch Leben</l><lb/>
            <l>&#x201D;Durch ihr Gebet vom harten Himmel ab!</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0364] Vermiſchte Gedichte. Vielleicht auch reiche Maͤnner? Nein! Zu Magdeburg kann nicht der Geiz gebohren ſeyn! In Liſſabon war er nur ganz in ſeinem Knechte. In Liſſabon, da ſind vom juͤdiſchen Geſchlechte Viel tauſende verkapt, die fromm im Tempel gehn, An einem Roſenkranz die Koͤrner zaͤhlen ſtehn, Vor einem Bilde knien, und doch Hebraͤer bleiben. In Liſſabon allein, wie mir ein Buch geſagt, War nur ein Mann, von dem ich weiter nichts beſchreiben Als nur die Stunde will, in der ein Reicher fragt: Ob Millionen ihm nur einen Tag erkaufen? Krank ward der reiche Greiß. Krank dacht er ſeinen Haufen, Und ſeufzte blickend in das Grab: ”Was halfs, daß ich Allmoſen gab? ”Die Armen trotzten mir fuͤr das, was ich gegeben, ”Doch kein methuſalemiſch Leben ”Durch ihr Gebet vom harten Himmel ab!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/364
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/364>, abgerufen am 25.04.2024.