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Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907.

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Die Minderheit der Besitzenden wird freilich später selbständig, als die
Angehörigen des Proletariats. Dazu kommt, daß das durchschnittliche Sterbe-
alter des Arbeiters ein weit niedrigeres ist, als dasjenige des Reichen. Jnfolge
der Ungunst der auf die Arbeiter einwirkenden Einflüsse, der aufreibenden Tätig-
keit, der Entbehrungen "muß er", wie der alte ehrliche Statistiker Süßmilch sich
ausdrückt, "früher davon", als der unter einem glücklicheren Sterne geborene,
unter den günstigsten Verhältnissen sich entwickelnde Bourgeois. Schon deshalb
bedeutet eine zu hoch hinauf gerückte Altersgrenze eine Verkürzung und Be-
schneidung politischer Rechte des Arbeiters.

Die Frau gleich dem Manne soll das Wahl- und Stimmrecht erhalten, die
Unterdrückung des Weibes durch den Mann auch auf diesem Gebiete soll be-
seitigt werden. Jn einer Zeit, da die Frauenfrage zu einem der wichtigsten
Bestandteile der Arbeiterfrage geworden ist, erscheint es einleuchtend, daß die
Frau die ihr vorenthaltenen politischen Rechte erhält. Das Nähere über diesen
Punkt siehe unter V.

Proportional-Wahlsystem, und bis zu dessen Einführung gesetz-
liche Neueinteilung der Wahlkreise nach jeder Volkszählung.

Das Wahlverfahren, wie es heute für den Reichstag besteht, ist verbesserungs-
bedürftig. Ein Vertretungskörper soll die Ansichten, Wünsche, Richtungen der
Wählerschaft mit größtmöglicher Treue abspiegeln, so daß auch die Minder-
heiten bei der Beratung und Beschlußfassung in dieser Körperschaft ihr Wort in
die Wagschale werfen können. Die verschiedenen Parteien sind ferner erst dann
richtig vertreten, wenn sie im Verhältnis ihrer Gesamtstimmenzahl Abgeordnete
besitzen. Wenn man bedenkt, daß z. B. die Sozialdemokratie bei den letzten
Wahlen von 1903 von 9495506 abgegebenen gültigen Stimmen 3010472 (fast
82 Prozent) auf ihre Kandidaten vereinigt, trotzdem aber nicht 128 Abgeordnete,
wie ihr nach diesem Verhältnis gebührten, sondern nur 81 auf 397 (20 Prozent)
in den Reichstag geschickt hat, so zeigt sich die Unvollkommenheit der jetzigen
Wählart auf das deutlichste. Wir fordern deshalb ein Verfahren, welches die
verhältnismäßige Vertretung der verschiedenen Parteien in den gesetzgebenden
Körperschaften sichert. Leitender Grundsatz hierbei ist, daß die Zahl der Ver-
treter einer Partei sich nach der Gesamtzahl der bei den betreffenden Wahlen
für diese Partei überhaupt abgegebenen Stimmen richtet. Die Minderheiten
kommen so zu ihrem Rechte, die Stärke der parlamentarischen Fraktionen ent-
spricht der Stärke der Parteien, Stichwahlen kommen in Wegfall, das ganze
Verfahren wird erheblich vereinfacht. Wie gegebenenfalls diese Verhältniswahlen
zu ordnen sind, entscheidet die Praxis mannigfache Vorschläge dafür sind vor-
handen, die wir hier nicht zu erörtern haben.

Bis zur Einführung des neuen Wahlverfahrens ist das alte, so weit es
angeht, zu verbessern. Dazu gibt es nur einen Weg. Nach dem Wahlgesetze
für den deutschen Reichstag soll auf je 100000 Einwohner ein Abgeordneter
gewählt werden. Ein Ueberschuß von mindestens 50000 Köpfen der Gesamt-
bevölkerung eines Bundesstaates berechtigt zu einem weiteren Mitglied. Be-
kanntlich beträgt aber heute die Zahl der Reichstagsabgeordneten nur 397, sie
entspricht also nicht dem tatsächlichen Stande der Reichsbevölkerung, sondern
gründet sich auf eine vor einem Menschenalter festgestellte Bevölkerungszahl.
Nun besagt zwar der Schlußsatz von § 5 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869:
"Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten infolge der steigenden Bevölkerung
wird durch das Gesetz bestimmt", jedoch ist bis auf diesen Tag die auch in der
Reichsverfassung (Artikel 20) vorgesehene gesetzliche Neuregelung der Ab-
geordnetenzahl nicht vorgenommen worden. Die Volkszahl des Deutschen Reiches
ist von 40816244 auf 46855704 in 1885 gestiegen und betrug nach den Er-
gebnissen der Volkszählung von 1900: 56367178 Personen. Ein einfaches

Die Minderheit der Besitzenden wird freilich später selbständig, als die
Angehörigen des Proletariats. Dazu kommt, daß das durchschnittliche Sterbe-
alter des Arbeiters ein weit niedrigeres ist, als dasjenige des Reichen. Jnfolge
der Ungunst der auf die Arbeiter einwirkenden Einflüsse, der aufreibenden Tätig-
keit, der Entbehrungen „muß er“, wie der alte ehrliche Statistiker Süßmilch sich
ausdrückt, „früher davon“, als der unter einem glücklicheren Sterne geborene,
unter den günstigsten Verhältnissen sich entwickelnde Bourgeois. Schon deshalb
bedeutet eine zu hoch hinauf gerückte Altersgrenze eine Verkürzung und Be-
schneidung politischer Rechte des Arbeiters.

Die Frau gleich dem Manne soll das Wahl- und Stimmrecht erhalten, die
Unterdrückung des Weibes durch den Mann auch auf diesem Gebiete soll be-
seitigt werden. Jn einer Zeit, da die Frauenfrage zu einem der wichtigsten
Bestandteile der Arbeiterfrage geworden ist, erscheint es einleuchtend, daß die
Frau die ihr vorenthaltenen politischen Rechte erhält. Das Nähere über diesen
Punkt siehe unter V.

Proportional-Wahlsystem, und bis zu dessen Einführung gesetz-
liche Neueinteilung der Wahlkreise nach jeder Volkszählung.

Das Wahlverfahren, wie es heute für den Reichstag besteht, ist verbesserungs-
bedürftig. Ein Vertretungskörper soll die Ansichten, Wünsche, Richtungen der
Wählerschaft mit größtmöglicher Treue abspiegeln, so daß auch die Minder-
heiten bei der Beratung und Beschlußfassung in dieser Körperschaft ihr Wort in
die Wagschale werfen können. Die verschiedenen Parteien sind ferner erst dann
richtig vertreten, wenn sie im Verhältnis ihrer Gesamtstimmenzahl Abgeordnete
besitzen. Wenn man bedenkt, daß z. B. die Sozialdemokratie bei den letzten
Wahlen von 1903 von 9495506 abgegebenen gültigen Stimmen 3010472 (fast
82 Prozent) auf ihre Kandidaten vereinigt, trotzdem aber nicht 128 Abgeordnete,
wie ihr nach diesem Verhältnis gebührten, sondern nur 81 auf 397 (20 Prozent)
in den Reichstag geschickt hat, so zeigt sich die Unvollkommenheit der jetzigen
Wählart auf das deutlichste. Wir fordern deshalb ein Verfahren, welches die
verhältnismäßige Vertretung der verschiedenen Parteien in den gesetzgebenden
Körperschaften sichert. Leitender Grundsatz hierbei ist, daß die Zahl der Ver-
treter einer Partei sich nach der Gesamtzahl der bei den betreffenden Wahlen
für diese Partei überhaupt abgegebenen Stimmen richtet. Die Minderheiten
kommen so zu ihrem Rechte, die Stärke der parlamentarischen Fraktionen ent-
spricht der Stärke der Parteien, Stichwahlen kommen in Wegfall, das ganze
Verfahren wird erheblich vereinfacht. Wie gegebenenfalls diese Verhältniswahlen
zu ordnen sind, entscheidet die Praxis mannigfache Vorschläge dafür sind vor-
handen, die wir hier nicht zu erörtern haben.

Bis zur Einführung des neuen Wahlverfahrens ist das alte, so weit es
angeht, zu verbessern. Dazu gibt es nur einen Weg. Nach dem Wahlgesetze
für den deutschen Reichstag soll auf je 100000 Einwohner ein Abgeordneter
gewählt werden. Ein Ueberschuß von mindestens 50000 Köpfen der Gesamt-
bevölkerung eines Bundesstaates berechtigt zu einem weiteren Mitglied. Be-
kanntlich beträgt aber heute die Zahl der Reichstagsabgeordneten nur 397, sie
entspricht also nicht dem tatsächlichen Stande der Reichsbevölkerung, sondern
gründet sich auf eine vor einem Menschenalter festgestellte Bevölkerungszahl.
Nun besagt zwar der Schlußsatz von § 5 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869:
„Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten infolge der steigenden Bevölkerung
wird durch das Gesetz bestimmt“, jedoch ist bis auf diesen Tag die auch in der
Reichsverfassung (Artikel 20) vorgesehene gesetzliche Neuregelung der Ab-
geordnetenzahl nicht vorgenommen worden. Die Volkszahl des Deutschen Reiches
ist von 40816244 auf 46855704 in 1885 gestiegen und betrug nach den Er-
gebnissen der Volkszählung von 1900: 56367178 Personen. Ein einfaches

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[30/0032] Die Minderheit der Besitzenden wird freilich später selbständig, als die Angehörigen des Proletariats. Dazu kommt, daß das durchschnittliche Sterbe- alter des Arbeiters ein weit niedrigeres ist, als dasjenige des Reichen. Jnfolge der Ungunst der auf die Arbeiter einwirkenden Einflüsse, der aufreibenden Tätig- keit, der Entbehrungen „muß er“, wie der alte ehrliche Statistiker Süßmilch sich ausdrückt, „früher davon“, als der unter einem glücklicheren Sterne geborene, unter den günstigsten Verhältnissen sich entwickelnde Bourgeois. Schon deshalb bedeutet eine zu hoch hinauf gerückte Altersgrenze eine Verkürzung und Be- schneidung politischer Rechte des Arbeiters. Die Frau gleich dem Manne soll das Wahl- und Stimmrecht erhalten, die Unterdrückung des Weibes durch den Mann auch auf diesem Gebiete soll be- seitigt werden. Jn einer Zeit, da die Frauenfrage zu einem der wichtigsten Bestandteile der Arbeiterfrage geworden ist, erscheint es einleuchtend, daß die Frau die ihr vorenthaltenen politischen Rechte erhält. Das Nähere über diesen Punkt siehe unter V. Proportional-Wahlsystem, und bis zu dessen Einführung gesetz- liche Neueinteilung der Wahlkreise nach jeder Volkszählung. Das Wahlverfahren, wie es heute für den Reichstag besteht, ist verbesserungs- bedürftig. Ein Vertretungskörper soll die Ansichten, Wünsche, Richtungen der Wählerschaft mit größtmöglicher Treue abspiegeln, so daß auch die Minder- heiten bei der Beratung und Beschlußfassung in dieser Körperschaft ihr Wort in die Wagschale werfen können. Die verschiedenen Parteien sind ferner erst dann richtig vertreten, wenn sie im Verhältnis ihrer Gesamtstimmenzahl Abgeordnete besitzen. Wenn man bedenkt, daß z. B. die Sozialdemokratie bei den letzten Wahlen von 1903 von 9495506 abgegebenen gültigen Stimmen 3010472 (fast 82 Prozent) auf ihre Kandidaten vereinigt, trotzdem aber nicht 128 Abgeordnete, wie ihr nach diesem Verhältnis gebührten, sondern nur 81 auf 397 (20 Prozent) in den Reichstag geschickt hat, so zeigt sich die Unvollkommenheit der jetzigen Wählart auf das deutlichste. Wir fordern deshalb ein Verfahren, welches die verhältnismäßige Vertretung der verschiedenen Parteien in den gesetzgebenden Körperschaften sichert. Leitender Grundsatz hierbei ist, daß die Zahl der Ver- treter einer Partei sich nach der Gesamtzahl der bei den betreffenden Wahlen für diese Partei überhaupt abgegebenen Stimmen richtet. Die Minderheiten kommen so zu ihrem Rechte, die Stärke der parlamentarischen Fraktionen ent- spricht der Stärke der Parteien, Stichwahlen kommen in Wegfall, das ganze Verfahren wird erheblich vereinfacht. Wie gegebenenfalls diese Verhältniswahlen zu ordnen sind, entscheidet die Praxis mannigfache Vorschläge dafür sind vor- handen, die wir hier nicht zu erörtern haben. Bis zur Einführung des neuen Wahlverfahrens ist das alte, so weit es angeht, zu verbessern. Dazu gibt es nur einen Weg. Nach dem Wahlgesetze für den deutschen Reichstag soll auf je 100000 Einwohner ein Abgeordneter gewählt werden. Ein Ueberschuß von mindestens 50000 Köpfen der Gesamt- bevölkerung eines Bundesstaates berechtigt zu einem weiteren Mitglied. Be- kanntlich beträgt aber heute die Zahl der Reichstagsabgeordneten nur 397, sie entspricht also nicht dem tatsächlichen Stande der Reichsbevölkerung, sondern gründet sich auf eine vor einem Menschenalter festgestellte Bevölkerungszahl. Nun besagt zwar der Schlußsatz von § 5 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869: „Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten infolge der steigenden Bevölkerung wird durch das Gesetz bestimmt“, jedoch ist bis auf diesen Tag die auch in der Reichsverfassung (Artikel 20) vorgesehene gesetzliche Neuregelung der Ab- geordnetenzahl nicht vorgenommen worden. Die Volkszahl des Deutschen Reiches ist von 40816244 auf 46855704 in 1885 gestiegen und betrug nach den Er- gebnissen der Volkszählung von 1900: 56367178 Personen. Ein einfaches  

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-08T17:50:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-08T17:50:02Z)

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Zitationshilfe: Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kautsky_grundsaetze_1907/32>, abgerufen am 29.03.2024.