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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hohen Kamm gesteckt. So schwänzelte und tänzelte sie mit angestrengter Anmuth herum, spitzte lächerlich das Maul, daß es süß aussehen sollte, hüpfte elastisch an die Tische hin und, das Glas oder den Teller mit gesalzenem Käse hinsetzend, sagte sie lächelnd: So so? so soli! herrlich, herrlich, ihr Herren! und solches dummes Zeug mehr; denn obwohl sie sonst eine geschliffene Zunge hatte, so wußte sie jetzt doch nichts Gescheidtes vorzubringen, da sie fremd war und die Leute nicht kannte. Die Seldwyler von der schlechtesten Sorte, die da hockten, hielten die Hand vor den Mund, wollten vor Lachen ersticken, stießen sich unter dem Tisch mit den Füßen und sagten: Potz tausig! das ist ja eine Herrliche! Eine Himmlische! sagte ein Anderer; beim ewigen Hagel! es ist der Mühe Werth, hieher zu kommen, so Eine haben wir lang nicht gesehen! -- Ihr Mann bemerkte das wohl mit finsterem Blicke; er gab ihr einen Stoß in die Rippen und flüsterte: Du alte Kuh! Was machst du denn?--Störe mich nicht, sagte sie unwillig, du alter Tolpatsch! siehst du nicht, wie ich mir Mühe gebe und mit den Leuten umzugehen weiß? Das sind aber nur Lumpen von deinem Anhang ! Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere Kundschaft hier haben! -- Dies alles war beleuchtet von einem oder zwei dünnen Talglichtern; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die dunkle Küche, setzte sich auf den Herd und weinte über Vater und Mutter.

Die Gäste hatten aber das Schauspiel bald satt,

hohen Kamm gesteckt. So schwänzelte und tänzelte sie mit angestrengter Anmuth herum, spitzte lächerlich das Maul, daß es süß aussehen sollte, hüpfte elastisch an die Tische hin und, das Glas oder den Teller mit gesalzenem Käse hinsetzend, sagte sie lächelnd: So so? so soli! herrlich, herrlich, ihr Herren! und solches dummes Zeug mehr; denn obwohl sie sonst eine geschliffene Zunge hatte, so wußte sie jetzt doch nichts Gescheidtes vorzubringen, da sie fremd war und die Leute nicht kannte. Die Seldwyler von der schlechtesten Sorte, die da hockten, hielten die Hand vor den Mund, wollten vor Lachen ersticken, stießen sich unter dem Tisch mit den Füßen und sagten: Potz tausig! das ist ja eine Herrliche! Eine Himmlische! sagte ein Anderer; beim ewigen Hagel! es ist der Mühe Werth, hieher zu kommen, so Eine haben wir lang nicht gesehen! — Ihr Mann bemerkte das wohl mit finsterem Blicke; er gab ihr einen Stoß in die Rippen und flüsterte: Du alte Kuh! Was machst du denn?—Störe mich nicht, sagte sie unwillig, du alter Tolpatsch! siehst du nicht, wie ich mir Mühe gebe und mit den Leuten umzugehen weiß? Das sind aber nur Lumpen von deinem Anhang ! Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere Kundschaft hier haben! — Dies alles war beleuchtet von einem oder zwei dünnen Talglichtern; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die dunkle Küche, setzte sich auf den Herd und weinte über Vater und Mutter.

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[0039] hohen Kamm gesteckt. So schwänzelte und tänzelte sie mit angestrengter Anmuth herum, spitzte lächerlich das Maul, daß es süß aussehen sollte, hüpfte elastisch an die Tische hin und, das Glas oder den Teller mit gesalzenem Käse hinsetzend, sagte sie lächelnd: So so? so soli! herrlich, herrlich, ihr Herren! und solches dummes Zeug mehr; denn obwohl sie sonst eine geschliffene Zunge hatte, so wußte sie jetzt doch nichts Gescheidtes vorzubringen, da sie fremd war und die Leute nicht kannte. Die Seldwyler von der schlechtesten Sorte, die da hockten, hielten die Hand vor den Mund, wollten vor Lachen ersticken, stießen sich unter dem Tisch mit den Füßen und sagten: Potz tausig! das ist ja eine Herrliche! Eine Himmlische! sagte ein Anderer; beim ewigen Hagel! es ist der Mühe Werth, hieher zu kommen, so Eine haben wir lang nicht gesehen! — Ihr Mann bemerkte das wohl mit finsterem Blicke; er gab ihr einen Stoß in die Rippen und flüsterte: Du alte Kuh! Was machst du denn?—Störe mich nicht, sagte sie unwillig, du alter Tolpatsch! siehst du nicht, wie ich mir Mühe gebe und mit den Leuten umzugehen weiß? Das sind aber nur Lumpen von deinem Anhang ! Laß mich nur machen, ich will bald fürnehmere Kundschaft hier haben! — Dies alles war beleuchtet von einem oder zwei dünnen Talglichtern; Sali, der Sohn, aber ging hinaus in die dunkle Küche, setzte sich auf den Herd und weinte über Vater und Mutter. Die Gäste hatten aber das Schauspiel bald satt,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/39>, abgerufen am 29.03.2024.