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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Gartenhäuschen oder eine Laube, wenn man's in einen Garten pflanzte, ein Tischchen und ein Bänklein drein stellte und Winden drum herumsäete! Wolltest du mit darin sitzen, Sali?-- Ja, Vreeli, besonders wenn die Winden aufgewachsen wären! -- Was stehen wir noch? sagte Vrenchen, Nichts hält uns mehr zurück! -- So komm und schließ das Haus zu! Wem willst du denn den Schlüssel übergeben?--Vrenchen sah sich um. Hier an die Helbart wollen wir ihn hängen; sie ist über hundert Jahre in diesem Hause gewesen, habe ich den Vater oft sagen hören, nun steht sie da als der letzte Wächter!--Sie hingen den rostigen Hausschlüssel an einen rostigen Schnörkel der alten Waffe, an welcher die Bohnen rankten, und gingen davon. Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte, bis sie ein Dutzend Schritte entfernt waren. Es sah aber nicht zurück. Wo gehen wir nun zuerst hin? fragte es. -- Wir wollen ordentlich über Land gehen, erwiderte Sali, wo es uns freut den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und gegen Abend werden wir dann schon einen Tanzplatz finden! -- Gut! sagte Vrenchen, den ganzen Tag werden wir beisammen sein und gehen wo wir Lust haben. Jetzt ist mir aber elend, wir wollen gleich im andern Dorf einen Kaffee trinken! -- Versteht sich! sagte Sali, mach nur, daß wir aus diesem Dorf wegkommen!

Bald waren sie auch im freien Felde und gingen still neben einander durch die Fluren; es war ein

Gartenhäuschen oder eine Laube, wenn man's in einen Garten pflanzte, ein Tischchen und ein Bänklein drein stellte und Winden drum herumsäete! Wolltest du mit darin sitzen, Sali?— Ja, Vreeli, besonders wenn die Winden aufgewachsen wären! — Was stehen wir noch? sagte Vrenchen, Nichts hält uns mehr zurück! — So komm und schließ das Haus zu! Wem willst du denn den Schlüssel übergeben?—Vrenchen sah sich um. Hier an die Helbart wollen wir ihn hängen; sie ist über hundert Jahre in diesem Hause gewesen, habe ich den Vater oft sagen hören, nun steht sie da als der letzte Wächter!—Sie hingen den rostigen Hausschlüssel an einen rostigen Schnörkel der alten Waffe, an welcher die Bohnen rankten, und gingen davon. Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte, bis sie ein Dutzend Schritte entfernt waren. Es sah aber nicht zurück. Wo gehen wir nun zuerst hin? fragte es. — Wir wollen ordentlich über Land gehen, erwiderte Sali, wo es uns freut den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und gegen Abend werden wir dann schon einen Tanzplatz finden! — Gut! sagte Vrenchen, den ganzen Tag werden wir beisammen sein und gehen wo wir Lust haben. Jetzt ist mir aber elend, wir wollen gleich im andern Dorf einen Kaffee trinken! — Versteht sich! sagte Sali, mach nur, daß wir aus diesem Dorf wegkommen!

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[0088] Gartenhäuschen oder eine Laube, wenn man's in einen Garten pflanzte, ein Tischchen und ein Bänklein drein stellte und Winden drum herumsäete! Wolltest du mit darin sitzen, Sali?— Ja, Vreeli, besonders wenn die Winden aufgewachsen wären! — Was stehen wir noch? sagte Vrenchen, Nichts hält uns mehr zurück! — So komm und schließ das Haus zu! Wem willst du denn den Schlüssel übergeben?—Vrenchen sah sich um. Hier an die Helbart wollen wir ihn hängen; sie ist über hundert Jahre in diesem Hause gewesen, habe ich den Vater oft sagen hören, nun steht sie da als der letzte Wächter!—Sie hingen den rostigen Hausschlüssel an einen rostigen Schnörkel der alten Waffe, an welcher die Bohnen rankten, und gingen davon. Vrenchen wurde aber bleicher und verhüllte ein Weilchen die Augen, daß Sali es führen mußte, bis sie ein Dutzend Schritte entfernt waren. Es sah aber nicht zurück. Wo gehen wir nun zuerst hin? fragte es. — Wir wollen ordentlich über Land gehen, erwiderte Sali, wo es uns freut den ganzen Tag, uns nicht übereilen, und gegen Abend werden wir dann schon einen Tanzplatz finden! — Gut! sagte Vrenchen, den ganzen Tag werden wir beisammen sein und gehen wo wir Lust haben. Jetzt ist mir aber elend, wir wollen gleich im andern Dorf einen Kaffee trinken! — Versteht sich! sagte Sali, mach nur, daß wir aus diesem Dorf wegkommen! Bald waren sie auch im freien Felde und gingen still neben einander durch die Fluren; es war ein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/88>, abgerufen am 29.03.2024.