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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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sich nur durch das Geräusch und durch das Blitzen
und Stäuben des Rades kund, welches unter den
Bäumen durchleuchtete. Das Ganze war eine
Verschmelzung von Pfarrei, Bauernhof, Villa
und Jägerhaus, und mein Herz jubelte, als ich
alle Schönheit und Poesie entdeckte und übersah,
umgaukelt von der geflügelten und vierfüßigen
Thierwelt. Hier war überall Farbe und Glanz,
Bewegung, Leben und Glück, reichlich, ungemes¬
sen, dazu Freiheit und Ueberfluß, Scherz, Witz
und Wohlwollen. Der erste Gedanke war eine
freie ungebundene Thätigkeit. Ich eilte auf mein
Zimmer, welches auch nach der Abendseite lag,
und begann meine indessen angekommenen Sa¬
chen auszupacken, meine Schulbücher und abge¬
brochenen Hefte, welche ich so gut möglich noch
zu pflegen gedachte, vorzüglich aber einen ansehn¬
lichen Vorrath von Papier verschiedener Art, Fe¬
dern, Bleistifte und Farben, vermittelst deren ich
zu schreiben, zu zeichnen, zu malen gedachte, was
weiß ich, was Alles! In diesem Augenblicke
wandelte sich der bisherige Spieltrieb in eine
ganz ernsthafte und gravitätische Lust zu Schaf¬

ſich nur durch das Geraͤuſch und durch das Blitzen
und Staͤuben des Rades kund, welches unter den
Baͤumen durchleuchtete. Das Ganze war eine
Verſchmelzung von Pfarrei, Bauernhof, Villa
und Jaͤgerhaus, und mein Herz jubelte, als ich
alle Schoͤnheit und Poeſie entdeckte und uͤberſah,
umgaukelt von der gefluͤgelten und vierfuͤßigen
Thierwelt. Hier war uͤberall Farbe und Glanz,
Bewegung, Leben und Gluͤck, reichlich, ungemeſ¬
ſen, dazu Freiheit und Ueberfluß, Scherz, Witz
und Wohlwollen. Der erſte Gedanke war eine
freie ungebundene Thaͤtigkeit. Ich eilte auf mein
Zimmer, welches auch nach der Abendſeite lag,
und begann meine indeſſen angekommenen Sa¬
chen auszupacken, meine Schulbuͤcher und abge¬
brochenen Hefte, welche ich ſo gut moͤglich noch
zu pflegen gedachte, vorzuͤglich aber einen anſehn¬
lichen Vorrath von Papier verſchiedener Art, Fe¬
dern, Bleiſtifte und Farben, vermittelſt deren ich
zu ſchreiben, zu zeichnen, zu malen gedachte, was
weiß ich, was Alles! In dieſem Augenblicke
wandelte ſich der bisherige Spieltrieb in eine
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[24/0034] ſich nur durch das Geraͤuſch und durch das Blitzen und Staͤuben des Rades kund, welches unter den Baͤumen durchleuchtete. Das Ganze war eine Verſchmelzung von Pfarrei, Bauernhof, Villa und Jaͤgerhaus, und mein Herz jubelte, als ich alle Schoͤnheit und Poeſie entdeckte und uͤberſah, umgaukelt von der gefluͤgelten und vierfuͤßigen Thierwelt. Hier war uͤberall Farbe und Glanz, Bewegung, Leben und Gluͤck, reichlich, ungemeſ¬ ſen, dazu Freiheit und Ueberfluß, Scherz, Witz und Wohlwollen. Der erſte Gedanke war eine freie ungebundene Thaͤtigkeit. Ich eilte auf mein Zimmer, welches auch nach der Abendſeite lag, und begann meine indeſſen angekommenen Sa¬ chen auszupacken, meine Schulbuͤcher und abge¬ brochenen Hefte, welche ich ſo gut moͤglich noch zu pflegen gedachte, vorzuͤglich aber einen anſehn¬ lichen Vorrath von Papier verſchiedener Art, Fe¬ dern, Bleiſtifte und Farben, vermittelſt deren ich zu ſchreiben, zu zeichnen, zu malen gedachte, was weiß ich, was Alles! In dieſem Augenblicke wandelte ſich der bisherige Spieltrieb in eine ganz ernſthafte und gravitaͤtiſche Luſt zu Schaf¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/34>, abgerufen am 25.04.2024.