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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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mächtigen Stein nach. Sie sprang wieder mit¬
ten in den Hafer hinein, indessen die Hunde an
uns vorüberbrausten und mein zorniger Oheim
ganz verblüfft sagte: "Da! nun haben wir den
Hasen nicht gesehen!" Die Hunde waren eben¬
falls im Haferfelde verschwunden, auch war es
still geworden und wir bemerkten nur, daß fünf¬
zig Schritte von uns eine große Bewegung darin
herrschte und zugleich sahen wir dort sechs ver¬
gnügte Hundeschwänze über den Halmen wedeln.
"Sie haben entweder die Katze, oder ein armes
junges Häschen!" rief mein Führer. Wir bega¬
ben uns nach der Stelle und entdeckten Beides.
Die Katze hatte das zarte Thierchen erschnappt,
nicht ahnend, daß es sechs Hunde hinter sich
habe, und diese zerrissen sie in selbem Augenblicke
sammt ihrem Opfer. Wir hatten genug zu thun,
mit unseren Stöcken den Knäuel auseinander zu
treiben. Mein Oheim war verdrießlich über den
Verlust des Hasen und er tröstete sich nur mit
dem Tode der unbefugt jagdliebenden Katze.

"Genug für heute," sagte er, und steckte das
Häschen in seine weite Rocktasche, "da wir ein¬

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maͤchtigen Stein nach. Sie ſprang wieder mit¬
ten in den Hafer hinein, indeſſen die Hunde an
uns voruͤberbrauſten und mein zorniger Oheim
ganz verbluͤfft ſagte: »Da! nun haben wir den
Haſen nicht geſehen!« Die Hunde waren eben¬
falls im Haferfelde verſchwunden, auch war es
ſtill geworden und wir bemerkten nur, daß fuͤnf¬
zig Schritte von uns eine große Bewegung darin
herrſchte und zugleich ſahen wir dort ſechs ver¬
gnuͤgte Hundeſchwaͤnze uͤber den Halmen wedeln.
»Sie haben entweder die Katze, oder ein armes
junges Haͤschen!« rief mein Fuͤhrer. Wir bega¬
ben uns nach der Stelle und entdeckten Beides.
Die Katze hatte das zarte Thierchen erſchnappt,
nicht ahnend, daß es ſechs Hunde hinter ſich
habe, und dieſe zerriſſen ſie in ſelbem Augenblicke
ſammt ihrem Opfer. Wir hatten genug zu thun,
mit unſeren Stoͤcken den Knaͤuel auseinander zu
treiben. Mein Oheim war verdrießlich uͤber den
Verluſt des Haſen und er troͤſtete ſich nur mit
dem Tode der unbefugt jagdliebenden Katze.

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[33/0043] maͤchtigen Stein nach. Sie ſprang wieder mit¬ ten in den Hafer hinein, indeſſen die Hunde an uns voruͤberbrauſten und mein zorniger Oheim ganz verbluͤfft ſagte: »Da! nun haben wir den Haſen nicht geſehen!« Die Hunde waren eben¬ falls im Haferfelde verſchwunden, auch war es ſtill geworden und wir bemerkten nur, daß fuͤnf¬ zig Schritte von uns eine große Bewegung darin herrſchte und zugleich ſahen wir dort ſechs ver¬ gnuͤgte Hundeſchwaͤnze uͤber den Halmen wedeln. »Sie haben entweder die Katze, oder ein armes junges Haͤschen!« rief mein Fuͤhrer. Wir bega¬ ben uns nach der Stelle und entdeckten Beides. Die Katze hatte das zarte Thierchen erſchnappt, nicht ahnend, daß es ſechs Hunde hinter ſich habe, und dieſe zerriſſen ſie in ſelbem Augenblicke ſammt ihrem Opfer. Wir hatten genug zu thun, mit unſeren Stoͤcken den Knaͤuel auseinander zu treiben. Mein Oheim war verdrießlich uͤber den Verluſt des Haſen und er troͤſtete ſich nur mit dem Tode der unbefugt jagdliebenden Katze. »Genug fuͤr heute,« ſagte er, und ſteckte das Haͤschen in ſeine weite Rocktaſche, »da wir ein¬ ll. 3

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/43>, abgerufen am 25.04.2024.