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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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"Weil ich sogleich die Kirche zuschließen
werde! Gehet sogleich hinaus!" erwiederte der
Küster.

"Ich kann nicht gehen," sagte Heinrich, "laßt
mich hier sitzen, die Mutter Gottes wird es Euch
nicht übel nehmen!"

"Geht jetzt sogleich hinaus! Ihr könnt durch¬
aus nicht hier bleiben!" rief der Küster, und
Heinrich schlich trübselig aus der Kirche, während
der Küster rasselnd die Thüren zuschlug und
um die Kirche herumging. Heinrich stand jetzt
auf einem Kirchhof, welcher durchaus einem
schönen und wohlgepflegten Garten glich, indem
jedes Grab ein Blumenbeet vorstellte, die Gräber
zwanglos und malerisch gruppirt waren, hier ein
einzelnes großes Grab, dort ein solches nebst
einem Kindergräbchen, dann eine ganze Colonie
kleiner Kindergräber, dann wieder eine größere
oder kleinere Familie großer Gräber u. s. f., welche
alle in verschiedenem Charakter bepflanzt und mit
Blumen besetzt waren. Die Wege waren sorg¬
fältig mit Kies bedeckt und gerechet, und verloren
sich ohne Scheidemauer unter die dunklen Bäume

»Weil ich ſogleich die Kirche zuſchließen
werde! Gehet ſogleich hinaus!« erwiederte der
Kuͤſter.

»Ich kann nicht gehen,« ſagte Heinrich, »laßt
mich hier ſitzen, die Mutter Gottes wird es Euch
nicht uͤbel nehmen!«

»Geht jetzt ſogleich hinaus! Ihr koͤnnt durch¬
aus nicht hier bleiben!« rief der Kuͤſter, und
Heinrich ſchlich truͤbſelig aus der Kirche, waͤhrend
der Kuͤſter raſſelnd die Thuͤren zuſchlug und
um die Kirche herumging. Heinrich ſtand jetzt
auf einem Kirchhof, welcher durchaus einem
ſchoͤnen und wohlgepflegten Garten glich, indem
jedes Grab ein Blumenbeet vorſtellte, die Graͤber
zwanglos und maleriſch gruppirt waren, hier ein
einzelnes großes Grab, dort ein ſolches nebſt
einem Kindergraͤbchen, dann eine ganze Colonie
kleiner Kindergraͤber, dann wieder eine groͤßere
oder kleinere Familie großer Graͤber u. ſ. f., welche
alle in verſchiedenem Charakter bepflanzt und mit
Blumen beſetzt waren. Die Wege waren ſorg¬
faͤltig mit Kies bedeckt und gerechet, und verloren
ſich ohne Scheidemauer unter die dunklen Baͤume

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[297/0307] »Weil ich ſogleich die Kirche zuſchließen werde! Gehet ſogleich hinaus!« erwiederte der Kuͤſter. »Ich kann nicht gehen,« ſagte Heinrich, »laßt mich hier ſitzen, die Mutter Gottes wird es Euch nicht uͤbel nehmen!« »Geht jetzt ſogleich hinaus! Ihr koͤnnt durch¬ aus nicht hier bleiben!« rief der Kuͤſter, und Heinrich ſchlich truͤbſelig aus der Kirche, waͤhrend der Kuͤſter raſſelnd die Thuͤren zuſchlug und um die Kirche herumging. Heinrich ſtand jetzt auf einem Kirchhof, welcher durchaus einem ſchoͤnen und wohlgepflegten Garten glich, indem jedes Grab ein Blumenbeet vorſtellte, die Graͤber zwanglos und maleriſch gruppirt waren, hier ein einzelnes großes Grab, dort ein ſolches nebſt einem Kindergraͤbchen, dann eine ganze Colonie kleiner Kindergraͤber, dann wieder eine groͤßere oder kleinere Familie großer Graͤber u. ſ. f., welche alle in verſchiedenem Charakter bepflanzt und mit Blumen beſetzt waren. Die Wege waren ſorg¬ faͤltig mit Kies bedeckt und gerechet, und verloren ſich ohne Scheidemauer unter die dunklen Baͤume

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/307>, abgerufen am 29.03.2024.