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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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wir uns aus diesem materiellen Geschwür wieder
in's Nichts zurück abstrahiren, nur dies kann eine
Kunst sein! -- Aber mein Lob muß sogleich einen
Tadel gebären, oder vielmehr die Aufforderung
zu weiterem energischen Fortschritt! In diesem
reformatorischen Versuch liegt noch immer ein
Thema vor, welches an Etwas erinnert, auch
wirst Du nicht umhin können, um dem herrlichen
Gewebe einen Stützpunkt zu geben, dasselbe durch
einige verlängerte Fäden an den Aesten dieser
Föhren zu befestigen, sonst fürchtet man jeden
Augenblick, es durch seine eigene Schwere herab¬
sinken zu sehen. Hierdurch aber knüpft es sich
wiederum an die abscheulichste Realität! Nein,
grüner Heinrich! nicht also! nicht hier bleibe
stehen! Die Striche, indem sie bald sternförmig,
bald in der Wellenlinie, bald rosettenartig, bald
geviereckt, bald radienartig, strahlenförmig sich ge¬
stalten, bilden ein noch viel zu materielles Mu¬
ster, welches an Tapeten oder bedruckten Kattun
erinnert. Fort damit! Fange oben in der Ecke
an und setze einzeln neben einander Strich für
Strich, eine Zeile unter die andere; von Zehn zu

wir uns aus dieſem materiellen Geſchwuͤr wieder
in's Nichts zuruͤck abſtrahiren, nur dies kann eine
Kunſt ſein! — Aber mein Lob muß ſogleich einen
Tadel gebaͤren, oder vielmehr die Aufforderung
zu weiterem energiſchen Fortſchritt! In dieſem
reformatoriſchen Verſuch liegt noch immer ein
Thema vor, welches an Etwas erinnert, auch
wirſt Du nicht umhin koͤnnen, um dem herrlichen
Gewebe einen Stuͤtzpunkt zu geben, daſſelbe durch
einige verlaͤngerte Faͤden an den Aeſten dieſer
Foͤhren zu befeſtigen, ſonſt fuͤrchtet man jeden
Augenblick, es durch ſeine eigene Schwere herab¬
ſinken zu ſehen. Hierdurch aber knuͤpft es ſich
wiederum an die abſcheulichſte Realitaͤt! Nein,
gruͤner Heinrich! nicht alſo! nicht hier bleibe
ſtehen! Die Striche, indem ſie bald ſternfoͤrmig,
bald in der Wellenlinie, bald roſettenartig, bald
geviereckt, bald radienartig, ſtrahlenfoͤrmig ſich ge¬
ſtalten, bilden ein noch viel zu materielles Mu¬
ſter, welches an Tapeten oder bedruckten Kattun
erinnert. Fort damit! Fange oben in der Ecke
an und ſetze einzeln neben einander Strich fuͤr
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[27/0037] wir uns aus dieſem materiellen Geſchwuͤr wieder in's Nichts zuruͤck abſtrahiren, nur dies kann eine Kunſt ſein! — Aber mein Lob muß ſogleich einen Tadel gebaͤren, oder vielmehr die Aufforderung zu weiterem energiſchen Fortſchritt! In dieſem reformatoriſchen Verſuch liegt noch immer ein Thema vor, welches an Etwas erinnert, auch wirſt Du nicht umhin koͤnnen, um dem herrlichen Gewebe einen Stuͤtzpunkt zu geben, daſſelbe durch einige verlaͤngerte Faͤden an den Aeſten dieſer Foͤhren zu befeſtigen, ſonſt fuͤrchtet man jeden Augenblick, es durch ſeine eigene Schwere herab¬ ſinken zu ſehen. Hierdurch aber knuͤpft es ſich wiederum an die abſcheulichſte Realitaͤt! Nein, gruͤner Heinrich! nicht alſo! nicht hier bleibe ſtehen! Die Striche, indem ſie bald ſternfoͤrmig, bald in der Wellenlinie, bald roſettenartig, bald geviereckt, bald radienartig, ſtrahlenfoͤrmig ſich ge¬ ſtalten, bilden ein noch viel zu materielles Mu¬ ſter, welches an Tapeten oder bedruckten Kattun erinnert. Fort damit! Fange oben in der Ecke an und ſetze einzeln neben einander Strich fuͤr Strich, eine Zeile unter die andere; von Zehn zu

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/37>, abgerufen am 29.03.2024.