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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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dieses Doppelzweckes gespannt; Vertheidigung und
Ausfall, Selbsterhaltung und Wirkung nach außen,
Zusammenziehen und Ausdehnung vereinigten sich
in Einem Momente, in welchem das schönste
Spiel der Muskeln darstellte, wie das Leben recht
eigentlich durch sich selbst um sich selber kämpfte
in dieser munteren Menschenkrabbe.

Trotz des bröcklichen beschmutzten Gypses
ging ein Licht von dem rüstigen, tapferen Bilde
aus, welches erhellend in Heinrich's Augen fiel.
Er hatte sonderbarer Weise noch nie einen ernst¬
lichen Versuch zur kundigen Nachahmung der
menschlichen Gestalt gemacht und gerade seit sei¬
nem Aufenthalte in der Kunstresidenz, wo Mit¬
tel und Aufforderung genug im größten Ma߬
stabe sich aufdrängten, sich eigensinnig davon
zurückgehalten, in der willkürlich bescheidenen Ein¬
bildung, daß Beruf und Bestimmung die aus¬
schließliche Ausbildung des einmal gewählten
Zweiges erforderten. Nicht nur verkannte er das
Gesetz, daß je weiter und mannigfaltiger die
Kunde, verwandter Gegenstände ist, desto freier
und vollkommener ein Auserwähltes betrieben

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dieſes Doppelzweckes geſpannt; Vertheidigung und
Ausfall, Selbſterhaltung und Wirkung nach außen,
Zuſammenziehen und Ausdehnung vereinigten ſich
in Einem Momente, in welchem das ſchoͤnſte
Spiel der Muskeln darſtellte, wie das Leben recht
eigentlich durch ſich ſelbſt um ſich ſelber kaͤmpfte
in dieſer munteren Menſchenkrabbe.

Trotz des broͤcklichen beſchmutzten Gypſes
ging ein Licht von dem ruͤſtigen, tapferen Bilde
aus, welches erhellend in Heinrich's Augen fiel.
Er hatte ſonderbarer Weiſe noch nie einen ernſt¬
lichen Verſuch zur kundigen Nachahmung der
menſchlichen Geſtalt gemacht und gerade ſeit ſei¬
nem Aufenthalte in der Kunſtreſidenz, wo Mit¬
tel und Aufforderung genug im groͤßten Ma߬
ſtabe ſich aufdraͤngten, ſich eigenſinnig davon
zuruͤckgehalten, in der willkuͤrlich beſcheidenen Ein¬
bildung, daß Beruf und Beſtimmung die aus¬
ſchließliche Ausbildung des einmal gewaͤhlten
Zweiges erforderten. Nicht nur verkannte er das
Geſetz, daß je weiter und mannigfaltiger die
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und vollkommener ein Auserwaͤhltes betrieben

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[35/0045] dieſes Doppelzweckes geſpannt; Vertheidigung und Ausfall, Selbſterhaltung und Wirkung nach außen, Zuſammenziehen und Ausdehnung vereinigten ſich in Einem Momente, in welchem das ſchoͤnſte Spiel der Muskeln darſtellte, wie das Leben recht eigentlich durch ſich ſelbſt um ſich ſelber kaͤmpfte in dieſer munteren Menſchenkrabbe. Trotz des broͤcklichen beſchmutzten Gypſes ging ein Licht von dem ruͤſtigen, tapferen Bilde aus, welches erhellend in Heinrich's Augen fiel. Er hatte ſonderbarer Weiſe noch nie einen ernſt¬ lichen Verſuch zur kundigen Nachahmung der menſchlichen Geſtalt gemacht und gerade ſeit ſei¬ nem Aufenthalte in der Kunſtreſidenz, wo Mit¬ tel und Aufforderung genug im groͤßten Ma߬ ſtabe ſich aufdraͤngten, ſich eigenſinnig davon zuruͤckgehalten, in der willkuͤrlich beſcheidenen Ein¬ bildung, daß Beruf und Beſtimmung die aus¬ ſchließliche Ausbildung des einmal gewaͤhlten Zweiges erforderten. Nicht nur verkannte er das Geſetz, daß je weiter und mannigfaltiger die Kunde, verwandter Gegenſtaͤnde iſt, deſto freier und vollkommener ein Auserwaͤhltes betrieben 3 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/45>, abgerufen am 29.03.2024.