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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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Von den Werkzeugen der Sprache.
so willkommene Laut dabey entsteht, daran dürfte
wohl ein großer Theil nie gedacht haben. Wenn es
ein freundschaftlicher hellklatschender Herzenskuß seyn
soll, so zieht man die Lippen in eine runde Form,
wie wenn man einen Kirschkern aus dem Munde
herausstoßen wollte, und drückt sie auf den Ge-
genstand, den man küssen will, fest auf, dadurch
werden die Ränder des runden Loches so verdrückt,
daß sie sich ganz aneinander schließen, und gar kei-
ne Oeffnung bleibt. Man verweilet in dieser Lage ei-
ne kurze Zeit, und bestrebt sich während derselben die
Lippen auseinander zu ziehen, weil aber der Druck,
mit dem sie durch den vorderen Theil der Kiefer
auf den zu küssenden Gegenstand aufgepreßt sind,
zu stark ist, so lassen sie sich nicht von der Stel-
le bewegen, zugleich zieht man den Athem stark an
sich. Wenn man nun aus dieser Lage mit dem
Kopf jähe zurückfährt, und dadurch den Mund von
seinem Gegenstand losreißt, so fahren die schon vor-
hin durch das obige Bestreben angespannten und
nun des Druckes auf einmal entledigten Lippen aus-
einander, und die Luft fährt mit einem lauten
Schnalzen zum Munde hinein. Noch ist dabey zu

mer-

Von den Werkzeugen der Sprache.
ſo willkommene Laut dabey entſteht, daran duͤrfte
wohl ein großer Theil nie gedacht haben. Wenn es
ein freundſchaftlicher hellklatſchender Herzenskuß ſeyn
ſoll, ſo zieht man die Lippen in eine runde Form,
wie wenn man einen Kirſchkern aus dem Munde
herausſtoßen wollte, und druͤckt ſie auf den Ge-
genſtand, den man kuͤſſen will, feſt auf, dadurch
werden die Raͤnder des runden Loches ſo verdruͤckt,
daß ſie ſich ganz aneinander ſchließen, und gar kei-
ne Oeffnung bleibt. Man verweilet in dieſer Lage ei-
ne kurze Zeit, und beſtrebt ſich waͤhrend derſelben die
Lippen auseinander zu ziehen, weil aber der Druck,
mit dem ſie durch den vorderen Theil der Kiefer
auf den zu kuͤſſenden Gegenſtand aufgepreßt ſind,
zu ſtark iſt, ſo laſſen ſie ſich nicht von der Stel-
le bewegen, zugleich zieht man den Athem ſtark an
ſich. Wenn man nun aus dieſer Lage mit dem
Kopf jaͤhe zuruͤckfaͤhrt, und dadurch den Mund von
ſeinem Gegenſtand losreißt, ſo fahren die ſchon vor-
hin durch das obige Beſtreben angeſpannten und
nun des Druckes auf einmal entledigten Lippen aus-
einander, und die Luft faͤhrt mit einem lauten
Schnalzen zum Munde hinein. Noch iſt dabey zu

mer-
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[171/0217] Von den Werkzeugen der Sprache. ſo willkommene Laut dabey entſteht, daran duͤrfte wohl ein großer Theil nie gedacht haben. Wenn es ein freundſchaftlicher hellklatſchender Herzenskuß ſeyn ſoll, ſo zieht man die Lippen in eine runde Form, wie wenn man einen Kirſchkern aus dem Munde herausſtoßen wollte, und druͤckt ſie auf den Ge- genſtand, den man kuͤſſen will, feſt auf, dadurch werden die Raͤnder des runden Loches ſo verdruͤckt, daß ſie ſich ganz aneinander ſchließen, und gar kei- ne Oeffnung bleibt. Man verweilet in dieſer Lage ei- ne kurze Zeit, und beſtrebt ſich waͤhrend derſelben die Lippen auseinander zu ziehen, weil aber der Druck, mit dem ſie durch den vorderen Theil der Kiefer auf den zu kuͤſſenden Gegenſtand aufgepreßt ſind, zu ſtark iſt, ſo laſſen ſie ſich nicht von der Stel- le bewegen, zugleich zieht man den Athem ſtark an ſich. Wenn man nun aus dieſer Lage mit dem Kopf jaͤhe zuruͤckfaͤhrt, und dadurch den Mund von ſeinem Gegenſtand losreißt, ſo fahren die ſchon vor- hin durch das obige Beſtreben angeſpannten und nun des Druckes auf einmal entledigten Lippen aus- einander, und die Luft faͤhrt mit einem lauten Schnalzen zum Munde hinein. Noch iſt dabey zu mer-

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/217>, abgerufen am 28.03.2024.