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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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Von den Lauten oder Buchstaben.
bald ach, und ziehe immer das Ch eine Weile aus.
Meines Erachtens sollte wohl Niemand diesen ganz
fühlbaren Unterschied verkennen. Ja ich dächte, es
soll jedermann, der auch den Selbstlauter nicht ge-
hört hat, wenn er nur noch das Ch hört, bestimmt
sagen können, ob einer der zwey ersteren E, I, oder
der letzteren A, O, U, vorhergegangen ist.

Warum sich aber die Natur zweyerley Ch ge-
macht hat, und warum eben nur a o und u sich
immer das tiefere zugesellet, das mag wohl daher
kommen, daß der Uibergang von a o u zu i, näm-
lich von dem dritten, vierten, und fünften
Grade der Zungenkanalsöffnung zu dem ersten zu
gewaltsam ist. Denn, wann sollte sich die Zunge
in die Lage des I richten? Während als die Stim-
me tönet? da würde es aich, oich, uich heissen.
Während als das Ch lautet? da würd' es zu spät
seyn; denn das Ch muß seine Lage schon haben, so
bald es anspricht. Wollte man zwischen a und Ch
eine Pause anbringen, um die Zunge von a in i
zu richten? da würde das ach nicht mehr zusam-
menhangend seyn, sondern wie a - ch lauten. Zu

dem


Von den Lauten oder Buchſtaben.
bald ach, und ziehe immer das Ch eine Weile aus.
Meines Erachtens ſollte wohl Niemand dieſen ganz
fuͤhlbaren Unterſchied verkennen. Ja ich daͤchte, es
ſoll jedermann, der auch den Selbſtlauter nicht ge-
hoͤrt hat, wenn er nur noch das Ch hoͤrt, beſtimmt
ſagen koͤnnen, ob einer der zwey erſteren E, I, oder
der letzteren A, O, U, vorhergegangen iſt.

Warum ſich aber die Natur zweyerley Ch ge-
macht hat, und warum eben nur a o und u ſich
immer das tiefere zugeſellet, das mag wohl daher
kommen, daß der Uibergang von a o u zu i, naͤm-
lich von dem dritten, vierten, und fuͤnften
Grade der Zungenkanalsoͤffnung zu dem erſten zu
gewaltſam iſt. Denn, wann ſollte ſich die Zunge
in die Lage des I richten? Waͤhrend als die Stim-
me toͤnet? da wuͤrde es aich, oich, uich heiſſen.
Waͤhrend als das Ch lautet? da wuͤrd' es zu ſpaͤt
ſeyn; denn das Ch muß ſeine Lage ſchon haben, ſo
bald es anſpricht. Wollte man zwiſchen a und Ch
eine Pauſe anbringen, um die Zunge von a in i
zu richten? da wuͤrde das ach nicht mehr zuſam-
menhangend ſeyn, ſondern wie a - ch lauten. Zu

dem
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[283/0341] Von den Lauten oder Buchſtaben. bald ach, und ziehe immer das Ch eine Weile aus. Meines Erachtens ſollte wohl Niemand dieſen ganz fuͤhlbaren Unterſchied verkennen. Ja ich daͤchte, es ſoll jedermann, der auch den Selbſtlauter nicht ge- hoͤrt hat, wenn er nur noch das Ch hoͤrt, beſtimmt ſagen koͤnnen, ob einer der zwey erſteren E, I, oder der letzteren A, O, U, vorhergegangen iſt. Warum ſich aber die Natur zweyerley Ch ge- macht hat, und warum eben nur a o und u ſich immer das tiefere zugeſellet, das mag wohl daher kommen, daß der Uibergang von a o u zu i, naͤm- lich von dem dritten, vierten, und fuͤnften Grade der Zungenkanalsoͤffnung zu dem erſten zu gewaltſam iſt. Denn, wann ſollte ſich die Zunge in die Lage des I richten? Waͤhrend als die Stim- me toͤnet? da wuͤrde es aich, oich, uich heiſſen. Waͤhrend als das Ch lautet? da wuͤrd' es zu ſpaͤt ſeyn; denn das Ch muß ſeine Lage ſchon haben, ſo bald es anſpricht. Wollte man zwiſchen a und Ch eine Pauſe anbringen, um die Zunge von a in i zu richten? da wuͤrde das ach nicht mehr zuſam- menhangend ſeyn, ſondern wie a - ch lauten. Zu dem

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/341>, abgerufen am 24.04.2024.