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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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Von der Sprache überhaupt.
die Menschen auch manche andere, die in bloßen
Geberden bestehen. Um wieder zu unserem Hunde
zurück zu kehren, so wird man die Bedeutung einer
jeden seiner Grimassen leicht entdecken. Wenn sich
zwey Hunde von gleicher Größe begegnen, wird
man sogleich kennen, wie sie gegeneinander gesinnet
sind. Sind beyde herzhaft, und zur Raufferey ge-
neigt, so werden sie Kopf und Rücken aufrichten,
den Schwanz in die Höhe strecken, um einander
herum gehen, sich wechselweis anmurren, bis es
endlich zu Thätigkeiten kömmt. Jst aber einer da-
von zaghaft, wird er den Nacken beugen, Schwanz
und Ohren sinken lassen, zuweilen sich auch auf den
Rücken legen, wie wenn er zu dem andern sagen
wollte: "ich erkenne deine Uebermacht, sieh meine
"Unterwürfigkeit -- sie wird deinen Zorn besänf-
"tigen. Jch habe mich ergeben -- du denkest zu
"edel, als daß du einen Liegenden mißhandeln soll-
"test." Der Ueberwinder versteht diese Sprache,
schonet der Demuth, und stolz auf seine Größe ver-
läßt er den Elenden. Tretten wir in ein fremdes
Haus, und der große Haushund kömmt uns mit
wädelndem Schwanze und zurückgeschlagenen Ohren

entge-

Von der Sprache uͤberhaupt.
die Menſchen auch manche andere, die in bloßen
Geberden beſtehen. Um wieder zu unſerem Hunde
zuruͤck zu kehren, ſo wird man die Bedeutung einer
jeden ſeiner Grimaſſen leicht entdecken. Wenn ſich
zwey Hunde von gleicher Groͤße begegnen, wird
man ſogleich kennen, wie ſie gegeneinander geſinnet
ſind. Sind beyde herzhaft, und zur Raufferey ge-
neigt, ſo werden ſie Kopf und Ruͤcken aufrichten,
den Schwanz in die Hoͤhe ſtrecken, um einander
herum gehen, ſich wechſelweis anmurren, bis es
endlich zu Thaͤtigkeiten koͤmmt. Jſt aber einer da-
von zaghaft, wird er den Nacken beugen, Schwanz
und Ohren ſinken laſſen, zuweilen ſich auch auf den
Ruͤcken legen, wie wenn er zu dem andern ſagen
wollte: „ich erkenne deine Uebermacht, ſieh meine
„Unterwuͤrfigkeit — ſie wird deinen Zorn beſaͤnf-
„tigen. Jch habe mich ergeben — du denkeſt zu
„edel, als daß du einen Liegenden mißhandeln ſoll-
„teſt.“ Der Ueberwinder verſteht dieſe Sprache,
ſchonet der Demuth, und ſtolz auf ſeine Groͤße ver-
laͤßt er den Elenden. Tretten wir in ein fremdes
Haus, und der große Haushund koͤmmt uns mit
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[11/0039] Von der Sprache uͤberhaupt. die Menſchen auch manche andere, die in bloßen Geberden beſtehen. Um wieder zu unſerem Hunde zuruͤck zu kehren, ſo wird man die Bedeutung einer jeden ſeiner Grimaſſen leicht entdecken. Wenn ſich zwey Hunde von gleicher Groͤße begegnen, wird man ſogleich kennen, wie ſie gegeneinander geſinnet ſind. Sind beyde herzhaft, und zur Raufferey ge- neigt, ſo werden ſie Kopf und Ruͤcken aufrichten, den Schwanz in die Hoͤhe ſtrecken, um einander herum gehen, ſich wechſelweis anmurren, bis es endlich zu Thaͤtigkeiten koͤmmt. Jſt aber einer da- von zaghaft, wird er den Nacken beugen, Schwanz und Ohren ſinken laſſen, zuweilen ſich auch auf den Ruͤcken legen, wie wenn er zu dem andern ſagen wollte: „ich erkenne deine Uebermacht, ſieh meine „Unterwuͤrfigkeit — ſie wird deinen Zorn beſaͤnf- „tigen. Jch habe mich ergeben — du denkeſt zu „edel, als daß du einen Liegenden mißhandeln ſoll- „teſt.“ Der Ueberwinder verſteht dieſe Sprache, ſchonet der Demuth, und ſtolz auf ſeine Groͤße ver- laͤßt er den Elenden. Tretten wir in ein fremdes Haus, und der große Haushund koͤmmt uns mit waͤdelndem Schwanze und zuruͤckgeſchlagenen Ohren entge-

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/39>, abgerufen am 24.04.2024.