Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


Von den Lauten oder Buchstaben.
chen. Esch ischt schon die schönschte Tscheit
verfloschen
, statt, es ist schon die schönste
Zeit verfloßen
.

Jch kannte Leute, ja in meiner Vaterstadt eine
ganze adeliche Familie, die aus einer Mutter, zwey
Töchtern und zwey Söhnen bestand, deren keines
das reine S aussprechen konnte, und dasselbe im-
mer durch ein Ch ersetzte. So sprachen sie z. B.
Dach icht eine chaure Chpeiche, für das
ist eine saure Speise
.

Manche glauben der Sprache einen besonderen
Nachdruck dadurch zu geben, daß sie fast alle S in
ein Z, nämlich ein französisches, von dem oben Er-
wähnung geschehen ist, verwandeln. Jch habe einige
der geschicktesten Schauspieler auf der Bühne sagen
gehört: Zo tief zind zie gezunken?



SCH
Y 2


Von den Lauten oder Buchſtaben.
chen. Eſch iſcht ſchon die ſchoͤnſchte Tſcheit
verfloſchen
, ſtatt, es iſt ſchon die ſchoͤnſte
Zeit verfloßen
.

Jch kannte Leute, ja in meiner Vaterſtadt eine
ganze adeliche Familie, die aus einer Mutter, zwey
Toͤchtern und zwey Soͤhnen beſtand, deren keines
das reine S ausſprechen konnte, und daſſelbe im-
mer durch ein Ch erſetzte. So ſprachen ſie z. B.
Dach icht eine chaure Chpeiche, fuͤr das
iſt eine ſaure Speiſe
.

Manche glauben der Sprache einen beſonderen
Nachdruck dadurch zu geben, daß ſie faſt alle S in
ein Z, naͤmlich ein franzoͤſiſches, von dem oben Er-
waͤhnung geſchehen iſt, verwandeln. Jch habe einige
der geſchickteſten Schauſpieler auf der Buͤhne ſagen
gehoͤrt: Zo tief zind zie gezunken?



SCH
Y 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0401" n="339"/><lb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Lauten oder Buch&#x017F;taben</hi>.</fw><lb/>
chen. <hi rendition="#b">E&#x017F;ch i&#x017F;cht &#x017F;chon die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;chte T&#x017F;cheit<lb/>
verflo&#x017F;chen</hi>, &#x017F;tatt, <hi rendition="#b">es i&#x017F;t &#x017F;chon die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
Zeit verfloßen</hi>.</p><lb/>
              <p>Jch kannte Leute, ja in meiner Vater&#x017F;tadt eine<lb/>
ganze adeliche Familie, die aus einer Mutter, zwey<lb/>
To&#x0364;chtern und zwey So&#x0364;hnen be&#x017F;tand, deren keines<lb/>
das reine <hi rendition="#aq">S</hi> aus&#x017F;prechen konnte, und da&#x017F;&#x017F;elbe im-<lb/>
mer durch ein <hi rendition="#aq">Ch</hi> er&#x017F;etzte. So &#x017F;prachen &#x017F;ie z. B.<lb/><hi rendition="#b">Dach icht eine chaure Chpeiche</hi>, fu&#x0364;r <hi rendition="#b">das<lb/>
i&#x017F;t eine &#x017F;aure Spei&#x017F;e</hi>.</p><lb/>
              <p>Manche glauben der Sprache einen be&#x017F;onderen<lb/>
Nachdruck dadurch zu geben, daß &#x017F;ie fa&#x017F;t alle <hi rendition="#aq">S</hi> in<lb/>
ein <hi rendition="#aq">Z</hi>, na&#x0364;mlich ein franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ches, von dem oben Er-<lb/>
wa&#x0364;hnung ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, verwandeln. Jch habe einige<lb/>
der ge&#x017F;chickte&#x017F;ten Schau&#x017F;pieler auf der Bu&#x0364;hne &#x017F;agen<lb/>
geho&#x0364;rt: <hi rendition="#aq">Zo tief zind zie gezunken</hi>?</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">Y 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">SCH</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0401] Von den Lauten oder Buchſtaben. chen. Eſch iſcht ſchon die ſchoͤnſchte Tſcheit verfloſchen, ſtatt, es iſt ſchon die ſchoͤnſte Zeit verfloßen. Jch kannte Leute, ja in meiner Vaterſtadt eine ganze adeliche Familie, die aus einer Mutter, zwey Toͤchtern und zwey Soͤhnen beſtand, deren keines das reine S ausſprechen konnte, und daſſelbe im- mer durch ein Ch erſetzte. So ſprachen ſie z. B. Dach icht eine chaure Chpeiche, fuͤr das iſt eine ſaure Speiſe. Manche glauben der Sprache einen beſonderen Nachdruck dadurch zu geben, daß ſie faſt alle S in ein Z, naͤmlich ein franzoͤſiſches, von dem oben Er- waͤhnung geſchehen iſt, verwandeln. Jch habe einige der geſchickteſten Schauſpieler auf der Buͤhne ſagen gehoͤrt: Zo tief zind zie gezunken? SCH Y 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/401
Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/401>, abgerufen am 25.04.2024.