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Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791.

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Von der Sprache überhaupt.
wenn er sich bey ihr girrend niederbeugt, und nun
wieder ganz gerade aufrichtet -- was wollen sie
durch diese Geberden sagen? O die Folge zeigt es
gar schön, daß es die Henne, die Tänbinn, und
der Zuseher verstanden hat.(*)

§. 6.

Diese unerlernte, schon von der Natur ein-
gegebene Ton- und Geberdensprache muß bey dem
Menschen um so viel weiter ausgedehnt seyn, als
dieser den Thieren an Vernunft überlegen, und
vor ihnen das Nachahmungs-Vermögen, den

Grund
(*) Bougeant hat in seinem Amusement philoso-
phique sur le langage des betes a Paris 1739.
viel
Artiges über die Sprache der Thiere geschrieben. Un-
ter andern gefällt mir der moralische Zug pag. 106.
"Wenn die Thiere unser Geplauder verstünden, wenn
"sie uns manchmal so lügen, verleumden und aller-
"hand rasendes Gezeug daher schwatzen hörten, wür-
"den sie uns da um unsere Sprache beneiden? Sie
"haben freylich diese unsere Vorzüge nicht, aber da-
"gegen haben sie auch unsere Fehler nicht, sie spre-
"chen wenig, aber was sie sprechen ist immer passend
"den Umständen angemessen, und wahr."


Von der Sprache uͤberhaupt.
wenn er ſich bey ihr girrend niederbeugt, und nun
wieder ganz gerade aufrichtet — was wollen ſie
durch dieſe Geberden ſagen? O die Folge zeigt es
gar ſchoͤn, daß es die Henne, die Taͤnbinn, und
der Zuſeher verſtanden hat.(*)

§. 6.

Dieſe unerlernte, ſchon von der Natur ein-
gegebene Ton- und Geberdenſprache muß bey dem
Menſchen um ſo viel weiter ausgedehnt ſeyn, als
dieſer den Thieren an Vernunft uͤberlegen, und
vor ihnen das Nachahmungs-Vermoͤgen, den

Grund
(*) Bougeant hat in ſeinem Amuſement philoſo-
phique ſur le langage des bêtes à Paris 1739.
viel
Artiges uͤber die Sprache der Thiere geſchrieben. Un-
ter andern gefaͤllt mir der moraliſche Zug pag. 106.
„Wenn die Thiere unſer Geplauder verſtuͤnden, wenn
„ſie uns manchmal ſo luͤgen, verleumden und aller-
„hand raſendes Gezeug daher ſchwatzen hoͤrten, wuͤr-
„den ſie uns da um unſere Sprache beneiden? Sie
„haben freylich dieſe unſere Vorzuͤge nicht, aber da-
„gegen haben ſie auch unſere Fehler nicht, ſie ſpre-
„chen wenig, aber was ſie ſprechen iſt immer paſſend
„den Umſtaͤnden angemeſſen, und wahr.“
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[13/0041] Von der Sprache uͤberhaupt. wenn er ſich bey ihr girrend niederbeugt, und nun wieder ganz gerade aufrichtet — was wollen ſie durch dieſe Geberden ſagen? O die Folge zeigt es gar ſchoͤn, daß es die Henne, die Taͤnbinn, und der Zuſeher verſtanden hat. (*) §. 6. Dieſe unerlernte, ſchon von der Natur ein- gegebene Ton- und Geberdenſprache muß bey dem Menſchen um ſo viel weiter ausgedehnt ſeyn, als dieſer den Thieren an Vernunft uͤberlegen, und vor ihnen das Nachahmungs-Vermoͤgen, den Grund (*) Bougeant hat in ſeinem Amuſement philoſo- phique ſur le langage des bêtes à Paris 1739. viel Artiges uͤber die Sprache der Thiere geſchrieben. Un- ter andern gefaͤllt mir der moraliſche Zug pag. 106. „Wenn die Thiere unſer Geplauder verſtuͤnden, wenn „ſie uns manchmal ſo luͤgen, verleumden und aller- „hand raſendes Gezeug daher ſchwatzen hoͤrten, wuͤr- „den ſie uns da um unſere Sprache beneiden? Sie „haben freylich dieſe unſere Vorzuͤge nicht, aber da- „gegen haben ſie auch unſere Fehler nicht, ſie ſpre- „chen wenig, aber was ſie ſprechen iſt immer paſſend „den Umſtaͤnden angemeſſen, und wahr.“

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Zitationshilfe: Kempelen, Wolfgang von: Mechanismus der menschlichen Sprache. Wien, 1791, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kempelen_maschine_1791/41>, abgerufen am 16.04.2024.